Meldung Themendienst

Mittwoch, 24. Mai 2017

Zeitmanagement im Takt der Persönlichkeit: der Macher, der Analytiker und der Gesellige

Eine Einführung von Eva Brandt

Als der Gehirnforscher Paul MacLean in den 1980-er Jahren die Evolution des Gehirns in ein Schema aus Stammhirn, Zwischenhirn und Großhirn fasste, horchte die Fachwelt auf. Er nannte es das »drei-einige Gehirn«. Er wurde nicht müde zu betonen: Bereits vor der Geburt eines Menschen bilden sich Temperamente im »drei-einigen Gehirn«, mit diesem Moment entsteht die Hardware fürs Leben. Das war damals bahnbrechend und ist es bis heute.

Der Anthropologe Rolf W. Schirm griff diese Erkenntnis auf und entwickelte daraus ein Persönlichkeitsmodell, welches uns erlaubt, unsere persönliche Dominanz nach den Erkenntnissen von Paul MacLean zu ermitteln. Er nannte dieses Model »Structogram«. Mit Hilfe des Structograms lassen sich nicht nur das eigene Verhalten und die persönlichen Bedürfnisse aus den Funktionen der verschiedenen Gehirnteile ableiten, sondern es liefert auch Hinweise auf die Zeitpersönlichkeit eines Menschen.

Auf diesen Grundlagen habe ich die Nuancen individueller Zeitgefühle weiterentwickelt. Aber sehen wir zuerst einmal hin, was diese drei Persönlichkeiten charakterisiert: den Macher, den Analytiker und den Geselligen.

Steckbrief: Macher
Zeitorientierung: Lebt im Hier und Jetzt
Entscheidungsfindung: Trifft schnelle Entscheidungen
Aufgabenlösung: Macht bevorzugt mehrere Aufgaben parallel
Umsetzung: Möchte alles sofort umsetzen

Der Macher ist durch seinen Zeitbezug im Hier und Jetzt ein unglaubliches Improvisationstalent. Er erkennt schnell was machbar ist, kann in scheinbar hoffnungslosen Situationen immer noch eine Lösung finden und hat auch den Mut und die Kraft zur Umsetzung. Das liegt in seinem Talent verankert.
Wir sprechen hier nicht von einer beständigen und allgegenwärtigen Kraft. Auch der Macher kann in Stresssituationen geraten, die er selbst nicht mehr lösen kann. Jedoch im Verhältnis aller drei Typen ist meist er derjenige, der die Nerven behält. In solchen Momenten läuft er zu Höchstleistungen auf und demonstriert eindrucksvoll was er tatsächlich drauf hat.
Diese Stärke zeigt sich gleichermaßen auch als Schwäche. Denn sie birgt die Gefahr, sich zu verzetteln und Aufgaben nicht zu Ende zu bringen. Da er es gewohnt ist zu improvisieren, ad-hoc zu reagieren und wegorientiert zu handeln, hat er eine große Abneigung davor, Dinge vorausschauend zu planen- was ihn wiederum häufig in zeitliche Schwierigkeiten bringt.
Er schreibt die Ziele nicht auf und er strukturiert sie nicht. Dadurch können größere Karriereschritte oder Pläne nicht so stringent und steil nach oben verlaufen, wie er es sich gewünscht hätte, weil ihm die nötige Kontinuität und Planung gefehlt hat. Andererseits ist es auch möglich, dass er gerade aufgrund seiner fehlenden Planung Herausforderungen annimmt und so von einem Sprungbrett zum nächsten springt.

Steckbrief: Analytiker
Zeitorientierung: Lebt gedanklich voraus und besinnt sich wenig auf das Jetzt
Entscheidungsfindung: Trifft seine Entscheidungen überlegt und durchdacht und nimmt sich dafür Zeit
Aufgabenlösung: Beendet eine Sache ordentlich, bevor er die nächste beginnt
Umsetzung: Möchte alles in Ruhe überdenken und prüfen, bevor er sich eine Meinung dazu bildet und etwas umsetzt

