Strukturen im Kollegium schaffen

Strukturen für eine lernende Schule
Ziele, Instrumente und Routinen

Schulen sollen die Lernmöglichkeiten ihrer Schüler optimieren. Dazu müssen sie im Stand sein, selber zu lernen. Wie sind Strukturen und Instrumente beschaffen, die kollegiales Lernen fördern? Was wissen wir dazu aus der Schulforschung? Welche Erfahrungen erfolgreicher Schulen liegen vor?

Strukturveränderungen im Großen – z. B. die Etablierung einer neuen Sekundarschule neben dem Gymnasium – ziehen auf der Ebene der betroffenen Schulen weitere z. T. höchst komplizierte und langwierige Wandlungsprozesse nach sich. In welchem Maße diese gelingen und letztlich die Lernmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler verbessern, hängt von der Akzeptanz der intendierten Ziele und der Kompetenz der Kollegien ab, Veränderungen schulweit umzusetzen und für ihre Klientel angemessen zu adaptieren. Vergleichbare Herausforderungen an schulisches Changemanagement sind nötig, wenn z.B. aus traditionellen Halbtagsschulen gebundene Ganztagsschulen werden sollen oder Schüler mit speziellen Förderbedarfen entsprechend der UN-Konvention per Elternentscheidung neu an Regelschulen aufgenommen werden. Anstöße für Veränderungen gehen häufig auch von Schulen selbst aus, z.B. beim Wechsel der Schulleitung, der Entwicklung schulinterner Curricula, in der Abwehr einer drohenden Schulschließung wegen zurückgehender Anmeldezahlen oder der Beteiligung an einem komplexen Modellversuch.

Lernende Organisation

In solchen und vergleichbaren Fällen oder einfach, weil bei der Schulleitung, im Kollegium oder der Elternschaft ein deutlicher Veränderungsbedarf erkannt wird, sind bestimmte Kompetenzen, Haltungen und Strukturen gefragt – kurz: eine lernende Organisation.

»Eine Schule kann dann als lernende und selbstreflexive Organisation betrachtet werden, wenn sie in ihrer Organisationsstruktur und -kultur ein System mit pädagogischer Selbstentwicklungs- und Selbsterneuerungsfähigkeit, zielorientierter Analyse, Planung und Gestaltung und damit hoher Problemlösefähigkeit erlangt hat, um auf neue oder veränderte Situationen innerhalb der Schule oder ihres sozialen Umfelds angemessen reagieren zu können« (Holtappels 2010).

Eine solche Organisationsstruktur fällt nicht vom Himmel und ergibt sich auch nicht im Selbstlauf. Peter Senge (2006) benennt fünf Kerndisziplinen, die für den Aufbau einer lernenden Organisation erforderlich sind:

  • »Personal Mastery«, d.h. Selbstkompetenz jedes Organisationsmitglieds und die Fähigkeit zu ihrer Weiterentwicklung.
  • »Mentale Modelle«, d. h. die Bewusstwerdung und Klärung vorhandener Einstellungen und Haltungen bei sich selber und in der Gruppe, weil diese – hindernd oder fördernd – für die Weiterentwicklung der Organisation bedeutsam sind.
  • »Gemeinsame Visionen«, d. h. ein untereinander abgestimmtes und dadurch tragfähiges Zielbild, das einzelnen Vorhaben und Maßnahmen Orientierung gibt.
  • »Team-Lernen«, das unterschiedliche Kompetenzen und Sichtweisen dialogisch und zielgerichtet zusammenführt und mehr bringt als die Summe der individuellen Leistungen.
  • »Systemisches Denken« als inte­grative Disziplin, die den Blick auf das Ganze richtet und die jeweiligen Aktivitäten im Systemzusammenhang analysiert und steuert.

Wir haben bei der Konzeption dieses Themenschwerpunktes nicht beabsichtigt, alle genannten Disziplinen einer lernenden Organisation »ins Schulische« zu übertragen und dafür good-practice-Beispiele zu finden. Solche liegen mit ähnlicher Thematik z. T. schon vor, z. B. »Teamarbeit und Unterrichtsentwicklung« (Heft 1/10), »Schulentwicklung« (3/06), »Schulinterne Qualifizierung« (10/04), »Schule leiten im Dialog« (7-8/04), »Zukunft der Bildung« (7-8/03).

