PÄDAGOGIK – P.S. Reinhard Kahls Kolumne |
Ins Gelingen verliebt |
Es ist schon einige Jahre her, dass mich an der kritischen Position, der wir 68er uns so rühmen, etwas zu stören begann. Zu häufig wollten wir die Welt lieber rezensieren, als in ihr tätig sein. Zuweilen triumphierte eine heimliche Hassliebe zur Misere und manchmal konnte es uns gar nicht schlimm genug kommen, wenn wir dabei nur Recht behielten. Eine freudlose Position. Aus ihr speiste sich zuletzt auch ein gewisser Pisa-Masochismus. Demgegenüber fand ich einen gut gelaunten subversiven Konstruktivismus zunehmend verlockender. Also den Widerspruch gegen die Zombiewelten nicht aufgeben, im Gegenteil, aber dabei selbst nicht auf ein misanthropisches Nein schrumpfen. Die Welt ist schön! Trotz alledem. Man müsste den Geist der Utopie mit Pragmatismus kreuzen und die Bausteine einer besseren Welt zusammentragen. Wenn sie nicht vorhanden wären, woraus sonst sollte sie denn entstehen? Anfänge und Geschichten Viele Anfänge wären gegen den geschichtsphilosophischen Erlösungsglauben zu setzen, demnach erst dann alles gut wird, wenn die schlechten Verhältnisse überwunden sind. Schweben nicht über allem, was nach dem Muster des Paradiesglaubens entworfen und somit aufgeschoben wird, Todesengel? Das gilt selbst dann noch, wenn dieser fatale Glaube auf bloßes Jammern über widrige Umstände geschrumpft ist. Das Gelungene ist demgegenüber die allerschärfste Kritik an schlechten Zuständen. Es ist lebendig, weil es sich mit gemischten Verhältnissen durchaus anfreundet, auf Vielfalt aus ist und die Endlichkeit akzeptiert. Es ist singulär und bedürftig. Es hat eine Gestalt und nur deshalb kann es schön sein. Gelingen können nur Individuen, das gilt auch für Institutionen, zum Beispiel Schulen, wenn sie eine Bio-graphie haben. Allerdings ist jedes Individuum auf andere angewiesen. Es braucht Gesellschaft. Gelungene Individuen sind daran zu erkennen, dass sie eine Geschichte haben und sich Geschichten erzählen. Die Intelligenz der Praxis Weil es immer etwas anders kommt, als man denkt, müssen auch immer wieder neue Antworten gegeben werden. Mit ihren Wagnissen und Erfindungen ist eine Intelligenz der Praxis aller bräsigen Theorie überlegen. Letztere wird unfruchtbar, sobald sie sich selbstgenügsam vom Handeln separiert und auf Erfahrung verzichtet. Die Intelligenz der Praxis ist ein ständiger Dialog – auch und gerade im »Gespräch zwischen mir und mir selbst«, das für Platon das Denken war. Also nichts gegen Theorie! Aber »nicht die Theorie praktizieren, sondern die Praxis theoretisieren«, wie Eskil Frank, Rektor von Lärahögskolan, der Hochschule für Lehrerbildung in Stockholm sagt. P.S. Am Wochenende 21. bis 23. September wird das Archiv der Zukunft-Netzwerk mit einem Kongress in den Räumen der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg an die Öffentlichkeit treten: »Treibhäuser & Co. – Erster Kongress der Schulerneuerer«. www.archiv-der-zukunft.de. Hartmut von Hentig und Gerald Hüther werden sprechen. Royston Maldoom wird kommen und natürlich sind Enja Riegel, Alfred Hinz, Ulrike Kegler und all die anderen üblichen Verdächtigen dabei. P.P.S. Kritik, Zustimmung oder Brainstorming: www.reinhardkahl.de |