Beteiligte Akteure

Claudia Obele
Inhalt
  1. Beteiligte Akteure
  2. Die MitarbeiterInnen
  3. Die Kinder und Jugendlichen
  4. Die Eltern und nahen Bezugspersonen
  5. Die Jugendämter und Aufsichtsbehörden
  6. Literatur
1. Beteiligte Akteure

Kinder- und Jugendhilfe

In diesem Basistext werden ausgewählte Akteure vorgestellt, die bei der Erstellung und Umsetzung von Schutzkonzepten in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe maßgeblich sind. Es wird dargestellt, inwiefern diese Personengruppen vom Thema betroffen sind, wo deren Interessen und Erwartungen liegen, welche Verantwortlichkeiten und Aufgaben diese bei der Erstellung von Schutzkonzepten und bei der Umsetzung im pädagogischen Alltag haben. Außerdem wird darauf eingegangen, wie sie im institutionellen Reflexions- und Lernprozess zu beteiligen sind. Im einzelnen werden die pädagogischen und nichtpädagogischen MitarbeiterInnen, die in den Einrichtungen betreuten Kinder und Jugendlichen, deren Eltern, die örtlichen Jugendämter und die zuständige Heimaufsicht betrachtet.

2. Die MitarbeiterInnen

Der Großteil der Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendhilfe besteht aus pädagogischen Fachkräften mit Fachschul- oder Hochschulabschlüssen als ErzieherInnen, Jugend- und HeimerzieherInnen, (Sozial-)PädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen. Daneben gibt es immer auch einen kleinen Teil derer, die sich noch in Ausbildung zur Fachkraft befinden und den praktischen Teil ihrer Ausbildung in der Einrichtung absolvieren. Neben dem pädagogischen Fachpersonal sind bei der Entwicklung von Schutzkonzepten auch die Mitarbeitenden zu berücksichtigen, die im Servicebereich für die betreuten Kinder und Jugendlichen tätig sind wie z.B. Hauswirtschaftskräfte, Fahrdienste, haustechnische Dienste usw. Auch die in der Einrichtung tätigen Ehrenamtlichen müssen dabei mit einbezogen werden.

Sowohl bei den Gefährdungsanalysen als auch bei der Erstellung von Schutzkonzepten müssen alle Personengruppen der MitarbeiterInnenschaft berücksichtigt werden.

In aller Regel haben die pädagogischen MitarbeiterInnen in der Kinder- und Jugendhilfe an sich selbst und an die Qualität ihrer Arbeit sehr hohe Ansprüche. Sie treten an mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung zu einer selbstbewussten und gemeinschaftfähigen Persönlichkeit zu unterstützen. Dafür versuchen sie, bisherige defizitäre Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen auszugleichen und heilende Beziehungserfahrungen zu vermitteln. Zu ihrem professionellen Selbstverständnis gehört grundlegend, den Kindern und Jugendlichen einen förderlichen und schützenden Rahmen zu bieten. Grenzverletzungen, Machtmissbrauch und Gewalt läuft diesem Selbstverständnis vollständig zuwider und so ist es auch ganz im Interesse der MitarbeiterInnen, hierfür präventiv geeignete Konzepte und Instrumentarien zu entwickeln.

Die Vermeidung von Fehlern ist ein gemeinsames Interesse aller im Betrieb Beschäftigten. Dies ist die Grundlage für Beteiligung und für den gemeinsamen Entwicklungsprozess.

MitarbeiterInnen, die bei der Entwicklung von Schutzkonzepten mitgestalten und mitwirken, werden diese Haltung auch in ihrem pädagogischen Handeln umsetzen. Sie haben das Interesse, dass sie in ihrem Arbeitsalltag wahrgenommen und dass ihre Unsicherheiten und Befürchtungen ernst genommen werden. Sie erwarten von der Leitung eine klare Positionierung zum Umgang mit Fehlverhalten und benötigen Unterstützung bei der Entwicklung einer offenen und vertrauensvollen Kommunikation auch über die Hierachieebenen hinweg.

Die Fachkräfte wünschen sich Hilfsmittel für den praktischen Alltag zur Reflexion und Kommunikation, mit denen sie beispielsweise Vermutungen und Beobachtungen nachgehen und Klarheit bekommen können. Ebenso benötigen sie geregelte Verfahren und Konzepte zur Prävention und Intervention sowie ethische Grundlinien, an denen sie ihr Handeln orientieren können und an denen sie sich gegenseitig messen. Auch das nichtpädagogische Personal braucht Zeit und Raum zur Besprechung ihrer Beobachtungen und Fragen sowie zur Klärung ihrer Rolle in der Organisation.

