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Freitag, 15. Juli 2016

Werkzeugkoffer Gesundheit 2

Meine Gesundheit – mein Kapital als Coach und Trainerin. Von Katja Cordts-Sanzenbacher

 

Bezeichnenderweise schreibe ich diesen Text, während ich mit einer ordentlichen Nasennebenhöhlenentzündung, einem Berg Taschentücher, einer großen Kanne heißen Kamillentees und meinem Laptop auf dem Schoß im Bett sitze. So viel zum Thema Gesundheit - mein Kapital. Eine ziemlich miese Rendite bekomme ich da heute. Mein schlechtes Gewissen regt sich, und in meinen Ohren klingen meine gut gemeinten Hinweise an Klienten und Seminarteilnehmer: »Gesundheit ist eine A-Aufgabe«, »hören Sie auf Ihren Körper« und so weiter. Und nun sitze ich hier und mache das Gegenteil davon.

Arbeite und lebe ich also getreu dem Motto »you teach what you have to learn«? Wenn es so wäre, würde ich das natürlich an dieser Stelle nicht verraten. Aber im Ernst: Tatsächlich ist die momentane Situation zum Glück bei mir sehr, sehr selten. In der Regel nehme ich mir nach besonders anstrengenden Trainingstagen oder -wochen einen halben oder ganzen Tag frei, um Körper und Psyche eine Auszeit zu gönnen und die Batterien wieder aufzuladen. Das sind die Vorteile des Selbstständigseins. Man muss sich nur trauen, sie auch zu nutzen. Die Nachteile spüre ich aktuell am eigenen Leib: Für das gestrige Training konnte ich so kurzfristig keine Vertretung organisieren und ich fühlte mich dem Auftraggeber verpflichtet. Also geht die Arbeit eben vor. Natürlich können Körper und Geist das mal wegstecken. Das gilt aber nur, wenn das kein Dauerzustand ist.

Für viele Coaches und Trainerinnen ist dies aber leider der Fall. Auf einem hart umkämpften Markt nehmen sie jeden Trainingsauftrag an, sei er thematisch oder räumlich noch so weit weg und das Honorar auch noch so bescheiden. Sie schrecken davor zurück, Kollegen als Vertretung ins Boot zu holen - aus Angst, diese könnten ihnen den Kunden »abwerben«. Und sie nehmen jeden Coachingklienten an, obwohl sie sich vielleicht mit dem Coachingthema und/oder dem Klienten gar nicht so wohlfühlen. Es gibt schließlich so wenige Kunden (und so viel Konkurrenz), da kann man es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Wenn ich mich mit Kolleginnen und Kollegen austausche, höre ich oft, man habe im Moment tatsächlich viel um die Ohren, aber man wisse nie, wie es in Zukunft laufe und müsse für »magere Zeiten« vorsorgen. Wenn diese auftragslosen Zeiten dann kämen, ja, dann werde man sich ausruhen, endlich mal Urlaub im geliebten Italien machen, wieder mit dem regelmäßigen Lauftraining beginnen, einen Achtsamkeitskurs belegen und das längst überfällige Treffen mit den Freunden organisieren.

Sicher haben Sie schon die Erfahrung gemacht, dass diese ruhigen Phasen einfach nicht kommen und das Warten vergeblich war, denn das geschäftige Coach- und Trainertreiben geht munter weiter. Selbst wenn tatsächlich gerade keine Coachings oder Trainings anstehen, kann man den Tag (und gern auch den Abend) wunderbar mit Netzwerk- und Marketingaktivitäten sowie Schreibtischaufräumen füllen oder sich mit Dauergrübeln beschäftigen, wo denn um Himmels willen die nächsten Aufträge herkommen. Die beschriebenen Gesundheitsrisiken gelten sicherlich nicht nur für Coaches und Trainerinnen, sondern für alle Selbstständigen. Und sie treffen zunehmend auf Angestellte zu, die sich immer austauschbarer fühlen und aus Angst vor Jobverlust lieber im Hamsterrad verweilen, als ab und zu entspannt im Streu des Hamsterkäfigs zu lümmeln oder genüsslich an einem Löwenzahnblatt (oder was auch immer Hamster so essen) zu knabbern. Aber es gibt bestimmte körperliche und psychische Risikofaktoren, denen wir als Coaches und Trainerinnen in besonderer Weise ausgesetzt sind.

