Liebe Leserinnen und Leser,
das vorliegende Heft widmet sich erneut einigen aktuellen Fragestellungen sonderpädagogischer Förderung, die sich auf die Gestaltung institutioneller schulischer Veränderungen (Schulentwicklung) sowie Aspekte des sonderpädagogischen Selbstverständnisses (Entwicklung der wissenschaftlichen Disziplin) beziehen. Sie sind zum Teil an den Themenkomplex »Integration–Inklusion« gebunden.
Vera Moser beschäftigt sich im Themenschwerpunkt mit »Schulentwicklung und Inklusion«, beschreibt das Spannungsfeld von einzelschulischer Verantwortlichkeit und zentralen outputorientierten staatlichen Vorgaben, konkretisiert es im Hinblick auf Inklusion und sucht nach möglichen Schnittstellen, die unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden können. Weiterhin setzen sich Bettina Lindmeier und Tomke Beyer, nunmehr auf der Ebene des pädagogischen Handelns, mit der Kooperation von Lehrkräften auseinander, die in unterschiedlichen Integrationsformen miteinander verbunden sind. Es wird gezeigt, dass neben äußeren Rahmenbedingungen vor allem nicht hinreichend geklärte Zielperspektiven und unklare Aufgaben- und Rollendefinitionen die Lösung komplexer und anspruchsvoller Kooperationsaufgaben erschweren.
Die beiden weiteren Beiträge des Themenschwerpunktes beschäftigen sich aus unterschiedlicher Perspektive mit grundlegenden Kategorien beziehungsweise dem Selbstverständnis der Sonderpädagogik. Auf elementarer Ebene verweist Bernd Ahrbeck auf die Sinnhaftigkeit und notwendige Eigenständigkeit der sonderpädagogischen Fachrichtungen, die sich unabhängig von Anwendungszusammenhängen konstituiert. Anhand der Verhaltensgestörtenpädagogik (»Wozu ist die Verhaltensgestörtenpädagogik da?«) wird demonstriert, dass eine kategoriale Entdifferenzierung zu einer Trivialisierung sonderpädagogischer Theoriebildung führt, die mit erheblichen Erkenntnisverlusten verbunden ist.
David Zimmermann (»Behinderung hausgemacht«) wirft hingegen einen kritischen Blick auf eine sonderpädagogische Kategorienbildung, die sich von organischen Schädigungen leiten lässt und ihnen einen überdimensionierten Platz einräumt. Dadurch wird, so seine These, ein lebensgeschichtlich verstehender Zugang erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht und damit eine vielversprechende Alternative der Theoriebildung verstellt.
Eine Ergänzung zum Themenschwerpunkt findet sich in dem Beitrag von Daniel Barth und Mirjam Kocher, die den „Wirkungen gesetzlich verordneter Schulentwicklung“ anlässlich des Zürcher Volksschulgesetzes nachgehen. Den Abschluss dieses Heftes bildet ein Artikel von Lanfranchi und Neuhauser, der sich der Frühförderung annimmt, auf die sich auch das »Aktuelle Thema« bezieht.
Bernd Ahrbeck / Christian Lindmeier