Vielmehr geht es hier um einen bedeutsamen Teilaspekt: Wie müssen schulische Organisationsstrukturen beschaffen sein, um kollegiale Lernprozesse zu fördern? Und dazu: Welche Anlässe für Organisationslernen bieten sich an, welche Instrumente haben sich bewährt? Wie lassen sich eingeschliffene Handlungsmuster erkennen und verändern, wenn sie der Weiterentwicklung hinderlich sind?

Unterschiede und Entwicklungsansätze

Dass sich Schulen – bei gleichem staatlichen Regelwerk – voneinander unterscheiden, ist nicht nur evident, sondern auch sinnvoll und folgerichtig. Formaler Ausdruck dieser gewollten Unterschiedlichkeit ist z. B. der Auftrag, schulinterne Curricula zu entwickeln, die die vorgegebenen Rahmenlehrpläne inhaltlich und methodisch ausfüllen bzw. ergänzen. Aber nicht alle Unterschiede zwischen oder innerhalb der Schulen sind wünschenswert, insbesondere wenn sie den Kompetenzerwerb der Schüler negativ betreffen. Auch stellt die Schulinspektion Unterschiede in den relevanten Qualitätsbereichen – von Führung und Management, Unterricht und Beteiligung bis zur Anschlussfähigkeit ins Ausbildungs- und Studiensystem – fest, z. B.

  • beim Stellenwert des Schulprogramms für die weitere Schulentwicklung,
  • beim Einsatz von Mitarbeitergesprächen für eine gezielte Personalentwicklung,
  • bei der Hospitationspraxis von Schulleitungen,
  • bei der Systematisierung von Schülerfeedbacks,
  • bei der Rollenklärung von Fachleitungen,
  • bei der systematischen Nutzung schulinterner Evaluationen,
  • und – für unsere Fragestellung hinsichtlich lernender Organisationen besonders relevant – bei Kooperation und Teamarbeit.

Ähnliche Befunde, wie hier am Beispiel Hamburg, zeigen sich auch in den Inspektionsberichten anderer Bundesländer und weisen damit auf bedeutsame Entwicklungsbedarfe vieler Schulen in den Bereichen Personalentwicklung, Kooperationsstrukturen, interne Evaluation und Feedbackkultur hin – und zwar unabhängig von der Schulform.

Aus dem neuen Jahresbericht der Hamburger Schulinspektion ergibt sich allerdings auch, dass der institutionelle Effekt der einzelnen Schule auf die vorgefundene Unterrichtsqualität gegenüber früheren Erhebungen zugenommen hat. »Ob Unterricht gelingt, hängt also stärker von der Schule ab als noch 2008. Möglicherweise ist dies ein Indiz, dass sich Lehrerkollegien verstärkt um eine gemeinsame Unterrichtsentwicklung bemühen, so dass sich schwach, aber messbar eine Angleichung der Unterrichtsqualität innerhalb der einzelnen Schule vollzieht« (Jahresbericht 2011).

Treiber für gezielte Schulentwicklung

Forschungen zu Schulentwicklung und Schulwirksamkeit identifizieren drei Faktoren als besonders effektiv, um die Qualität von Schule zu beeinflussen (vgl. Bonsen u. a. 2008):

  • Zielführendes Handeln – nur dann kann überprüft werden, was tatsächlich erreicht wird,
  • Teamentwicklung – vor allem dann, wenn sie konsequent unterrichtsbezogen gestaltet ist,
  • Feedbackkultur – wenn sie datengestützt und förderorientiert angelegt ist und auch reziprok verläuft, d.h. Schülerfeedback und kollegiale Hospitationen einschließt.