Da wären zum einen die sehr unregelmäßigen Arbeitszeiten zu nennen. Coachingklienten sind meist berufstätig und können demnach nur sehr früh morgens oder am späten Nachmittag beziehungsweise abends zum Coaching kommen. Dies führt häufig zu langen und/oder gestückelten Arbeitstagen. Als Trainerin ist man vielfach deutschlandweit unterwegs und verbringt viel Zeit in den verschiedensten Verkehrsmitteln und Unterkünften. Das mag zu Anfang einen gewissen Reiz haben, wird auf die Dauer aber sehr anstrengend.

Routine ist bei Coaches und Trainerinnen selten. Zu breit gefächert sind die Themen, die man in seinem Portfolio hat. Und selbst wenn man sich auf ein Thema spezialisiert hat, ist jeder Klient anders und jeder Trainingsauftrag ebenso. Zumindest, wenn man keine Trainings von der Stange anbietet, sondern diese auf die Kundenbedürfnisse zuschneidet. Natürlich ist es grundsätzlich erstrebenswert, eine abwechslungsreiche und herausfordernde Arbeit zu haben, und dies gehört vermutlich zu den Dingen, die Sie an Ihrem Job schätzen. Aber ab und zu braucht es Routinetätigkeiten, die man notfalls mit »halbem Gehirn« durchführen könnte. Ich persönlich habe mich in besonders turbulenten Phasen schon dabei ertappt, wie ich wehmütig an die Zeiten zwischen Abitur und Studium zurückgedacht habe. Damals habe ich täglich von 7 bis 16 Uhr in einem Marktforschungsinstitut Daten erfasst. Da hatte ich nicht nur sehr regelmäßige Arbeitszeiten und wusste inhaltlich ganz genau, was ich zu tun hatte, sondern konnte auch anhand meiner Mengen- und Fehlerdaten jederzeit nachvollziehen, wie viel Arbeit ich in welcher Qualität geschafft hatte. Abschalten nach Feierabend war kein Problem, und ich habe nie Arbeit - im Kopf oder real - mit nach Hause genommen.

Letzteres ist jetzt häufiger der Fall. Zwar versuche ich, Arbeit und Privatleben so gut wie möglich räumlich und zeitlich zu trennen, denke aber oft zu Hause noch über Trainingskonzepte oder Probleme nach, die mir Klienten im Coaching geschildert haben. Vielleicht geht Ihnen das ähnlich. Auch das Gefühl, etwas Konkretes erreicht zu haben, entsteht bei mir nicht von selbst. Zwar gibt es wenige Jobs, in denen man so oft und so direkt bewertet wird wie im Coach- und Trainerjob, denn am Ende jedes Coachings und jedes Trainings steht das Feedback. Aber manchmal kann es durchaus belastend sein, ständig beurteilt zu werden - selbst wenn das Feedback insgesamt meist sehr gut ausfällt. Denn egal wie gut man sein Training konzipiert - irgendjemand hätte sich noch dies und das gewünscht, jemand anderes genau das Gegenteil davon. Da bedarf es eines guten Selbstwertgefühls, dieses Feedback stets sachlich und konstruktiv zu verarbeiten und Kritik nicht persönlich zu nehmen. Denn Feedback ist wertvoll und notwendig, um sich weiterzuentwickeln und sein Potenzial voll auszuschöpfen. Trotzdem macht es meiner Meinung nach Sinn, unabhängig von den Bewertungen anderer seine eigene Erfolgssammlung anzulegen. Was halten Sie von der Idee, sich jeden Abend hinzusetzen und kurz zu notieren, was Ihnen aus Ihrer eigenen Perspektive gut gelungen ist und womit Sie besonders zufrieden waren? Das lenkt den Blick auf Ressourcen und erzeugt das wohlige Gefühl, (doch) etwas geschafft zu haben.

Die Erfolgssammlung
Setzen Sie sich nach Ihren Arbeitstagen abends hin und notieren - vielleicht in ein schön gestaltetes Notizbuch - Ihre Erfolgsmomente des Tages. Das können Kleinigkeiten sein, beispielsweise einen unangenehmen Anruf erledigt oder sich selbst eine Mittagspause in der Sonne gegönnt zu haben.

