Für den Journalisten und Autor Axel Brüggemann ist Richard Wagner »der Pubertätskomponist« schlechthin, ein Größenwahnsinniger und genialer Komponist, dessen Opern voll von dem sind, »was man im Kopf hat, wenn man Pickel kriegt«: Sex and crime und Rebellion, die Suche nach der eigenen Rolle, Auflehnung gegen überkommene Strukturen, die Generation der Väter…
»Mein Vater liebte Verdi - die schönen Melodien. Ich wollte protestieren, eine eigene Musik hören - und entdeckte Wagner, Verdis Erzfeind! Mit 15 Jahren habe ich mir meinen ersten »Tristan« gekauft - als Schallplatte. Was ich gehört habe, war besser als Clerasil: Unerreichbare Liebe, ein Orgasmus für die Ohren, musikalische Befriedigung. Ich habe mit dem »Ring« weitergemacht: Ja, so wollte auch ich gegen die Welt kämpfen. Mich wie Siegfried gegen den Vertrag der Generationen auflehnen. Die geldgierigen Drachen töten und gegen das Kapital, die falsche Macht und die Lüge ankämpfen. Gerechtigkeit um jeden Preis - und sei es für den Weltuntergang. Mit Wagner habe ich zum ersten Mal gespürt: Da ist jemand, der das Unmögliche schaffen will. Dieses Ungestüm ist inzwischen einem harmonischen Rausch gewichen - einer Harmonie der Welt. Und einer immer gültigen Mahnung an die Einheit von Mensch und Natur. Wagner hat mich in der Pubertät gepackt und bis heute nicht losgelassen!«
Diese Faszination zeigt sich in dem furiosen und modernen Bild des umstrittenen Komponisten, das Brüggemann in Genie und Wahn entwirft.
Wagners Werke sind so groß und widersprüchlich, dass viele ihn für sich beansprucht haben: Demokraten, Kommunisten, Faschisten. Kaum ein anderer verkörpert die deutsche Geschichte in einer Person: Er stand auf den Barrikaden von 1848, floh ins Exil, und diente dem Märchenkönig Ludwig II. Er war Humanist und Egomane, war Antisemit und Judenfreund, Chauvinist und Frauenliebhaber, Philosoph und privater Diktator. Bedingungslos verfolgte er seine Idee, Musik für eine neue Zeit zu machen - ein Gesamtkunstwerk aus Noten, Worten und Bildern - und er revolutionierte die Musikgeschichte. Seine Werke sind noch immer so modern, dass sie zum Soundtrack von Filmen wie »Apocalypse Now« und »Melancholia« wurden.
In Genie und Wahn schafft Brüggemann einen umfassenden Überblick über Wagners exaltiertes Leben und sein Werk, die untrennbar ineinander verwoben sind. Und lädt – nicht nur, aber besonders Jugendliche – ein, sich einzulassen auf die Musik von Wagner: »Wer die Musik von Wagner hört, taucht ein in ein Universum der Kunst, muss seine Vorurteile und sein Weltbild ablegen.« Alle Zitate: Axel Brüggemann.
Am 22. Mai 2013 jährt sich Wagners Geburtstag zum 200.mal.