Den Alltag erleichtern

Kleine und große Hilfen für den Lehreralltag

Der Lehrerberuf ist in den letzten Jahren anstrengender geworden. Der Alltag ist stärker als früher von einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Anforderungen geprägt. Aber nicht nur das führt zu Stress; es gibt auch Gründe, die beim Lehrer selbst liegen. Gute Praxishilfen zeigen daher nicht nur, wie sich die Anforderungen besser bewältigen lassen, sondern auch, wie die eigene Einstellung dazu geändert werden kann.

Alltag ist nur durch Wunder erträglich. (Max Frisch)

Wem ein solcher Stoßseufzer entweicht, der wird von den Mühen des Alltags geplagt. Und im Lehrerberuf nehmen diese Mühen zu.

Zweifellos: Der Lehreralltag hat sich geändert. Es gab eine Zeit, da stand der Unterricht im Mittelpunkt. Der Lehrer (ja, damals waren es in der Tat hauptsächlich Männer!) stand vor der Klasse, die Kinder saßen ordentlich in Reih und Glied und verhielten sich ruhig und gesittet. Die Rollen waren eindeutig verteilt, die Autorität des Lehrers sorgte für klare Verhältnisse. Und den Nachmittag konnte er meist frei gestalten.

Heute ist es anders.

Die Welt ist vielfältiger und komplizierter geworden. Es ist nicht mehr so leicht einzusehen, was richtig und was falsch ist, und daher kann es auch nicht mehr so leicht vermittelt werden. Manche Eltern haben sich aus diesem Geschäft ganz zurückgezogen, und die Lehrerin (ja, heute sind es in der Tat hauptsächlich Frauen!) soll einspringen. Andere Eltern wiederum wollen ihre Kinder am liebsten bis ins Klassenzimmer begleiten und rufen täglich bei der Lehrerin an, um sich nach den Lernfortschritten zu erkundigen. Bestenfalls.

Doch nicht nur das.

Der Unterricht dauert jetzt oft bis in den Nachmittag. Ganztagsschule und »G8« haben sich flächendeckend ausgebreitet. Der Unterricht wird immer häufiger im Team gestaltet, und auch außerhalb des Unterrichts ist Teamarbeit angesagt: Aus der Unterrichtsanstalt ist eine »lernende Schule« geworden, die von Lehrerinnen und Lehrern gemeinsam entwickelt und gestaltet wird.

Und damit nicht genug.

Auch die Kinder und Jugendlichen haben sich verändert (vgl. auch die Serie »Jugend«, die in diesem Heft auf S. 43 beginnt). Da gibt es die Verlockungen der Medien, deren Sog die Kinder in ihren Bann schlägt, die Vielfalt der Mode, die zu einem Zwang werden kann, und die Fülle an Freizeitangeboten, mit denen die Schule konkurriert.

Nichts von dem ist verkehrt, aber es macht den Lehreralltag oftmals anstrengend. Die Lehrerin hat heute zahlreiche Aufgaben, die es früher so nicht gab oder die von anderen, z. B. den Eltern, erledigt worden sind. Der Arbeitstag ist oftmals länger geworden. Außerdem ist die öffentliche Erwartungshaltung erheblich gestiegen, und zwar nicht erst, seit die deutschen Schulen in internationalen Vergleichstest eher mäßig abschneiden. Nicht zu vernachlässigen sind neue Herausforderungen wie Kompetenzorientierung oder inklusiver Unterricht.

Ein Berufsbild im Wandel

Dass sich das Berufsbild wandelt, betrifft beileibe nicht nur den Lehrerberuf. Aber dieser Beruf zeichnet sich durch ein paar Besonderheiten aus: die hohe Zahl an Sozialkontakten an jedem Tag, die Trennung zwischen den Arbeitsorten Schule und häusliches Büro, die oft zu einer Entgrenzung der Arbeitszeiten führt, und das Einzelkämpfertum im Klassenraum. Zu diesen ohnehin vorhandenen Belastungsfaktoren treten die oben genannten neu hinzu. Die Anforderungen steigen, und mit ihnen auch in vielen Fällen die Belastungen.

Für den Umgang mit diesen Belastungen im Lehreralltag gibt es in vielen Fällen keine leichten Lösungen; insofern kann ein Schwerpunkt mit Praxishilfen zur Bewältigung dieses Alltags kaum mit schnellen Tipps und oberflächlichen Ratschlägen aufwarten – und wenn er es täte, wäre er nicht glaubwürdig. Wirksame Praxishilfen müssen die Komplexität der Anforderungen ernst nehmen; nur so können sie eine Unterstützung bei deren Bewältigung bieten. Und sie müssen auch die Tatsache berücksichtigen, dass Belastung in aller Regel subjektive und objektive Ursachen hat: Nicht nur die Anforderungen von außen, sondern auch die jeweilige Disposition der betroffenen Person führen dazu, dass eine bestimmte Situation als belastend empfunden wird. Das bedeutet auch, dass dieselben Anforderungen von außen von dem einen als belastend wahrgenommen werden und von dem anderen nicht so sehr. Aus diesem Grund darf ein Themenschwerpunkt mit dem Anspruch, Hilfen zur Bewältigung des Alltags zu geben, nicht nur auf die Anforderungen von außen eingehen, er muss auch die Haltung der Lehrkräfte thematisieren. Daher geben die Beiträge in diesem Heft vor allem Antworten auf folgende Fragen:

  • Wie kann ich meine Haltungen zu den typischen Anforderungen des Lehreralltags so verändern, dass ich besser mit ihnen umgehen kann?
  • Wie kann ich diese – oftmals unabweisbaren – Anforderungen so gestalten, dass ich besser mit ihnen umgehen kann?

