Neuer Wein in alten Schläuchen


Die direkte Instruktion ist anspruchsvoller, als manche hoffen

Die direkte Instruktion hat Konjunktur: Von der Hattie-Studie als wirksame Methode gekennzeichnet, wird sie in manchen Kollegien hoch gehandelt. Aber dies ist oft zu kurz gegriffen, denn nicht selten wird die direkte Instruktion mit herkömmlichem Frontalunterricht verwechselt. Doch worin bestehen die Unterschiede? Und welche Rolle kommt der direkten Instruktion im Unterrichtsalltag zu?

Die Fülle der empirischen Untersuchungen im letzten Jahrzehnt hat uns viel Wissen darüber beschert, was die Schülerinnen und Schüler in Deutschland können und was nicht. Je mehr wir darüber wissen, desto mehr drängt sich die Frage auf: Welcher Unterricht wirkt eigentlich wie? Hier ist die Forschungslage weit dünner, und die Forschung selbst ist viel komplizierter: Unterricht ist ein zu komplexes Geschäft, um die Ergebnisse zuverlässig auf bestimmte Ursachen zurückzuführen. Aber es gibt solche Forschungen, und die viel beachteten Studien von John Hattie (vgl. 2008, 2012 und 2013) erheben den Anspruch, viele der Ergebnisse zusammenzufassen und in eine vergleichbare Form zu bringen.

Die Ergebnisse solcher Unterrichtsforschung können irritierend sein, denn sie sind teilweise geeignet, so manche Überzeugungen von Kolleginnen und Kollegen zu erschüttern. So haben Hattie zufolge der »offene Unterricht« sowie »problembasiertes Lehren«, die auch in dieser Zeitschrift oftmals und mit guten Gründen propagiert worden sind, anscheinend häufig nur einen geringen Effekt für das fachliche Lernen der Schülerinnen und Schüler. Und die »direkte Instruktion«, von der Gudjons vor einigen Jahren an dieser Stelle geschrieben hat, man könne angesichts eines solchen Heftthemas »eigentlich nur den Kopf schütteln« – um es dann doch zu gestalten – (Gudjons 2007, S. 6), ist nach Hattie besonders wirksam, wenn es darum geht, den Schülerinnen und Schülern fachliche Kompetenzen zu vermitteln. Das wirft Fragen auf, die durchaus auch selbstkritisch gemeint sein dürfen:

  • Ist das, was wir aus guten Gründen für richtig halten, auch effektiv im Sinne des Lernerfolgs?
  • Achten wir hinreichend darauf, dass sich dieser Lernerfolg auch tatsächlich einstellt?
  • Sind wir bereit und in der Lage, unsere Methoden und Vorgehensweisen zu verändern, wenn dies nicht in dem erwarteten Umfang der Fall ist?

Dass solche Selbstkritik durchaus notwendig ist, hat z. B. eine Befragung von Studierenden der Sonderpädagogik der Universität Oldenburg gezeigt. Die Studierenden waren nach ihrer Bereitschaft gefragt worden, bestimmte Methoden zur Förderung des Schriftspracherwerbs bei Kindern mit Lernschwierigkeiten einzusetzen. Zu allen Methoden gab es fundierte empirische Forschungen zu ihrer Effektivität. Allerdings bevorzugten die meisten Studierenden gerade die Methoden, deren Ineffizienz klar belegt war, während sie die wirksamen Methoden eher ablehnten (vgl. Hintz 2006).

Das Beispiel zeigt: Pädagogische Überzeugungen können stark sein, gelegentlich auch stärker als empirische Erkenntnisse zu der Wirksamkeit der propagierten Methode. Dies allein ist Grund genug, diesen Themenschwerpunkt einer Methode zu widmen, mit der große Teile der modernen, stark konstruktivistisch und daher auf die Selbsttätigkeit der Lernenden ausgerichteten Erziehungswissenschaft eher fremdeln, für deren Wirksamkeit es jedoch – nicht nur bei Hattie – gute Belege gibt.

Achtung: Kurzschluss!

Dabei gilt es allerdings zunächst, einem Kurzschluss entgegenzutreten, der sich in die Hattie-Rezeption eingeschlichen hat: Die hohe Lernwirksamkeit der direkten Instruktion führt offenbar bei vielen Kolleginnen und Kollegen zu dem erleichterten Stoßseufzer »Ach wie gut, dass das Ansehen des Frontalunterrichts gerettet ist«. Um es vorab zu sagen: Direkte Instruktion ist etwas anderes als der herkömmliche Frontalunterricht mit hoher Lehreraktivität und geringer Schüleraktivität, ist auch etwas anderes als das lehrergeleitete Gespräch. Die direkte Instruktion ist ein anspruchsvolles Unterrichtsarrangement, das aus mehreren Phasen besteht, die aufeinander aufbauen und jeweils gut vorbereitet werden müssen. Dabei spielen das Üben der Schülerinnen und Schüler sowie die differenzierte Rückmeldung der Lehrkraft an die einzelnen Schülerinnen und Schüler eine entscheidende Rolle. Martin Wellenreuther hat in seinem einführenden Beitrag (S. 8) die methodischen Ansprüche an die direkte Instruktion herausgearbeitet und belegt zudem eindrucksvoll deren Wirksamkeit für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler anhand einiger beispielhaft angeführter Forschungsarbeiten.

