Den Lehreralltag organisieren

Anregungen zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Unterricht

Der Alltag im Lehrerberuf ist von sehr unterschiedlichen Anforderungen bestimmt; deshalb sollte er so gut wie möglich organisiert werden. Zentrum des Berufsalltags ist der Unterricht, seine Vorbereitung, Gestaltung und Nachbereitung. Wie kann dieses Feld der Lehrerarbeit durch gute Organisation unterstützt werden? Welche Erfahrungen gibt es damit, und welche konkreten Anregungen lassen sich dazu finden?

Ein Lehrertag kann ganz schön anstrengend sein: morgens mehrere Stunden Unterricht, dazwischen kurze Gespräche mit Schülern und Kollegen, mittags kaum Zeit für ein vernünftiges Essen. Zu Hause angekommen gilt es nicht selten Anforderungen der Familie zu bewältigen, bis dann nach dem Abendessen endlich Zeit für die Arbeit am Schreibtisch ist. Zwar verläuft nicht jeder Tag nach diesem Muster, aber doch so viele, dass am Ende der Woche nicht selten die Luft knapp wird.

Um es gleich vorwegzunehmen: Wer hier schnelle Abhilfe durch einfache Tipps verspricht, der weckt falsche Erwartungen. Dies liegt vor allem daran, dass es grundlegende Bedingungen der Lehrerarbeit gibt, die sich kaum verändern lassen. Dazu zählen laut Rothland (2013, S. 22) beispielsweise:

  • die Zweiteilung des Arbeitsplatzes in einen schulischen und einen häuslichen Arbeitsort,
  • die nicht zuletzt deswegen in weiten Teilen unvollständig geregelte Arbeitszeit und
  • die prinzipielle Offenheit bzw. Grenzenlosigkeit der Aufgabenstellung.
    Freiheit und Entgrenzung

Diese Bedingungen bieten auf der einen Seite viele Vorteile, denn sie bedeuten eine vergleichsweise große Freiheit bei der zeitlichen und inhaltlichen Gestaltung des Alltags: Es bleibt »den einzelnen Lehrkräften weitgehend überlassen, wie viel Zeit sie (…) für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, für Korrekturarbeiten, Prüfungsvorbereitungen, für Organisations- und Verwaltungsaufgaben, Elternarbeit, Planung und Durchführung von Projekten, Absprachen oder intensivere Kooperationen, Fortbildungen etc. aufwenden. Wie viel Zeit Lehrerinnen und Lehrer für diese und weitere Aufgaben investieren und wann diverse Vorbereitungen abgeschlossen werden können, wann ihre Bemühungen und ihr Engagement genügen, wird ihnen nicht vorgegeben – sie müssen es selbst entscheiden.« (a. a. O., S. 24).

Der letzte Satz macht deutlich, dass in der Freiheit auch eine Gefahr liegt: Denn wer als Lehrer nicht gut organisiert ist, wer es nicht versteht, Prioritäten zu setzen und auch mal »Fünfe gerade sein« zu lassen, der läuft auf die Dauer Gefahr, unbegrenzt zu arbeiten und sich damit zu überfordern. Das bedeutet: Selbstmanagement und Selbstorganisation sind wesentliche Kompetenzen, um den Alltag zu bewältigen und gesund zu bleiben. Sie sind bisher nicht Teil der Ausbildung, sind also Fähigkeiten, die berufsbegleitend ausgebildet werden müssen. Deshalb haben Hinweise und Anregungen dazu eine große Bedeutung im Austausch von Lehrerinnen und Lehrern untereinander.

Praktische Hilfen und Arbeit an der Person

Solche alltagspraktischen Hilfen sind wichtig und deshalb auch Thema dieses Schwerpunkts. Wichtig zu wissen ist allerdings auch, dass diese Kompetenzen durch eine professionelle Haltung zur Lehrtätigkeit als Beruf fundiert werden sollten. Diese Haltung beinhaltet eine professionelle Distanz zur Arbeit, das Bemühen um eine hinreichende Trennung von Arbeit und Privatleben sowie die Bereitschaft, sich zu seiner Kerntätigkeit, dem Unterrichten, systematisch Feedback einzuholen.

Diese tiefer greifenden Aspekte des Themas »Lehreralltag« werden in den folgenden Beiträgen nur gestreift, weil sie sich einem Zugriff durch schriftlich vermittelte Anregungen weitgehend entziehen. Ihre Thematisierung benötigt einen anderen Rahmen als ihn eine Zeitschrift bieten kann. Sie sollten daher eher in Fortbildungen und Supervisions-Angeboten bearbeitet werden, wo ein personenbezogener Austausch, praktische Übungen und kontinuierliche Reflexionen am Fall möglich sind.

