Prävention als organisationales Bildungskonzept

Yvonne Oeffling, Veronika Winter und Mechthild Wolff

Stellen Sie sich vor Sie treffen auf einer Fortbildung eine Kollegin und kommen in einen intensiven Austausch, da Ihrer beider Einrichtungen gerade dabei sind ein Schutzkonzept zu entwickeln. Sie sind sich einig, dass das Thema Nähe und Distanz ein sehr wesentliches in diesem Zusammenhang ist. So sollte es bereits im Einstellungsverfahren Thema sein, in Rahmenkonzepten und Vorgaben für die tägliche Arbeit enthalten sein bzw. ganz generell Regelungen für einen grenzenachtenden Umgang geben (vgl. Text „Gefährdungslagen und Schutzfaktoren für Kindeswohlgefährdungen in Organisationen“), um allen AdressatInnen der Einrichtung Handlungssicherheit und Orientierungshilfe zu geben. In Ihrer Diskussion kommen Sie zu dem Schluss, dass die Grundlage dafür gemeinsam erarbeitete Schutzvereinbarungen (vgl. Text "Prävention als organisationales Bildungskonzept) die auf einrichtungsspezifische Situationen zugeschnitten sind, sein können. Erarbeiten Sie exemplarisch Schutzvereinbarungen für Ihre Einrichtung.

Wählen Sie zur exemplarischen Erarbeitung von Schutzvereinbarungen aus den Bewertungsergebnissen der Alltagssituationen (Ampel-Fragebogen – Übung/Arbeitsauftrag zum Text „Methoden zur partizipativen Durchführung von Gefährdungsanalysen“ in diesem Buch) fünf Punkte aus, die direkt dem Thema „Nähe und Distanz“ zuzuordnen sind und formulieren für diese exemplarische Schutzvereinbarungen für Ihre Organisation.

Hinweis:

Diese Aufgabe beschränkt sich auf das Thema „Nähe und Distanz“ und innerhalb dieses Themas auf eine exemplarische Auswahl. Im Rahmen dieses Lehrbuches ist es nicht möglich alle relevanten Punkte aus den Bewertungsergebnissen aufzugreifen und alle nötigen Präventionsmaßnahmen für ein einrichtungsspezifisches, problemzentriertes und bedarfsgerechtes Schutzkonzept auszuarbeiten. Für ein solch umfassendes Schutzkonzept ist es unabdingbar in Ihrer Organisation mit allen Beteiligten an den entsprechenden Punkten zu arbeiten und sich nicht nur auf diese kleine Auswahl zu beschränken!

Für die Bearbeitung der Aufgabe hier wählen Sie bitte aus den Bewertungsergebnissen der Alltagssituationen aus Vorlage 13 fünf Punkte aus, die Sie direkt dem Thema „Nähe und Distanz“ zuordnen und tragen Sie diese in die nachfolgende Vorlage 14.1 ein. Im Text „Prävention als organisationales Bildungskonzept“ sind Situationen, die der Nähe und Distanz Thematik zugeordnet werden können, beispielhaft aufgeführt:

…Wichtig einrichtungs- oder trägerintern zu regeln sind Situationen, in denen eine besondere Nähe zu den Kindern entsteht, die von TäterInnen leicht ausgenutzt werden könnten. Diese sogenannten Schutzvereinbarungen dienen generell sowohl dem Schutz von Mitarbeitenden vor einem falschen Verdacht, als auch dem Schutz von Kindern vor (sexuellem) Missbrauch und Gewalt. Grundlage bei der Entwicklung dieser Regeln muss es sein, im Blick zu haben, was die Kinder altersspezifisch benötigen, z.B. an Zuwendung oder an Förderung, was ist die Entwicklungsaufgabe des Kindes in dem speziellen Alter und wie mit diesen Rahmenbedingungen eine bestmögliche Vereinbarung zum Schutz der Kinder aussehen kann. Situationen, in denen eine besondere Nähe zu den Kindern entsteht, können z.B. entstehen durch:

  • Pädagogische Tätigkeiten (Morgenkreis, Toben, Trösten, Ermahnen, Sexualaufklärung, verbale Intimität …)
  • Körperkontakt, Körperpflege und medizinische Handlungen (Küssen, Streicheln, Wickeln, Toilettengang, Duschen, Schlafsituationen, Zeckenuntersuchung, Fiebermessen, …)
  • Orte (Toilette, Bad, Umkleiden, Einzelbetreuung, Toberaum …)
  • Aktionen (Einzelaktionen, Fahrdienste, Übernachtungen …)
  • Geschenke (Manipulation von Kindern …)
  • Geheimnisse (Schweigegebot von TäterInnen)
  • Mediennutzung (Handy, Film, Social Media Kontakte usw.)

