Beleidigungen, Prügeleien, Mobbing

Der erziehungswissenschaftliche Blick auf Schülergewalt

Diskussionen über Schülergewalt sind nicht selten emotional aufgeladen. Für eine ruhige und fundierte Diskussion ist deshalb eine Sichtung der wichtigsten Erkenntnisse auf diesem Gebiet von Bedeutung. Was wird unter Gewalt verstanden? Was wissen wir über die Häufigkeit und die Erscheinungsformen von Schülergewalt? Was wirkt gewaltfördernd und was -mindernd? Welche Empfehlungen für die Praxis sind begründet?

In der erziehungswissenschaftlichen Forschung – und auch in unserem Beitrag – wird Gewalt an Schulen in eingeschränkter Perspektive betrachtet: In den Blick genommen werden Schülerinnen und Schüler als (potentielle) Täter(innen) – und andere Schüler(innen) oder auch Lehrkräfte als (potentielle) Opfer. Genau genommen geht es hier also um »Schülergewalt«. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Gewalt in der Schule auch von Erwachsenen – also den Lehrerinnen und Lehrern – ausgeübt wird. Auch wenn dies inzwischen in aller Regel nicht mehr in körperlich-direkter Weise geschieht¹, so gibt es doch auch Bloßstellen, Diskriminierungen oder Beleidigungen, denen die Schüler(innen) von Seiten der Lehrkräfte ausgesetzt sind (vgl. Krumm/Weiss 2000). Und schließlich sind sexuelle Übergriffe von Lehrkräften gegenüber Schüler(inne)n ein Thema, vor dem man die Augen nicht mehr verschließen kann (vgl. Bründel 2011). Diese Formen der Gewalt werden in diesem Beitrag nicht behandelt; sie bedürfen einer gesonderten Betrachtung.

Was ist »Gewalt«?

Was verstehen wir im Folgenden als »Gewalt« (durch Schüler(innen))? Im engeren Sinne wird darunter ausschließlich die absichtsvolle mit körperlichen Mitteln verursachte Schädigung gefasst. Diese physische Gewalt kann sowohl Personen betreffen als auch Sachen (Vandalismus). Auch die Drohung mit körperlicher Schädigung wird als physische Gewalt verstanden.

Weiter gefasst gilt auch eine absichtsvolle Schädigung, die ohne physische Mittel auskommt, als Gewalt. Dies können Beleidigungen sein, Ausgrenzung aus der Gruppe, Demütigungen oder emotionale Erpressung. Zusammengenommen werden alle diese Handlungsweisen als psychische Gewalt bezeichnet, mit der verbalen Gewalt als einer Unterform. Im Gegensatz zur physischen Gewalt sind die Folgen für Außenstehende meist nicht direkt sichtbar; sie hängen von der Interpretation der Betroffenen ab. Dennoch kann psychische Gewalt manchmal mehr verletzen als physische.

Als eine besondere Form der Schülergewalt gilt Bullying, im Deutschen auch mit Mobbing übersetzt, das wie folgt gekennzeichnet wird:

»a) Es ist ein aggressives Verhalten beziehungsweise beabsichtigtes ›Unrechttun‹ b) das wiederholt und über längere Zeit ausgeführt wird und c) durch ein Ungleichgewicht der Kräfte in einer interpersonalen Beziehung gekennzeichnet ist.« (Olweus 1997, S. 283)

Bullying ist also eine länger andauernde Unterdrückungs-Beziehung, sie kann sowohl mit körperlichen als auch mit verbalen oder psychischen Mitteln ausgeführt werden. Seitdem Schüler(innen) intensiv das Internet nutzen, hat sich als neue Form das »Cyber-Mobbing« etabliert: ano­nyme Beschimpfungen und Beleidigungen als »digitales Drangsalieren« (vgl. Grimm 2011).

Forschungsstand zur Schülergewalt

Die zahlreichen Untersuchungen, die seit Ende der 1990er Jahre durchgeführt wurden, kommen zu weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen: Zwar ist Schülergewalt ein alltägliches Phänomen an deutschen Schulen, allerdings meist in Form von Beleidigungen oder »leichteren« körperlichen Auseinandersetzungen; massive Ausprägungen wie Waffeneinsatz oder schwere Körperverletzungen sind hingegen recht selten. Relativ häufig kommen Prügeleien vor, im Verlaufe eines Jahres hat sich knapp ein Drittel der Schüler(innen) (Jahrgang 6 bis 9) mit anderen mindestens einmal geprügelt (vgl. Tillmann u. a. 1999, S. 97). Bei verbaler beziehungsweise psychischer Gewalt liegen die Prozentsätze noch höher, häufig ist es mehr als die Hälfte der Schüler(innen), der sich in dieser Weise anderen gegenüber verhalten hat (Tillmann u. a. 1999, S. 105; Fuchs u. a. 2009).