Ausschlaggebend für die Nachhaltigkeit und Wirksamkeit von Schutzkonzepten ist der Diskussions- und Aushandlungsprozess, der mit allen Beteiligten geführt wird.

3. Die Kinder und Jugendlichen

Zielgruppe in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind Kinder und Jugendliche, für deren Wohlergehen ergänzend oder ersatzweise zur familialen Erziehung öffentliche Verantwortung übernommen wird. Insbesondere in den erzieherischen Hilfen bringen sie häufig bereits traumatisierende und höchst defizitäre Lebenserfahrungen und existentielle Mangelerlebnisse mit, was sie in sozialen Beziehungen besonders vulnerabel macht und gefährdet. Ein Kind, das in einer stationären Wohngruppe zum ersten Mal die selbstverständliche Versorgung mit festen Strukturen, Mahlzeiten und verlässlichen Beziehungen erlebt, wird Vieles in Kauf nehmen, um sich diesen Lebensrahmen zu erhalten.

Die Kinder erwarten zurecht einen förderlichen und schützenden Rahmen und haben Anspruch auf Sicherheit und Hilfe. Kinderschutz hat deshalb in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oberste Priorität.

Das Risiko von Kindern, die sich in prekären Lebenslagen befinden, Opfer von Grenzverletzungen und Machtmissbrauch zu werden, ist um ein vielfaches höher als das von sicher und geschützt aufwachsenden Kindern. Ihre Unsicherheiten machen sie besonders abhängig von sozialen Beziehungen insbesondere zu erwachsenen Bezugspersonen. Sie verfügen oft nicht über das erforderliche Selbstbewusstsein, sich aus unangenehmen Situationen zu befreien bzw. diese aufzuzeigen. Aufgrund wechselnder und oft widersprüchlicher Beziehungserfahrungen sind sie in ihrer Wahrnehmung stark verunsichert und verfügen kaum über klare Vorstellungen darüber, was Erwachsene dürfen und was nicht. Grenzverletzungen nehmen sie oft nicht als solche wahr, geschweige denn, dass sie einen klaren Zusammenhang zwischen ihrem Unwohlsein und übergriffigem Verhalten von Erwachsenen herstellen können.

Kinder und Jugendliche, die in ihrer Lebensgeschichte bereits gravierende Grenzverletzungen erfahren haben, sind in der Wahrnehmung ihrer eigenen Grenzen stark eingeschränkt. Sie entwickeln oftmals Symptome und Verhaltensweisen, die erneute Grenzverletzungen induzieren und sind damit besonders dem Risiko von Fehlverhalten, Gewalt und Machtmissbrauch ausgesetzt.

Bei der Entwicklung von Schutzkonzepten kommt deshalb der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen eine hohe Bedeutung zu. Es genügt nicht, ihnen ein fertiges Beschwerdeverfahren zur Verfügung zu stellen. Kinder und Jugendliche brauchen Grundlagen, um diese zu nutzen. Sie benötigen Unterstützung bei der Wahrnehmung eigener Grenzen, bei der Entwicklung von adäquaten Problemäußerungsformen und beim effektiven Aufzeigen von Missständen. Sie müssen in die Entwicklung von Informationsmaterial und von Beschwerdewegen einbezogen werden. Durch die Auseinandersetzungen und Gespräche zwischen den Kindern und Jugendlichen und ihren BetreuerInnen über Alltagsituationen und Beziehungserfahrungen bekommen sie Orientierung und Sicherheit im Umgang mit ihren eigenen Wahrnehmungen und subjektiven Befindlichkeiten. Sie lernen zu unterscheiden zwischen grenzwahrendem und grenzverletzendem Verhalten von BetreuerInnen und anderen Erwachsenen.

Durch gemeinsam erstellte zielgruppenadäquate Instrumente und Materialien lernen die jungen Menschen das Verhalten von Betreuungskräften und anderer Erwachsener sowie auch ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und einzuschätzen.

Dies ist die Grundlage zur Nutzung von formellen und informellen Beschwerdewegen und befähigt Kinder und Jugendliche zur Wahrnehmung ihrer Rechte. Trotz aller partizipativer Vorgehensweisen und beteiligungsorientierter Implementierungsprozesse bleibt die Verantwortung für den Kinderschutz bei den Erwachsenen.

Kinder und Jugendliche stark machen heißt nicht, sie mitverantwortlich zu machen für Fehlverhalten oder Grenzüberschreitungen von Erwachsenen.

