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Donnerstag, 28. April 2016

Auf die Plätze, fertig, … Coach? Wie angehende Coaches sich am Markt etablieren

Immer mehr Menschen machen sich als Coach selbstständig. »Ist der Markt denn nicht längst gesättigt?«, fragten wir Christiane Richter und Peter Reitz, Autoren des gerade erschienen Buchs »Jetzt werde ich Coach. Praxiswissen für Einsteiger«. Die beiden Kenner der Coaching-Szene geben Entwarnung und liefern Hinweise für die ersten Schritte in die Selbstständigkeit.

Coaching ist der Megatrend der Weiterbildung. Sehr viele Menschen lassen sich zu allen möglichen Fragen ihres Lebens coachen. Der Coaching-Markt boomt... Stimmt das noch?

Neben der Bildungs- und Wissensgesellschaft leben wir sicher auch in einer sogenannten Beratungsgesellschaft, von der schon die vielen Ratgeber zeugen, die Sie zu jedem Thema kaufen können. Bei Coaching würde ich aber nicht von einem Boom sprechen, dazu ist es zu individuell.
Zwar gibt es mittlerweile Beratungsformen, die den Begriff Coaching inflationär nutzen, wie z. B. Finanz-Coaching oder Erziehungs-Coaching, doch unterscheidet sich diese Fachberatung komplett von dem Coaching im Personal- bzw. Businesssektor, in dem wir uns bewegen.

Also eher keine trüben Aussichten! Sehen Sie denn weitere Wachstumschancen für den Markt?
Ein klares Ja. Coaching ist nicht nur eine Möglichkeit, Veränderungsprozesse von Menschen professionell und zielorientiert zu gestalten. Viele Firmen haben verstanden, dass die Persönlichkeit der Mitarbeiter ganz erheblich zum Erfolg beiträgt. Hier kann Coaching ausgezeichnete Dienste leisten. Während sich noch vor ca. 20 Jahren nur große Firmen einen Coach für ihre Führungskräfte geleistet haben, ist es mittlerweile auch bei kleineren Firmen und ebenfalls bei Privatpersonen angekommen.
Viele Führungskräfte absolvieren mittlerweile eine Coaching-Ausbildung, um mit Belastungen und Verantwortung besser umgehen zu können. Sich selbst gut einschätzen und führen zu können ist eine gute Basis, andere führen zu können.
Dazu kommt die Vielfalt an Möglichkeiten, die das momentane Berufsleben mit sich bringt. Ob es sich nun um die Wahl einer Ausbildung, eines Studiums oder um weitere Karriereschritte handelt. Hier ist eine große Entscheidungskompetenz gefragt, bei der gerne die Hilfe eines Karrierecoachs in Anspruch genommen wird.

Welche Coaching-Themen sind im Moment besonders gefragt?
Die Themen im Coaching sind so vielfältig wie die Klienten, die sie mitbringen. Von daher ist es schwierig von momentanen Highlights zu sprechen. Wie aber eben schon erwähnt, ist der Strukturwandel in der Arbeitswelt ein großes Thema, der sich oft durch Unbeständigkeit und Kurzlebigkeit, mit allen Vor- und Nachteilen für die Menschen und das Unternehmen, ausdrückt. In dem Zusammenhang ist auch das Thema Outplacement-Beratung und die (Neu-) Platzierung von Mitarbeitern sehr gefragt.
Dem gegenüber steht das Thema »Burn-Out« als »großer Begriff«, aber auch als reale Bedrohung für das eigene Wohlbefinden und die persönliche Leistungsfähigkeit. Hier wächst, zusammen mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement, ein neues Bewusstsein, nämlich dass Mitarbeiter und deren Identifikation mit dem Unternehmen das Potential und die Schlagkraft einer Firma ausmachen und dass das dort investierte Geld nicht nur kurzfristige Effekte hat. Darüber hinaus haben nach wie vor Themen wie Konfliktbewältigung, Kommunikationskultur und Selbstvertrauen ihren Platz.