Ist die Schülergewalt angestiegen?

Häufig wird (gerade von Lehrkräften) behauptet, die Häufigkeit der Schülergewalt habe über die Jahre deutlich zugenommen. Hierzu liegt eine repräsentative Längsschnittstudie für Bayern vor, die die Entwicklung zwischen 1994 und 2004 genau nachzeichnet (vgl. Fuchs u. a. 2009). Danach hat das Gewaltverhalten von Schüler(inne)n in dieser Zeit abgenommen – und schwerwiegende Vorfälle wie Waffeneinsatz oder Erpressung sind auch 2004 die große Ausnahme: So geben 97% der befragten Schüler(innen) an, sie hätten im laufenden Schuljahr nie »einen Mitschüler mit der Waffe bedroht«, und 98%, nie »einen Schüler gezwungen [zu haben], Geld oder etwas (Wertvolles) zu überlassen« (vgl. ebd., S. 85 f.). Auch die weite Verbreitung von verbaler Gewalt findet sich wie in den anderen Studien, hier sind es nur 27%, die nie »einen Mitschüler beschimpft« haben, gegenüber 18%, die dies oft oder sehr oft getan haben. Ähnlich lassen sich auch die Ergebnisse einer Hamburger Befragung, die 2005 im 9. Jahrgang durchgeführt wurde, interpretieren (vgl. Block u. a. 2007). Danach haben im letzten Halbjahr 56% mindestens einmal andere gehänselt und 28% geschlagen oder getreten. Die Bedrohung mit einer Waffe lag bei 3%, Erpressung bei 2% (vgl. ebd., S. 121).

Schülergewalt nach Schulform, Geschlecht und Alter
Generell gilt, dass insbesondere bei der körperlichen Gewalt die Belas­tung mit sinkendem Sozialprestige der Schulform steigt. Am stärksten belastet erweisen sich Sonder- beziehungsweise Förderschulen (vgl. Block u. a. 2007, S. 123), gefolgt von den Hauptschulen, während an Gymnasien die Belastung durch körperliche Schülergewalt am geringsten ausfällt, Real- und Gesamtschulen finden sich dazwischen (vgl. Fuchs u. a. 2009; S. 95). Trotz dieser relativ stabilen Ergebnisse hinsichtlich der Rangreihe der Schulformen ist zu betonen, dass es z. T. erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Schulen der gleichen Schulform gibt (vgl. Forschungsgruppe Schulevaluation 1998, S. 222 f.) und dass sich auch innerhalb einer Schule die Klassen deutlich unterscheiden (vgl. Meier 2004, S. 190 ff.). Nicht bestätigen lässt sich die weitverbreitete Vermutung, an großen Schulen oder in großen Klassen träte mehr Schülergewalt auf als in kleinen. Auch die Annahme, in Großstadtschulen sei eine höhere Belastung zu verzeichnen als in Schulen auf dem Land, lässt sich bei Berücksichtigung relevanter Hintergrunddaten nicht bestätigen (vgl. Lösel/Bliesener 2003, S. 69).

Auf der individuellen Ebene ist ein immer wieder reproduziertes Ergebnis die unterschiedliche Beteiligung von Mädchen und Jungen an schulischen Gewalthandlungen. Lässt man alle Formen sexueller Gewalt außer Acht, so sind Jungen sowohl häufiger Täter schulischer Gewalt als auch deren Opfer. Dies gilt in besonderer Weise für physische Gewalt. Hier sind Jungen doppelt bis viermal so häufig vertreten wie Mädchen (vgl. z. B. Lösel/Bliesener 2003, S. 49). Bei psychischer Gewalt liegen die Jungen zwar immer noch vorn, die Unterschiede sind jedoch bei weitem nicht mehr so deutlich (vgl. z. B. Tillmann u. a. 1999, S. 105). Diese Verhaltensweisen entsprechen den Geschlechterstereotypen, nach denen Jungen offen aggressive Verhaltensweisen zugestanden werden, Mädchen jedoch nicht. Dennoch sind Mädchen, wenn auch in deutlich geringerem Maße, an Gewalthandlungen beteiligt – und zwar als Opfer, aber auch als Täterinnen (vgl. Popp 2002).