4. Die Eltern und nahen Bezugspersonen

Der Prozess der innerinstitutionellen Auseinandersetzung mit den Themen Schutzkonzepte und Gefährdungsanalaysen und die Erarbeitung eines entsprechenden Krisenplans ist ohne die Sichtweise und Einbeziehung der nächsten Bezugspersonen der betreuten Kinder und Jugendlichen nicht denkbar. Ob Eltern, Pflegeeltern oder andere dem Kind nahestehende Personen, sie sind in jedem Fall wichtige Kooperationspartner im Prozess und haben ganz eigene Erwartungen an die Organisation und die professionell Handelnden. Je nach Intensität und Form des Betreuungssettings sind sie mehr oder weniger direkt von den organisationalen Strukturen und Verfahren mit betroffen und ihre Interessen müssen adäquat berücksichtigt werden. Insbesondere im Rahmen der stationären, familienersetzenden Form der Erziehungshilfe spielt die Konfrontation der Eltern mit der eigenen Lebenssituation eine große Rolle.

Beispielsweise stehen Eltern, deren Kind im Rahmen der stationären Heimerziehung betreut wird, oftmals selbst in einer schwierigen Lebenssituation und sie entwickeln ein ganz individuell geprägtes Verhältnis zur Unterbringung. Bei aller Unterschiedlichkeit der Lebenslagen und der Unterbringungsgründe lässt sich aber zusammenfassen, dass allen die Erfahrung gemein ist, es aus eigener Kraft und eigenem Vermögen nicht geschafft zu haben, ihrem Kind durchgehend förderliche Entwicklungsbedingungen zu bieten und den Alltag mit all seinen Herausforderungen selbständig zu bewältigen. Für die meisten Eltern dürfte die Tatsache, dass sie ihr Kind ins Heim gegeben haben oder es ihnen fortgenommen wurde, eine ernsthafte psychische Belastung darstellen. Durch den Weggang des Kindes in eine fremde Erziehung wird zwar Entlastung im Alltag möglich, aber gleichzeitig wird das eigene Versagen offenkundig und geht meist mit Scham- und Schuldgefühlen einher.

Gerade Eltern, bei denen die außerfamiliäre Betreuung des Kindes mit Schuldgefühlen belastet ist oder die einer Unterbringung - wenn überhaupt - nur schwer zustimmen können, stellen besonders hohe Anforderungen an die professionell Tätigen.

Zu der besonderen Beziehungskonstellation zwischen Einrichtung und Eltern hinzu kommen oftmals eigene grenzverletzende Erziehungshandlungen der Eltern ihren Kindern gegenüber, die bei der offensiven Bearbeitung des Themas schuldhaft erinnert werden. Ebenso müssen die Erfahrungen der Eltern aus ihren eigenen Herkunftsfamilien, falls sie von eigenem Missbrauch und Misshandlungen geprägt sind, in allen Phasen des Entwicklungsprozesses berücksichtigt werden. Mütter und Väter brauchen geeignete Ansprechpartner, um sich mit ihren aktualisierten Themen auseinanderzusetzen.

Eltern wollen in die Entwicklungsprozesse einbezogen werden und brauchen gleichzeitig das Gefühl, dass die Einrichtung die Verantwortung für den Schutz ihrer Kinder trägt und transparent und offen kommuniziert.

Sie haben ein Recht zu erfahren, wie Grenzverletzungen präventiv verhindert werden und was im Falle eines Fehlverhaltens unternommen wird, um die Sicherheit ihrer Kinder (wieder) herzustellen. Ebenso müssen den Eltern Möglichkeiten vorgestellt werden, wie und wo sie Missstände anmelden können, wie Gewalterfahrungen bewältigt werden und welche Hilfen es für die betroffenen Kinder und Familien gibt.

Information schafft Orientierung und Sicherheit, vermittelt das Gefühl von Überschaubarkeit und Transparenz und stärkt das Vertrauen der Eltern in das professionelle Handeln der Einrichtung.

5. Die Jugendämter und Aufsichtsbehörden

Die Familie steht unter dem besonderen Schutz des Staates. Die Pflege und Erziehung der Kinder liegen in erster Linie in der Verantwortung der Eltern. Kinder dürfen weder in ihrem Elternhaus noch in Einrichtungen der öffentlichen Erziehung gefährdet werden. Das Jugendamt ist verpflichtet, allen Hinweisen nachzugehen, wenn Kinder in Gefahr sein könnten. Die Fachkräfte der Jugendämter vermitteln in Konfliktsituationen, beraten professionell bei Erziehungsproblemen sowie familienrechtlichen Konflikten. Sie informieren über weitergehende passgenaue Hilfen zur Erziehung oder psychologische Unterstützungsmöglichkeiten und vermitteln das geeignete Angebot.