Die Spontanität des Machers fehlt dem Analytiker, der wiederum über eine angeborene Strukturierungsbegabung verfügt. Es ist phänomenal, wie gut er seine Tätigkeiten plant. Beim Aufräumen oder am organisierten Arbeitsplatz kann sich so mancher eine Scheibe von ihm abschneiden, sein Einfallsreichtum ist in dieser Hinsicht wirklich sehr groß. Darüber hinaus zeigt er seine große Stärke in der Reflektion von Arbeitsprozessen und Abläufen. Stets denkt er darüber nach, wie sich Strukturen effizienter gestalten lassen, würde man sie entsprechend optimieren. Er ist ein Experte für die Verschlankung von Prozessen, für Optimierungen und Produktionssteigerungen.
Aber auch hier gerät der Vorteil gerne zum Nachteil: da der Analytiker so gerne strukturiert, neigt er dazu sich im Detail zu verstricken und sich zu lange mit der Planung aufzuhalten. Entsprechend ist die Kehrseite der Medaille, dass er vor lauter Grübeln die Umsetzung der Optimierung vor sich herschiebt. Die eigentliche Umsetzung beginnt zu spät, eben aus der Angst heraus, ein Problem oder ein Hindernis übersehen zu haben, das ihm auf dem Weg zum Ziel begegnen könnte. Damit steht sich der Analytiker manchmal selbst im Weg.

Steckbrief: Geselliger
Zeitorientierung: Lebt gedanklich in der Vergangenheit und kann schlecht mit alten Geschichten abschließen
Entscheidungsfindung: Trifft seine Entscheidung nur schleppend, außer es gab schon einmal eine ähnliche Situation, auf die er sich beziehen kann
Aufgabenlösung: Es fällt ihm nicht leicht, Aufgaben abzuschließen, die viel Detailarbeit benötigen
Umsetzung: Er versucht sich gegen jede Form von Veränderungen zu wehren, auch wenn sie eindeutig eine Verbesserung sind

Die Stärke des Geselligen wiederum liegt darin, geduldig an bereits erfolgreichen Prozessabläufen festzuhalten und schätzt es, traditionelle Herstellungsverfahren beizubehalten. Immer wieder gerne greift er auf gute Erfahrungen zurück und wiederholt mit Geduld und Beständigkeit bewährte Vorgehensweisen. Werte hält er aufrecht und bindet beispielsweise Mitarbeiter lange und erfolgreich an ein Familienunternehmen. Dies birgt gleichzeitig die Gefahr, dass er nicht bereit ist, sich auf Innovationen einzulassen, um marktbedingte, notwendige Veränderungsprozesse umzusetzen. Wenn er vor Neuerungen steht, etwa ein Change Management Prozess in seiner Firma eingeleitet werden soll, versetzt ihn das in Stress und er fühlt sich blockiert. Da er in einer solchen Situation nicht auf Erfahrungen zurückgreifen kann, versucht er, auf ein weiteres Potenzial auszuweichen: Er verfügt über ein beachtliches persönliches Netzwerk mit Menschen, die im Hinblick auf diesen oder einen ähnlichen Prozess Erfahrungen gesammelt haben. Ist es also nicht die Situation selbst, auf die er zurückgreifen kann, dann sind es die guten Freunde, netten Kollegen und deren Erfahrungen. Wenn all das nicht möglich ist, fällt es dem Geselligen sehr schwer, die nächsten Schritte anzugehen.
Im Berufsleben habe ich es vielfach erlebt, dass die Geselligen dann mit mir als Coach in Kontakt treten, um gemeinsam die nächsten Schritte auszuarbeiten, wenn es im Bekanntenkreis niemanden mehr gibt, der sie unterstützen kann.

Die Autorin:
Dr. Eva Brandt schloss neben Ihrem Studium eine dreijährige Trainer- und Coachingausbildung ab. Sie ist seit 1999 selbstständige Unternehmerin, führt Seminare bei international operierenden Firmen durch und coacht vom Mitarbeiter bis zum Vorstand. Sie war viele Jahre Lehrbeauftragte für Kommunikation an der PH Freiburg und ist dies seit 2013 an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Seit 2000 ist sie lizenzierte Structogram-Trainerin. 2005 wurde sie von der ZfU (CH) mit dem Teaching Award in Gold und 2016 mit dem Titel »Senior Structogram Trainer« ausgezeichnet.