Fuchs u. a. (2009, S. 118) geben die Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen als die auffälligste an; Tillmann u. a. (1999, S. 16 f.) sprechen von einer Gewaltspitze bei den 13- bis 15-Jährigen. Übereinstimmend kann jedoch für physische Gewalt die Phase der Pubertät als besonders belas­tet ausgemacht werden. Als Opfer werden insbesondere die jüngeren Schüler(innen) genannt, die häufig von den Älteren drangsaliert werden.

Risikofaktoren

Neben der Beschreibung des Ausmaßes und der Erscheinungsformen von Schülergewalt ist die Identifizierung von gewaltfördernden oder -abschwächenden Faktoren ein wichtiges Ziel der erziehungswissenschaftlichen Forschung. Die am häufigsten untersuchten Faktoren stammen aus dem individuellen Bereich der Schüler(innen), der Familie, dem Freundeskreis und dem Freizeitverhalten. In einigen Fällen wurden neben diesen außerschulischen auch schulische Faktoren mit einbezogen².

Verfolgt wurde zunächst die Frage, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und »Eigenschaften« dazu führen, dass Kinder und Jugendliche verstärkt zu Opfern oder auch Tätern werden: Bei Opfern findet sich oft ein mangelndes Selbstwertgefühl und ein niedriger Beliebtheitsstatus in der Klasse. Täter hingegen haben meist einen »durchschnittlichen« Beliebtheitsstatus (vgl. z. B. Rostampour/Melzer 1997; Meier 2004, S. 251).

Sehr breit wurde der Zusammenhang zwischen familiären Merkmalen und Schülergewalt erfasst. Als wenig bedeutsam stellte sich die Familienform, die Größe der Familie, die Position innerhalb der Geschwis­terreihe oder die Wohnsituation heraus; entscheidender für das Ausüben von Schülergewalt ist hingegen, ob Schüler(innen) innerhalb der Familie Gewalterfahrungen gemacht haben, ob ein rigide-autoritärer Erziehungsstil herrscht und sie sich zu Hause nicht akzeptiert fühlen. (vgl. z. B. Lösel/Bliesener 2003, S. 63). Neben dem familiären Kontext, der nicht allein für die Erklärung von Schülergewalt herangezogen werden kann, spielen die Freundesgruppe der Schüler(innen) und ihr Medienkonsum eine weitere Rolle. Wer sich in seiner Freizeit in aggressiven Cliquen bewegt, übt auch in der Schule vermehrt Gewalt aus. Ebenfalls recht deutliche Zusammenhänge zeigen sich zum Konsum von Horror-, Gewalt- und Pornofilmen (vgl. Forschungsgruppe Schulevaluation 1998; Tillmann u. a. 1999).

Doch nicht nur die Familie und der Freundeskreis, auch die Schule selbst kann Gewaltverhalten verstärken. So üben Schüler(innen), die das Verhalten ihrer Lehrkräfte als abweisend und etikettierend wahrnehmen, häufiger Gewalt aus (vgl. Forschungsgruppe Schulevaluation 1998, S. 211 f.; Tillmann u. a. 1999, S. 258 f.). Generell lässt sich sagen, dass eine positive Lernkultur und ein gutes Sozialklima mit geringer Schülergewalt einhergehen.

Prävention und Intervention

Bei Vorschlägen zu Gewaltprävention und Intervention sind zwei Herangehensweisen zu unterscheiden. Zum einen können aus den berichteten Forschungsergebnissen Folgerungen abgeleitet werden. Das bedeutet, die Risikofaktoren aufzugreifen und daraus positiv gewendet Empfehlungen für die Praxis abzuleiten. Zum anderen können einige der inzwischen praktizierten (aber nur selten evaluierten) Programme zur Prävention und Intervention exemplarisch vorgestellt werden.

Folgerungen aus den wissenschaftlichen Untersuchungen
Aus den Erkenntnissen der Untersuchungen kann sehr vereinfachend für die Schule gesagt werden: Guter und engagierter Unterricht – eingebettet in ein positives Schulklima – ist gleichzeitig auch ein wichtiger Beitrag zur Gewaltprävention. Anders formuliert: Wenn die Lehrkräfte sich intensiv bemühen, die Lernkultur und das Sozialklima positiv zu entwickeln – und wenn sie auch gegenüber »schwierigen« Schüler(inne)n etikettierendes Verhalten vermeiden und die Gesprächsbereitschaft nicht abreißen lassen, leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention. Das bedeutet nicht Gewalthandlungen zu ignorieren. Vielmehr erwarten Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrkräften ein entschlossenes Eingreifen, sie sollen Regeln etablieren und Grenzen setzen. Die Oper sind zu schützen – aber jeder Tätet muss auch immer wieder eine neue Chance erhalten.