Im Bedarfsfall vermitteln die Jugendämter explizit Angebote der Jugend- und Erziehungshilfe, um Kindeswohlgefährdungen zu verhindern oder abzuwenden.

Jugendämter verbinden damit die berechtigte Erwartung, dass Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sichere Orte sind, in denen Kinder und Jugendliche einen förderlichen und schützenden Rahmen finden.

Dies beinhaltet auch, dass diese Einrichtungen Schutzkonzepte entwickelt haben, die mit ihnen abgestimmt und kommuniziert sind. Sie beteiligen sich am Qualitätsdialog mit den Trägern und schließen mit ihnen Vereinbarungen zum Kinderschutz. Deshalb sind die Verantwortlichen der örtlichen Jugendämtern bei der Entwicklung interner Schutzkonzepte eng einzubinden, um die Schnittstellen im Einzelfall im Sinne des Kindeswohls zu regeln.

Einrichtungen, die den internen Entwicklungsprozess in enger Abstimmung mit dem örtlichen Jugendamt durchführen, profitieren im Krisenfall von klar geregelten Abläufen, übernehmen Verantwortung für die Prävention und sorgen rechtzeitig für Transparenz nach außen.

Alle Einrichtungen, in denen Minderjährige über einen längeren Zeitraum betreut und erzogen werden, unterstehen der Aufsicht des überörtlichen Trägers der Jugendhilfe, i.d.R. des Landesjugendamtes. Im Einzelnen hat der überörtliche Träger die Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung zu erteilen und die Einhaltung der in der Betriebserlaubnis zugrunde gelegten Voraussetzungen zu überprüfen. Instrumente der Aufsicht sind die örtliche Prüfung (§ 46 SGB VIII), die Meldepflichten (§ 47 SGB VIII) und die Tätigkeitsuntersagung (§ 48 SGB VIII). Neben der Aufsicht hat das Landesjugendamt nach § 85 (2) Ziffer 7 SGB VIII auch die Aufgabe, Träger von Einrichtungen während der Planung und Betriebsführung zu beraten. Einen besonderen Beratungsanspruch haben die Einrichtungsträger gegenüber dem Landesjugendamt bei der Entwicklung und Anwendung fachlicher Handlungsleitlinien zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt (§ 8b SGB VIII).

Die Aufsichtsbehörde hat zu überprüfen, ob die Betreuung der Kinder und Jugendlichen durch geeignete Kräfte gesichert und ihr Wohl in der Einrichtung in sonstiger Weise gewährleistet ist. Dazu gehören mit Einführung des Bundekinderschutzgesetzes auch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen wesentlichen Entscheidungen sowie die Einführung eines Beschwerdemanagements.

Zu der in diesem Zusammenhang vorzulegenden Auskunft über Maßnahmen der Qualitätsentwicklung zählen auch Verfahren und Instrumente der Prävention von Gewalt- und Machtmissbrauch und Instrumente zur Intervention bei Verdachtslagen. Die Einzelfallverantwortung für eventuell gefährdete Kinder und Jugendliche obliegt dem jeweils fallführenden örtlichen Jugendamt.

Der beste Weg der Aufsichtsbehörde, den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen zu gewährleisten, besteht darin, mit den Einrichtungen gemeinsam zu überlegen, wie in ihrer jeweiligen Einrichtung förderliche Bedingungen erhalten beziehungsweise ausgebaut werden können. Die Erfahrungen zeigen, dass Beratungsprozesse in dieser Atmosphäre effektiv sind und restriktive aufsichtsrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise Tätigkeitsuntersagungen oder Auflagen zur Betriebserlaubnis zur Abwendung der Gefährdung nur selten erforderlich sind.

Es wird als positives Qualitätsmerkmal einer Einrichtung gewertet, wenn sie sich mit konzeptionellen Fragen auseinandersetzt, die dazu beitragen, die Einrichtung zu einem sicheren Ort für Kinder und Jugendliche zu machen, an dem sie geschützt sind und sich wohlfühlen.

Literatur

Hochdorf – Evang. Jugendhilfe im Kreis Ludwigsburg e.V. (Hrsg.) (2014): „Damit es nicht nochmal passiert..." Gewalt und (Macht-)Missbrauch in der Praxis der Jugendhilfe verhindern. 4. Auflage. Hochdorf: Eigenverlag

Obele, C. (2012): "Und was machen wir mit den Eltern?“ In: IzKK-Nachrichten Heft 1, S. 38-42