Zu den Beiträgen in diesem Heft

Wenn man das Lernen der Schülerinnen und Schüler verbessern will – so das letztliche Ziel einer pädagogischen Schulentwicklung – müssen auch bei Lehrkräften Lernprozesse stattfinden, und zwar nicht zwischen Tür und Angel, sondern explizit, d. h. geplant, mit Schüler- und Unterrichtsbezug und mit erreichbaren Zielen, die auch überprüft werden können. Eine Schule, die solche Austauschgelegenheiten systematisch auf verschiedenen Ebenen bietet, verfügt über »gute Strukturen« im Sinne einer lernenden Organisation. Solche Schulen, durch Hinweise im Redaktionskollegium empfohlen, wurden um Beiträge gebeten zur Frage, wie und mit Hilfe welcher Strukturen, Werkzeuge und Routinen das gemeinsame Lernen in ihrem Kollegium gestaltet ist. Zusätzlich wurden zwei Schulleiterinnen mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund befragt. Bei aller Verschiedenheit, z. B. in Bezug auf die Schulform, finden sich bedeutsame Gemeinsamkeiten, die mit den skizzierten Merkmalen einer lernenden Organisation korrespondieren:

Der in Gang gesetzte Schulentwicklungsprozess hatte jeweils einen konkreten Anlass in Form einer Herausforderung, die Ideen und Gestaltungskräfte mobilisiert hat: eine umfassende Arbeitsplatzuntersuchung, die auf Schwachstellen bei den bisherigen Arbeitsstrukturen hinwies; die Teilnahme an einem BLK-Modellversuch, die Schubkräfte für systemisches Denken gab; die Einführung lernfeldorientierter Lehrpläne, die den Paradigmenwechsel zur Kompetenzorientierung möglich machten.

  • Der Bezugspunkt aller Struktur- und Entwicklungsmaßnahmen ist das Kerngeschäft von Schule, der Unterricht.
  • Damit korrespondiert die bedeutsame Rolle, die Jahrgangs- und Fachkonferenzen und deren Verzahnung spielen.
  • Das Voneinander-Lernen findet auch in Form kollegialer Hospitationen statt, Schülerfeedbacks werden systematisch durchgeführt und ausgewertet.
  • Auf der Systemebene sorgen die Steuergruppe und eine »kompetente Leitung« (Rolff) dafür, dass alles transparent und im Lot bleibt, d.h. Aktivitäten nicht vereinzeln, Rückkoppelungen mit dem ganzen Kollegium stattfinden und die gesetzten Ziele nicht aus den Augen verloren werden.

Der Beitrag von Seydel systematisiert – aus der Erfahrung langjähriger Schulbegleitung – die erprobten Merkmale guter Teamarbeit und der dafür erforderlichen Strukturen.
Das Hamburger Projekt zur Unterstützung von »Schulen in schwieriger Lage« (Heinig/Herrmann) ist auf »kollektive Handlungsmuster« in den Kollegien gestoßen, die Konsequenzen für die Schulentwicklung haben.

Zum Schluss ganz pragmatisch:

Engagierte Lehrerinnen und Lehrer wissen: Gute Strukturen in der Schule unterstützen ihre Arbeit, Strukturarmut schwächt sie.

Literatur

  • Bonsen, M./Bos, W./Rolff, H.-G. (2008): Zur Fusion von Schuleffektivitäts- und Schulentwicklungsforschung. In: Jahrbuch der Schulentwicklung, Band 15. Weinheim und München, S. 24 ff.
  • Holtappels, H. G. (2010): Schule als Lernende Organisation. In: Bohl/Hels­per/Holtappels/Schelle (Hg.): Handbuch Schulentwicklung. Bad Heilbrunn, S. 105
  • Behörde für Schule und Berufsbildung (Hg.) (2011): Jahresbericht der Schulinspektion, Hamburg 2009 – 2010, S. 63 f.
  • Senge, P. (2006): Die fünfte Diszi­plin. Stuttgart

Peter Daschner, Jg. 1944, Landesschulrat a. D., ist Redaktionsmitglied von PÄDAGOGIK
Adresse: Am Pfeilshof 35, 22393 Hamburg
E-Mail: peter.daschner(at)hamburg.de


Aus: Pädagogik 7-8/2011