Und zwei andere Aspekte sind zu erwähnen: Da ein starker Geschlechterunterschied gerade bei physischer Gewalt zu beobachten ist, heißt das für die Prävention: Hilfestellung beim reflexiven Erwerb der Geschlechterrolle. Und dazu gehören auch Reflexionen und Übungen zur gewaltfreien Präsentation des eigenen Geschlechts (vgl. Micus-Loss 2012). Empfehlenswert ist zudem eine Medienerziehung, die sich nicht allein aus Appellen gegen den Konsum von Gewalt-, Horror- und Pornodarstellungen besteht, sondern die Wege zum kreativen Umgang mit den neuen Medien aufzeigt.

Gewaltpräventions- und Interventionsprogramme
Um in dem unübersichtlichen Feld der vielen Gewaltpräventionsprogramme eine bessere Orientierung zu gewinnen, lehnen wir uns an die Systematisierung von Melzer/Schubarth/Ehninger (2004) an. Bezieht sich das Programm auf die individuelle Ebene, auf die der Klasse beziehungsweise der Schule oder geht es sogar darüber hinaus und bezieht auch außerschulische Institutionen mit ein? Die zweite Systematisierung betrifft die angesprochene Zielgruppe: Sind es ausschließlich die Schüler(innen) oder werden auch Lehrkräfte und Eltern mit einbezogen? Tabellarisch lässt sich diese Systematik wie in Abb. 1 darstellen³.

Schubarth (2010) hat die vorliegenden Programme gesichtet und systematisch eingeordnet. Einige von ihnen sollen hier beispielhaft angesprochen werden:

Auf der individuellen Schülerebene sind Verhaltenstrainings mit aggressiven Kindern und Jugendlichen zu nennen. Durch spezielle Übungen lernen Schüler(innen) einzeln oder in kleinen Gruppen eine differenziertere Wahrnehmung zu entwickeln und ihre sozialen Verhaltensweisen zu erweitern (Petermann/Petermann 2001, Einordnung: A1). Derartige Trainings können jedoch zumeist nicht von Lehrkräften durchgeführt werden, sondern von anderen speziell geschulten pädagogischen Fachleuten.

Auf der Klassenebene sind für Schüler(innen) viele Programme zu finden. Für die Primarstufe ist »Faustlos« eins der bekanntesten. Ausgangspunkt sind Fotos, anhand derer Problemsituationen mit Rollenspielen bearbeitet werden. Die Bereiche, in denen die Schüler(innen) ihre Kompetenzen verbessern sollen, betreffen die Empathieförderung, die Impulskontrolle sowie den Umgang mit Ärger und Wut. Da es sich bei »Faustlos« um ein festgelegtes Curriculum mit speziellen Materialien handelt, können Lehrkräfte nach einer eintägigen Fortbildung mit dem Programm in ihren Klassen arbeiten (vgl. Cierpka/Schick 2001, Einordnung: B 1).

Da Geschlechterunterschiede im Gewaltausmaß eine große Rolle spielen, können im weitesten Sinne auch Programme zur Mädchen- und Jungenarbeit unter Gewaltprävention gerechnet werden (vgl. Dussa/Welz 1998; Einordnung: B 1, 2).

Auf der Schulebene sind wohl Streitschlichtung und Peer-Mediation am bekanntesten, die auf die Vermittlung von Schüler(inne)n bei Konflikten setzen. Schüler(innen) werden speziell für ihre Aufgabe als Streitschlichter oder Konfliktlotse geschult und sollen in der Folge bei Streitigkeiten anderer Schüler(innen) Hilfestellung leisten. Die Konfliktparteien kommen in der Regel freiwillig zu den Streitschlichtern (vgl. Walker 2004, Einordnung: C1).

Die Auswahl geht bis zu umfassenden Anti-Gewalt-Programmen, die neben Lehrkräften und Schüler(inne)n auch Eltern mit einbeziehen und von der Schulebene über die Klassenebene bis zur persönlichen Ebene reicht (Olweus 1995). Auf der Schulebene gibt es zunächst einen pädagogischen Tag, aber auch bauliche Veränderungen. Innerhalb der Klasse sind Klassenregeln zentral und die Folgen, wenn diese nicht eingehalten werden. Zusätzlich sind Gespräche innerhalb der Klasse wichtig. Gespräche werden ebenfalls auf der persönlichen Ebene mit allen Beteiligten geführt (Opfer, Täter, Lehrkräfte, Eltern; Einordnung: C 1, 2, 3).