Die Beiträge des Schwerpunkts

Der erste Beitrag von Kretschmann nimmt beide Fragen in einer systematischen Weise in den Blick, indem er analysiert, warum es im Unterrichtsalltag zum Aufbau von Stress kommen kann und was dagegen in präventiver Absicht unternommen werden kann. Dazu schlägt der Autor eine Checkliste mit kleinen, den Stress mindernden Maßnahmen vor, mit deren Hilfe jeder sofort überprüfen kann, ob und in welchem Umfang er bereits über ein entsprechendes Methodenrepertoire verfügt.

Der Beitrag von Tegge wendet sich einem zentralen Belastungsfaktor für viele Lehrkräfte zu, nämlich den vielen Arbeitsorten in den Klassenzimmern und zu Hause. Der Autor, Schulleiter an einem Hamburger Gymnasium und vormaliges Mitglied im Gesamtpersonalrat, berichtet von der Einrichtung von Lehrerarbeitsplätzen für alle Lehrkräfte an seiner Schule und den positiven Folgen für das Wohlbefinden seiner Kolleginnen und Kollegen. Deutlich wird, dass sich der Arbeitsalltag dadurch erheblich verändert und dass viele Belastungen reduziert werden können. Zugleich ist eine solche Maßnahme nicht überall schnell umsetzbar, doch der Autor gibt viele nützliche Hinweise für diejenigen, die in diese Richtung denken.

Der dritte Beitrag nimmt eine besondere Berufsphase in den Blick, nämlich das Referendariat. Da Referendarinnen und Referendare viele für sie vollkommen neuartige Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen haben, geraten sie oft in erhebliche Zeitnot. Der erfahrene Seminarleiter Udo Kliebisch zeigt, wie die Ausbilder den Referendaren bei der Entwicklung eines ökonomischen und gesundheitserhaltenden Zeitmanagements helfen können.

Im vierten Beitrag geht es um einen zentralen Belastungsfaktor für viele Kolleginnen und Kollegen, nämlich die Lärmbelastung im Klassenzimmer. Schega u. a. berichten aus einer Berliner Grundschule, wie sich der natürliche Geräuschpegel durch einfache pädagogische, aber auch durch bauliche Maßnahmen deutlich reduzieren lässt.

Vera Kaltwasser wendet sich in ihrem Beitrag der Frage zu, wie sich die Haltung von Lehrkräften zu den Anforderungen des Alltags verändern lässt. Unter dem Stichwort »Achtsamkeit« schlägt sie vor, in Stresssituationen innezuhalten und die eigenen Verhaltensmuster zu erkunden mit dem Ziel, sie möglicherweise zu verändern. Dazu gibt sie konkrete Anregungen.

Eine ganz andere Form von Praxishilfen gibt Thomas Unruh. Der erfahrene Lehrerausbilder und begeisterte Nutzer moderner Informationstechniken empfiehlt einige für den Lehrerberuf besonders nützliche »Apps«, die ihm bei der Vorbereitung und Durchführung von Unterricht und Lehrerausbildung wertvolle Dienste geleistet haben.

Der Schwerpunkt wird abgerundet durch einen Beitrag, der sich vor allem an die Deutschlehrer richtet. Sie leiden oft unter der Mühsal der Aufsatzkorrektur, die viel Arbeit kostet und von den Schülerinnen und Schüler trotzdem oftmals ignoriert wird, da ihr Interesse allein der Note gilt. Scheidhammer zeigt in seinem Beitrag, wie sich die mühselige Arbeit effizienter und zufriedenstellender gestalten lässt.

In seiner Vielfalt bietet der Themenschwerpunkt viele Anregungen, wie sich der Lehreralltag besser und gesünder bewältigen lässt. Wer weiter lesen will, findet in der folgenden Literaturübersicht viele Hinweise dafür, wie sich die einzelnen Aspekte noch eingehender bearbeiten lassen. Wunder allerdings können auch sie nicht bieten – aber sicherlich ist für jeden die eine oder andere nützliche Hilfe dabei.

Dr. Jochen Schnack ist Leiter der Abteilung Fortbildung im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg und Mitglied der Redaktion von PÄDAGOGIK.
Adresse: Dohrnweg 5, 22767 Hamburg
E-Mail: jochen.schnack(at)gmx.info


Aus: Pädagogik 1/13