Vor dem Hintergrund dieser Einordnung und Abgrenzung folgen dann einige Erfahrungsberichte aus allen Schulformen, die veranschaulichen sollen, wie sich die direkte Instruktion im Fachunterricht einsetzen lässt. Dabei haben wir uns auf die Kernfächer konzentriert:

Im ersten Beispiel (S. 12) zeigt Stammermann für den Rechtschreibunterricht in der Sekundarstufe I des Gymnasiums, wie sich die einzelnen Schritte der direkten Instruktion konkret gestalten lassen und welche Aktivitäten des Lehrers dabei jeweils erforderlich sind. Zugleich zeigt er auf der Grundlage seiner eigenen Unterrichtserfahrung auch die Grenzen der direkten Instruktion auf – diese Methode erweist sich dann als besonders hilfreich, wenn es um die Vermittlung eines klar abgrenzbaren, eher engen Themenbereichs geht.

Im zweiten Beipiel plädiert Felten zunächst dafür, eine klar akzentuierte Lehrerrolle wahrzunehmen (S. 20). Aus dieser Rolle heraus lässt sich im Fach Mathematik ein ebenso direktiver wie differenzierter Unterricht gestalten, der den Schülerinnen und Schülern dabei hilft, in die fachlichen Herausforderungen einzutauchen und ein tieferes Verständnis aufzubauen.

Ebenfalls im Fach Mathematik ist der dritte Erfahrungsbericht angesiedelt, der aus dem Unterricht der Jahrgangsstufe 11 stammt (S. 22). Amberg zeigt hier, dass sich die direkte Instruktion gut für eine differenzierte Gestaltung eines Unterrichts eignet, der sowohl die mathematischen Grundfertigkeiten festigt als auch die anspruchsvolleren prozessbezogenen Kompetenzen in den Blick nimmt. Ein wichtiges Instrument ist dabei das Lerntagebuch, über das nicht nur der individuelle Lernfortschritt dokumentiert wird, sondern der Schüler auch eine handlungsleitende Rückmeldung durch die Lehrkraft erhält.

Mit dem vierten Beispiel bleiben wir in der Oberstufe; diesmal rückt mit der Philosophie ein Nebenfach ins Zentrum, das als diskursorientiertes Fach auf den ersten Blick nur wenig Verwendung für instruktive Unterrichtsmethoden hat. Dies kann Koch-Oehmen jedoch am Beispiel der kantschen Ethik plausibel widerlegen (S. 28). Sein Bericht zeigt, dass sich die direkte Instruktion auch im Philosophie-Unterricht gewinnbringend einsetzen lässt.

Der letzte Erfahrungsbericht konzentriert sich auf einen Bereich, für den die Wirksamkeit der direkten Instruktion am besten nachgewiesen ist: die Förderung schwacher Lernerinnen und Lerner. Treu beschreibt ausführlich, wie sie die direkte Instruktion in der Sprachförderung an einer Förderschule einsetzt (S. 32).

Der abrundende Beitrag setzt sich in zugespitzter Form mit den »Feinden« der direkten Instruktion ausein­ander und rückt mögliche oder tatsächliche Selbstblockaden des modernen Lehrers in den Mittelpunkt. Was hindert uns möglicherweise daran, wirkungsvolle Unterrichtsmethoden auch tatsächlich einzusetzen? Diese Frage greift Jochen Grell auf, um am Ende symbolisch das »Tabu« für Frontalunterricht aufzuheben – allerdings nicht ohne sogleich einzuwenden, dass die direkte Instruktion gewiss nicht die einzige erfolgreiche Unterrichtsmethode ist (S. 36).

Dem ist wenig hinzuzufügen. Dieser Themenschwerpunkt dient dazu, die Methode der direkten Instruktion zu beschreiben, ihre Einsatzmöglichkeiten auszuloten und natürlich ihre Grenzen aufzuzeigen. Wie alle anderen Profis brauchen auch Lehrerinnen und Lehrer ein breites Repertoire an Methoden und Techniken, um auf die unterschiedlichen Anforderungen im Klassenraum reagieren zu können. Die direkte Instruktion kann dabei hilfreich und erfolgreich sein – wenn sie bewusst, umsichtig und zielgenau eingesetzt wird.

Literatur

  • Gudjons, H. (2007): Lehren durch Instruktion. Oder: Instruktion kann mehr als das »Einfüllen von Wissen in Schülerköpfe«. In: PÄDAGOGIK H. 11/2007, S. 6 ff.
  • Hattie, J. (2008): Visible Learning: A Synthesis of Over 800 Meta-Analyses Relating to Achievement. London
  • Hattie, J. (2012): Visible Learning for Teachers. Maximizing impact on learning. London
  • Hattie, J. (2013): Lernen sichtbar machen. Überarb. und deutschspr. Ausg. besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler
  • Hintz, A. (2006): Effektivität sonderpädagogischer Interventionen zur Förderung des Schriftspracherwerbs bei Schülerinnen und Schülern mit Lernbeeinträchtigungen. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Oldenburg

Dr. Jochen Schnack ist Leiter der Abteilung Fortbildung im Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung und Mitglied der Redaktion von PÄDAGOGIK.
Adresse: Dohrnweg 5, 22767 Hamburg
E-Mail: jochen.schnack(at)gmx.info


Aus: Pädagogik 1/14