Wer wird eigentlich Coach? Wie können wir uns den durchschnittlichen Coach vorstellen?
Grundsätzlich sind es Menschen, die sich für psychologische Zusammenhänge interessieren und die andere Menschen bei der Lösung von Konflikten unterstützen möchten. Im Idealfall interessieren sie sich für Persönlichkeitsentwicklung und sind bereit zunächst an sich selber zu arbeiten, bevor sie sich an die Arbeit mit Klienten wagen.
Ich möchte versuchen ein Bild eines durchschnittlichen Coaches zu skizzieren, sofern das überhaupt möglich ist. Bei Beginn ist er bzw. sie zwischen 30 und 45 Jahren alt, hat in aller Regel ein Studium bzw. eine Berufsausbildung abgeschlossen und mehrere Jahre Berufserfahrung. Der typische Coach schlägt eine Coaching-Laufbahn ein, da er in seinem beruflichen Umfeld bereits viel mit Menschen zu tun hatte und nun sein Wissen mit Coaching-Kompetenz erweitern möchte. Er verfügt über eine hohe Empathie, ist offen für neue Denkrichtungen und besitzt die Fähigkeit zur Selbstreflektion. Regelmäßige Weiterbildung gehört zu seinem Arbeitsalltag.
Aber keine Sorge, darüber hinaus, ist er ein ganz normaler Mensch mit blinden Flecken und den gleichen Alltagsproblemen, die viele von uns umtreiben.

Wie sollte man vorgehen, wenn man als Coach den Schritt in die Eigenständigkeit gehen möchte?
Möchte sich jemand als Coach selbstständig machen, sollte er sich aus unserer Sicht überlegen, ob er sich auf den Markt der Ratgeber-Coaches begibt, oder ob er seine Kunden bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützen möchte, die sie in der letzten Konsequenz eher unabhängig von Ratgebern macht.
Aus unserer Erfahrung machen eine umfassende Standortanalyse der eigenen Kompetenzen und der Blick in die eigene Erwerbsbiografie Sinn. Zu schauen, wo ich bereits Erfahrungen und Feldkompetenz mitbringe macht es oft einfacher, einen beruflichen Schwerpunkt zu wählen. So wäre es beispielsweise denkbar, dass ein Personaler als Karrierecoach arbeitet. Erworbenes Fachwissen und entsprechende Praxis steigern die Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden. Eine Spezialisierung als Coach hilft auch, das eigene Angebot weniger austauschbar zu machen und sich klar zu profilieren. Das fällt vielen schwer, ist aber unabdingbar. Für eine solche Standortbestimmung eignet sich übrigens hervorragend ein Coaching.
Eine weitere Voraussetzung ist unserer Meinung nach eine solide Ausbildung, in der Methodenkompetenz, Praxis, Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund stehen. Dazu kommt ein fundiertes Konzept das die eigene Planung übersichtlich gestaltet und schrittweise Erfolge sichtbar macht.

Was empfehlen Sie, wenn der Erfolg ausbleibt? Durchhalten oder einen radikalen Schnitt?
Wir sagen klar: Wer als Coach in die Selbstständigkeit geht, sollte mit mindestens 3 Jahren konsequenter Aufbauarbeit rechnen. Da braucht man schon etwas Durchhaltevermögen. Das kann selbstverständlich auch schneller gehen, wenn vorab nebenberuflich gegründet wurde oder bereits wichtige Kontakte zu Auftraggebern bestehen.
Sollte der Erfolg ausbleiben, sollte man nicht gleich aufgeben, sondern sich mit Hilfe eines Unternehmercoaches z. B. folgende Fragen stellen: Wurde eine konkrete Marktanalyse durchgeführt? Welche Nische besetze ich? Welche Netzwerke kann ich aufbauen und ggf. Kooperationspartner gewinnen? Welche Unternehmerqualitäten muss ich vielleicht noch ausbauen? Es wäre aber auch mutig die Notbremse zu ziehen, wenn sich für die betreffende Person nicht der gewünschte Erfolg einstellt.


Christiane Richter ist Diplom-Ingenieurin und Erwachsenenbildnerin mit mehr als zwanzig Jahren Berufserfahrung. Seit ihrer Ausbildung zum zertifizierten Personal- und Businesscoach unterstützt sie sowohl Fach- und Führungskräfte als auch Privatpersonen bei der Bewältigung von Konflikten. Zusätzlich arbeitet sie als ausgebildete Hypnosetherapeutin in eigener Praxis.

Peter Reitz arbeitet seit fast zwanzig Jahren freiberuflich, davon mehr als zehn Jahre im Bereich Lehre, Kompetenzentwicklung und Coaching. Er hat Psychologie studiert und ist systemisch ausgebildet. In der Nähe von Frankfurt am Main betreibt er die change-active-Akademie, ein Weiterbildungsinstitut für Beratung und Therapie.

Gemeinsam leiten Christiane Richter und Peter Reitz das »Institut für Coaching & Kompetenz« und haben zuletzt das Buch »Jetzt werde ich Coach. Praxiswissen für Einsteiger« herausgegeben. (7725 Zeichen)

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