Liebe Leserinnen und Leser,

bereits in den systematischen Anfängen praktischer Heil- und Sonderpädagogik des 18. und 19. Jahrhunderts spielte ein Länder übergreifender Austausch eine erhebliche Rolle. Zuerst waren es die Gründer eines Unterrichts für blinde und gehörlose Kinder, die auf Auslandsreisen ihre Unterrichtsmethoden vorstellten und ihrerseits Anregungen aus anderen Ländern suchten. Der damals eingeleitete internationale Diskurs hat heute einen bislang noch nicht da gewesenen Intensitätsgrad erreicht. Die Welt ist auch in der Theorie und Praxis der Hilfen für Menschen mit Behinderung dank des Internets und einer nahezu grenzenlosen Mobilität »kleiner« und »globaler« geworden. Nicht zuletzt zeigen die PISA-Studie sowie die Debatten um die UN-Behindertenrechtskonvention, dass zentrale sonderpädagogische Frage- und Aufgabenstellungen auf rechtlich-politischer Ebene inzwischen in einer engen europa- und weltweiten Verflechtung stehen. Sie werden von internationalen Organisationen beeinflusst, erzeugen einen großen, teils nicht unproblematischen Vergleichsdruck, beinhalten aber auch ein hohes Anregungspotenzial.

Sonderpädagogik im internationalen Diskurs umfasst viele inhaltliche Ebenen. Behinderungs- und damit zusammenhängende Benachteiligungsphänomene sind – national wie international – im Kontext sozioökonomischer, (inter-)kultureller, gesetzlich-administrativer, institutioneller, im weitesten Sinne: politischer Entwicklungen zu analysieren. Ein offener, aufnahmebereiter und gleichwohl kritischer Blick ist deshalb künftig noch wichtiger als bisher. Unter anderem auch, um der Gefahr zu entgehen, dass die Verhältnisse anderer Länder leichtfertig idealisiert werden und es zu kurzschlüssigen Übertragungen auf die hiesigen Verhältnisse kommt, so misslich diese zum Teil auch sein mögen. Die Aufsätze des Thementeils sowie der Beitrag von Lechta, Schmidtara und Leonhardt im allgemeinen Teil bieten dazu zahlreiche Anregungen. Sie beziehen sich auf ausgewählte Aspekte der internationalen Inklusionsdebatte, erläutert am Beispiel Schwedens, der Slowakei sowie der USA.

Wie Sie sehen, wird ab diesem Heft das »Aktuelle Thema« als eine neue Rubrik eingeführt. Darin werden derzeit aktuelle Begriffe, Themen und Entwicklungen der Sonderpädagogik in kompakter Form dargestellt und diskutiert.

Bernd Ahrbeck / Hans Weiß