Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit

Chancengerechtigkeit und Bildung in der Sozialen Marktwirtschaft

Zusammenfassung

Eine der zentralen Grundideen einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Ordnung besteht darin, dass sie allen Menschen gleichermaßen die Chance auf ökonomischen Erfolg bietet. Nicht soziale Herkunft, Geschlecht, staatlicher Dirigismus oder staatlich gewährte Privilegien sollen über wirtschaftliche Ergebnisse entscheiden, sondern in erster Linie die eigenen Fähigkeiten und Leistungen in einem fairen Wettbewerbsprozess, in dem sich jeder immer wieder aufs Neue beweisen muss. Eine funktionierende marktwirtschaftliche Ordnung schafft nicht nur Wohlstand und fördert Innovation, sie ist vor allem auch inhärent privilegienfrei und damit dem Prinzip der Chan-cengerechtigkeit verpflichtet. Die ordoliberalen Väter der der Sozialen Marktwirtschaft haben dementsprechend die Idee des "Leistungswettbewerbs" betont und diesen scharf von anderen, unproduktiven Formen des Konkurrenzkampfes und des "Behinderungswettbewerbs" abgegrenzt (Eucken, 1952/2004). Gerät die Chancengerechtigkeit unter die Räder, bleibt auch das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit nur ein Torso. Das von Ludwig Erhard propagierte Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft, "Wohlstand für alle" zu schaffen, basiert letzten Endes auf dem Grundsatz "Aufstiegschancen für alle".

Bildung beeinflusst in erheblichem Maß die individuellen Startchancen beim Eintritt in das Berufsleben und entscheidet damit maßgeblich über den beruflichen und öko-nomischen Lebensweg eines Menschen. Auf die Bedeutung von Bildung hat bereits Adam Smith (1776/1981), einer der Begründer der modernen Volkswirtschaftslehre, hingewiesen und diesbezüglich eine wichtige Aufgabe für den Staat gesehen, (vgl. auch Klump/Wörsdörfer 2010). Die Vorreiter der deutschen Ordnungspolitik behandelten Fragen der Bildung und der Bildungspolitik hingegen nur am Rande. Angesichts von Globalisierung und immer stärkerer internationaler Arbeitsteilung gilt das heute noch stärker als früher. Zwar ist unstrittig, dass sich die Menschen in ihren in-tellektuellen Fähigkeiten und Qualifikationspotentialen unterscheiden und dementsprechend unterschiedliche Bildungsabschlüsse bzw. Qualifikationsniveaus erreichen. Eine chancengerechte, privilegienfreie Gesellschaftsordnung setzt aber voraus, dass Menschen mit vergleichbarer Begabung und vergleichbaren Potentialen auch gleiche Möglichkeiten haben, ein bestimmtes Qualifikationsniveau zu erreichen. Damit rückt das Bildungssystem in den Mittelpunkt der Betrachtung, wenn es um die Realisierung einer chancengerechten Gesellschaft geht. Will man darüber hinaus nicht nur vergleichbare, sondern auch möglichst gute Startchancen realisieren, kommt die Qualität des Bildungssystems im Sinne einer guten Wissens- und Kompetenzvermittlung als weiteres Kriterium hinzu. Spätestens seit den Ergebnissen der ersten internationalen PISA-Vergleichsstudien (Programme for International Student Assessment) steht das deutsche Bildungssystem in beiderlei Hinsicht auch öffentlich immer wieder in der Kritik.

In diesem Beitrag soll neben einer Analyse der ökonomischen Bedeutung von Bil-dung (Abschnitt 2) der Status quo des deutschen Bildungssystems im Hinblick auf seine Effizienz und vor allem auf seine Fähigkeit, Chancengerechtigkeit herzustellen, beleuchtet werden (Abschnitt 3). Darauf aufbauend werden im vierten Abschnitt einige ausgewählte Reformvorschläge skizziert. Ein kurzes Fazit schließt die Betrachtungen ab.

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Beitrag
Chancengerechtigkeit und Bildung in der Sozialen Marktwirtschaft
TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 4, Jahr 2013, Seite 301 - 311

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Titel

Chancengerechtigkeit und Bildung in der Sozialen Marktwirtschaft

Zeitschrift

TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 4, Jahr 2013, Seite 301 - 311

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0342-2275

Verlag

Beltz Juventa

Autoren

Guido Raddatz

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