Ebenfalls auf der Schulebene sind schulinterne Fortbildungen und die Einbeziehung von Gewaltprävention in der Schulprogramm und die Schulentwicklung (vgl. Melzer u. a. 2004). Darüber hinausgehend sind beispielsweise »Runde Tische« gegen Gewalt, die innerhalb von Kommunen geführt werden (Einordnung: D 1, 2, 3).

Als Ausnahme unter den Präventionsprogrammen kann das »Konstanzer Trainingsmodell« (KTM) gesehen werden, da es sich hierbei um ein Selbsthilfeprogramm für Lehrkräfte handelt, die damit eine soziale Kompetenz erreichen sollen. Ziel ist es, durch ein verändertes Verhalten auf Lehrerseite Unterrichtsstörungen und »leichtere« Gewalthandlungen zu minimieren. Das Besondere ist nicht nur, dass hier Lehrkräfte die Zielgruppe darstellen, sondern auch, dass Lehrkräfte ohne große Voraussetzungen mit dem Programm arbeiten können. Notwendig ist nur eine weitere Lehrkraft, die bereit ist, im Tandem zu arbeiten und im Unterricht der jeweils anderen Lehrkraft zu hospitieren (vgl. Humpert/Dann 2001, Einordnung: A2).

Schluss

Unser Überblick zeigt, dass die anhaltende Diskussion und Forschung zu Gewalt an Schulen auch dazu geführt hat, eine Vielzahl von Gewaltpräventions-Programmen zu entwickeln und zu erproben. Dabei gibt es höchst unterschiedliche inhaltliche und methodische Ansätze. Welches Programm für die eigene Schule hilfreich sein könnte, hängt sowohl von den Problemen vor Ort als auch von den dort vorhandenen Ressourcen ab. Doch bevor ein Kollegium sich entschließt, ein solches Programm zu adap­tieren und in der eigenen Schule umzusetzen, sollte es sich fragen: Was tun wir in unserem alltäglichen Unterricht, um durch interessante Aufgabenstellungen, förderndes Verhalten und respektvollen Umgang – aber auch durch die konsequente Durchsetzung von Regeln – nicht nur fachliche, sondern auch soziale Kompetenzen zu vermitteln? Denn diese Form der alltäglichen Gewaltprävention ist notwendig – und zwar vor jedem noch so gut konzipierten Programm.

Anmerkungen
¹    Bis Ende der 1960er Jahre war die Prügelstrafe durch Lehrkräfte an deutschen Schulen legal.
²    Aufgrund des weitgehenden Fehlens von Längsschnittstudien kann allerdings wenig über Kausalitäten
ausgesagt werden.
³    Auf eine dritte Achse, die die Schulstufe mit einbezieht, ist aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet worden.

Literatur

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  • Schubarth, W. (2010): Gewalt und Mobbing an Schulen. Möglichkeiten der Prävention und Intervention. Stuttgart
  • Tillmann, K.- J. u. a. (1999): Schülergewalt als Schulproblem. Verursachende Bedingungen, Erscheinungsformen und pädagogische Handlungsperspektiven. Weinheim
  • Walker, J. (2004): Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule. Grundlagen und didaktisches Konzept; Spiele und Übungen für die Klassen 1 bis 4. Frankfurt a. M., 5. Aufl.

Dr. Gabriele Klewin ist Diplom-Pädagogin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Oberstufenkolleg der Universität Bielefeld (z. Zt. kommissarische Wiss. Leiterin). Arbeitsschwerpunkte: Praxisforschung, Methoden der Schulfoschung, Schulentwicklung.
E-Mail: gabriele.klewin(at)uni-bielefeld.de

Dr. Klaus-Jürgen Tillmann ist Professor für Schulpädagogik an der Universität Bielefeld, langjähriger Wissenschaftlicher Leiter der Laborschule, seit 2008 emeritiert. Arbeitsschwerpunkte: Schulentwicklung, schulische Sozialisation, empirische Schulforschung.
E-Mail: klaus.tillmann(at)uni-bielefeld.de

Adresse (beide): Universität Bielefeld, Wissenschaftliche Einrichtung Oberstufenkolleg, Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld


Aus: Pädagogik 11/2012