Einen weiteren Stressfaktor können gewisse »Heilserwartungen« darstellen, die Kunden mehr oder weniger explizit an den Coach oder die Trainerin richten: So soll in einem Teamcoaching aus einem Konflikthaufen ein Spitzenteam geformt werden - aber das soll nicht mehr als einen Tag dauern (beziehungsweise kosten). Und vier 45-minütige Coachingtermine sollten doch reichen, um einen völlig anderen Menschen aus dem Klienten zu machen. Oder etwa nicht? Hier hilft es, wenn Sie ganz deutlich sagen, was Sie ein Coaching beziehungsweise ein Training leisten kann und was nicht. Und wie viel Zeit (und Geld) für das nötig ist, was es leisten kann. Ansonsten läuft man Gefahr, sich selbst zu sehr unter Druck zu setzen, nur um den Kunden nicht zu enttäuschen - auch wenn man selbst ganz genau weiß, dass die Erwartungen unrealistisch sind.

Klarheit schaffen
Setzen Sie sich daher hin und überlegen ganz konkret, wie Sie Ihre Arbeit definieren, welche Themenschwerpunkte Sie setzen, was Ihr Coaching, Ihr Training so besonders macht, wo aber auch die Grenzen liegen.

Die Arbeit mit Menschen birgt generell eine höhere Gefahr, an einem Burnout zu erkranken - nicht umsonst wurde dieses Phänomen zuerst in sozialen Berufen entdeckt. Deshalb ist es als Coach und/oder Trainerin wichtig, auf gesundheitsförderliche Einstellungen und Verhaltensweisen zu achten. Dies gilt insbesondere dann, wenn man seinen inhaltlichen Schwerpunkt auf das Thema (betriebliche) Gesundheit gelegt hat. Entsprechende Konzepte kann man nur dann authentisch vermitteln, wenn man selbst für seine körperliche und psychosoziale Gesundheit sorgt.

Bewegung ins Coaching bringen
Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Coachings laufend - oder zumindest stramm gehend - draußen durchzuführen. Die positiven Effekte, die frische Luft und Bewegung haben können, sind erstaunlich, und zwar sowohl für den Klienten als auch für den Coach. Stockende Coachingprozesse erhalten wieder neuen Schwung, frischer Wind kommt in die Gedanken. Und man hat als Coach seine Bewegungseinheit schon in den Tagesablauf integriert.

Wenn Bewegung im Coaching nicht möglich ist, kann ich Laufen früh vor dem Arbeitstag nur empfehlen. Ein lockerer Morgenlauf, danach ein bisschen Stretching, dann eine erfrischende Wechseldusche und schließlich ein gesundes und leckeres Frühstück - besser kann (für mich) der Tag kaum beginnen. Wenn Sie eine Eule sind, gehen Sie eben abends laufen. Dann können Sie sich richtig auspowern und nach einem leichten eiweißreichen Mahl zufrieden in die Kissen sinken. Natürlich muss es nicht das Laufen sein, aber gerade für Menschen, die viel unterwegs sind, eignet es sich hervorragend, weil man es überall machen kann und außer ein paar vernünftigen Laufschuhen nichts weiter dafür braucht

Katja Cordts-Sanzenbacher ist Wirtschaftspsychologin (Dipl. Betriebswirtin [FH] und Dipl. Psychologin) mit dem Schwerpunkt Arbeit und Gesundheit, systemisch-interaktiver Coach, Lauftrainerin, Stressmangementtrainerin. Als leidenschaftliche »Gesundheitsfetischistin« mit einem Faible für Psychohygiene, alberne Lachanfälle, Langstreckenlauf und vegetarisch-biologische Ernährung freut sich Katja Cordts-Sanzenbacher darüber, dass das Thema Gesundheit - auch in den Unternehmen - immer mehr an Bedeutung gewinnt. Gemeinsam mit Kerstin Goldbeck hat sie das Buch »Werkzeugkoffer Gesundheit. Erfolgreich als Trainer und Coach im Bereich Betriebliche Gesundheitsförderung« herausgegeben.

Bei diesem Text handelt es sich um einen gekürzten und leicht überarbeiteten Auszug aus dem Buch »Werkzeugkoffer Gesundheit. Erfolgreich als Trainer und Coach im Bereich Betriebliche Gesundheitsförderung«, herausgegeben von Katja Cordts-Sanzenbacher und Kerstin Goldbeck. Es enthält über 100 erprobte Übungen für die körperliche, mentale und soziale Gesundheit.