Deswegen konzentriert sich der Schwerpunkt dieses Heftes auf alltagspraktische Hilfen für die Gestaltung des Lehreralltags. Wir haben erfahrene Praktiker nach ihren Anregungen für eine bessere Organisation des Lehreralltags gefragt. Da trotz dieser Beschränkung das Spektrum immer noch sehr breit wäre, konzentrieren sich die Anregungen zur Verbesserung der Organisation auf den zentralen Bereich der Lehrertätigkeit, den Unterricht – auf seine Vorbereitung, Gestaltung und seine Nachbereitung. Dabei bieten die Beiträge Hinweise und Anregungen für den erfahrenen Lehrer wie für den Anfänger, für den Klassenlehrer ebenso wie für den Fachlehrer. Damit ist dieser Schwerpunkt eine Fundgrube für alle, die nach Wegen zur Entlastung des Alltags suchen.

Anregungen zur Entlastung des Alltags

Bei der Vorbereitung ihres Unterrichts verbringen viele Kolleginnen und Kollegen einen großen Teil ihrer Zeit damit, nach geeigneten Materialien zu suchen. Ingo Kriebisch gibt in seinem Beitrag viele hilfreiche Tipps, wie sich diese Suche effizient gestalten lässt und wo man schnell erprobte Materialien findet. Auf diese Weise lässt sich im Lehreralltag viel Zeit sparen.

Eines der wichtigsten Instrumente des Lehrers ist seine Stimme. Auch die Stimmbildung ist ein Thema, das in der Regel berufsbegleitend bearbeitet wird. In ihrem Beitrag zeigen Freiburger Forscher, was Lehrkräfte im Alltag tun können, um die Stimme zu schonen und zu kräftigen – eine kleine, aber wichtige Unterstützung zur Bewältigung des Alltags.

Hendrik Stammermann stellt mit »Hot Potatoes« ein kostenloses Computerprogramm vor, das ohne großen Aufwand in allen Fächern für die Gestaltung von kleinen Aufgaben eingesetzt werden kann. Dieses Programm steht beispielhaft für viele andere, die mittlerweile überall verfügbar sind und die Gestaltungsmöglichkeiten des Lehrers erheblich erweitern und erleichtern.

Großkurth und Weidmann beschreiben das Modell des Inverted Classrooms am Beispiel des Fremdsprachenunterrichts. Gezeigt wird, wie sich Schülerinnen und Schüler mit Hilfe digitaler Techniken die Unterrichtsinhalte zu Hause erarbeiten und der Unterricht im Klassenraum vor allem der Übung, der Anwendung und der Korrektur dient. Dieses Modell bietet mehr als eine organisatorische Anregung.

Auf eine unmittelbare Unterstützung im Alltag zielt der Text von Balliet und Kliebisch, der sich vor allem an Berufsanfänger richtet. Die erfahrenen Ausbilder geben praktische Tipps für die Gestaltung von typischen Situationen im Lehreralltag und zielen damit auf eine Entlastung durch Handlungssicherheit.

Eine bisher selten erörterte Frage steht im Mittelpunkt des Beitrag von Michael Veeser-Dombrowski: Wie archiviere ich meine Unterrichtsmaterialien so, dass ich sie schnell wiederfinde und auch künftig effektiv nutzen kann? Hierzu stellt der Autor ein einfaches Ablagesystem vor, das jeder für sich nutzen und gegebenenfalls verändern kann.

Abgerundet wird der Schwerpunkt durch einen Beitrag von Pfannmöller und Herrmann mit Anregungen zur sozialen Interaktion im Klassenraum. Sie verstehen Interaktion als systemisches Geschehen, in dem der Lehrer eine wesentliche Rolle spielt. Mit Analysen von Mechanismen dieses Systems und Anregungen zu ungewöhnlichen Interventionen zeigen sie, wie sich anstrengende Alltagssituationen so verändern lassen, dass eine Entlastung eintritt.

Und noch eine Anregung zum Schluss: Etwa die Hälfte der Beiträge nutzt Möglichkeiten der digitalen Hilfe zur Organisation des Lehreralltags. Wenn Sie diese Vorschläge gerne probieren möchten, Ihnen die Nutzung dieser Instrumente aber nicht leicht fällt, dann fragen Sie die, denen dies leichter fällt. Gerade für jüngere Kolleginnen und Kollegen sind diese Nutzungsformen relativ selbstverständlich und meist freuen sie sich, wenn sie gefragt werden. Vielleicht ist das ja der Anfang einer längerfristigen gemeinsamen Suche nach Möglichkeiten, die Organisation des Lehreralltags zu verbessern.


Literatur

  • Rothland, M. (2013): Beruf: Lehrer/Lehrerin – Arbeitsplatz: Schule. Charakteristika der Arbeitstätigkeit und Bedingungen der Berufssituation. In: Ders. (Hg.): Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf. Berlin, S. 21 ff.

Dr. Jochen Schnack ist Leiter der German International School in Boston (USA) und Mitglied der Redaktion von PÄDAGOGIK.
Adresse: German International School Boston, 57 Holton Street, Boston, MA 02134, USA
E-Mail: jochen.schnack(at)gmx.info


Aus: Pädagogik 1/2015