Sie können für die Bearbeitung der Aufgabe einzelne Ausprägungen (z.B. „Auf den Schoß nehmen“) auswählen oder diese unter einem (selbstgewählten) Oberbegriff (z.B. „Trost spenden“) zusammenfassen. Entscheiden Sie mit Ihrem Team gemeinsam, was für Ihre Einrichtung am Sinnvollsten ist.

Begrenzen Sie sich bei Ihrer Auswahl bitte auf folgende Bereiche Ihrer Bewertungsergebnisse:

Dies ist eine gängige Praxis in unserer Organisation. Wenn ich jedoch näher darüber nachdenke, handelt es sich um eine Praxis, die ethisch, moralisch, pädagogisch verwerflich ist und ggf. auch rechtlich relevant ist. Eigentlich geht das gar nicht!

Bzw.

Dies ist keine gängige Praxis in unserer Organisation. Es wäre aber unabdingbar und wünschenswert, dass das eine gängige Praxis in unserer Organisation wäre.

Dies ist eine gängige Praxis in unserer Organisation. Ich stehe dieser Praxis jedoch sehr zwiegespalten gegenüber, da ich Grenzen und die Rechte der Kinder und Jugendlichen nicht konsequent gewahrt sehe.

Bzw.

Dies ist keine gängige Praxis in unserer Organisation. Ich stehe dem jedoch sehr zwiegespalten gegenüber. Auf der einen Seite denke ich, wir müssten das ändern, auf der anderen Seite aber auch nicht.

Wichtig!

Sollten Sie bei der Bewertung der Alltagssituationen eine akute Gefährdungssituation aufgedeckt haben, müssen Sie unabhängig von diesem Weiterbildungsprogramm Maßnahmen ergreifen!!

Bei Fragen wenden Sie sich bitte z.B. an das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch unter 0800-22 55 530 (kostenfrei und anonym). Infos: https://beauftragter-missbrauch.de/hilfe/hilfetelefon/ (zuletzt aufgerufen am 26.10.2015)

Vorlage 14.1

Auswahl von fünf Situationen aus dem Ampelfragebogen aus Vorlage 13 zum Thema „Nähe und Distanz“.

Ausgewählte Situation zum Thema „Nähe und Distanz“ Bewertung der Situation laut Ampelfragebogen
Vorlage 14.2

Bewertung der ausgewählten Situationen und exemplarische Formulierung von Schutzvereinbarungen zum Thema Nähe und Distanz.

Im nächsten Schritt gilt es die ausgewählten Situationen im Detail zu betrachten und in ihren möglichen Abstufungen zu bewerten. Orientieren Sie sich dabei an den nachfolgenden Fragen aus dem Text „Prävention als organisationales Bildungskonzept“:

  • Wie würden die einzelnen Mitarbeitenden diese Situation regeln? Was ist dabei noch in Ordnung? Was sind aus der Sicht jeder/jedes Einzelnen No-Gos?
  • Feedback der anderen KollegInnen: Ist das Handeln jeder/jedes Einzelnen fachlich ok? Gibt es Vorgehensweisen, die fachlich inakzeptabel sind?
  • Wie könnte eine Regelung aussehen, die für alle MitarbeiterInnen tragbar ist, die Rechte und die Intimsphäre der Kinder und Jugendlichen möglichst nicht beeinträchtigt, dennoch eine hohe Transparenz und Sicherheit bietet?

Tragen Sie – die möglichst im Team erarbeiteten – Antworten in die nachfolgende Tabelle (Spalten 2-4) ein.

Nach Betrachtung und Bewertung der ausgewählten Situationen formulieren Sie nun – wiederum möglichst mit Ihrem Team gemeinsam – Vereinbarungen zum Schutz der Kinder und/ oder Jugendlichen und ihres eigenen und tragen Sie diese in die letzte Spalte der Tabelle ein. Diese Schutzvereinbarungen können in der Folge z.B. Thema im Einstellungsprozess sein oder in die Rahmenkonzeption Ihrer Einrichtung aufgenommen werden und vor allem sollten sie Berücksichtigung in Ihrer täglichen Arbeit finden.

Hier finden Sie ein Beispiel zur Bearbeitung der Vorlage.

Situation (ggf. mit den entsprechenden, relevanten Ausprägungen) Wie würden die einzelnen Mitarbeitenden diese Situation regeln? Was ist dabei noch in Ordnung? Was sind aus der Sicht jeder/jedes Einzelnen No-Gos? Feedback der anderen KollegInnen: Ist das Handeln jeder/jedes Einzelnen fachlich ok? Gibt es Vorgehensweisen, die fachlich inakzeptabel sind? Wie könnte eine Regelung aussehen, die für alle MitarbeiterInnen tragbar ist, die Rechte und die Intimsphäre der Kinder und Jugendlichen möglichst nicht beeinträchtigt, dennoch eine hohe Transparenz und Sicherheit bietet? Formulierung Schutzvereinbarung