Pressemeldung

Freitag, 04. Juli 2025

Was tun, wenn man nichts tun kann?

Dr. Martin Bartenberger über Pragmatische Philosophie für herausfordernde Zeiten

Lieber Herr Dr. Bartenberger, Kriege, Klimakrise, Rechtsextremismus – was tun, wenn man gefühlt nichts mehr tun kann?
Wir müssen uns von der Idee einer perfekten Lösung in einer imperfekten Welt verabschieden. Dieser Anspruch lähmt uns oder macht uns anfällig für die einfachen Antworten der Populisten. Stattdessen sollten wir uns erlauben, etwas zu tun, auch wenn es nicht perfekt ist und es einfach mal auszuprobieren. Denn nur wenn man etwas tut oder ausprobiert, lernt man auch etwas. Das heißt nicht, dass man mit jedem Versuch die Lage sofort verbessert oder rettet, aber man lernt vielleicht zumindest, wie es besser geht. Das Schlimmste ist es, sich von dem Gefühl des »Nichts-tun-Könnens« lähmen zu lassen, zu verzweifeln und zu resignieren. Ein kleines Kind gibt schließlich auch nicht auf, wenn es beim Versuch laufen zu lernen, zum hundertsten Mal hinfällt.



In Ihrem Buch geht es darum, wie uns die Philosophie des Pragmatismus helfen kann, durch schwierige Zeiten zu kommen. Was macht den Philosophischen Pragmatismus aus?
Ursprünglich wurde der Philosophische Pragmatismus im 19. Jahrhundert entwickelt, als Reaktion auf die Krisen und Ungewissheiten dieser Zeit. Er ist damit so etwas wie eine philosophische Flaschenpost, seine Antworten sind aktueller denn je. Die Kernbotschaft lautet: Ungewissheit und Unsicherheit, ja Krisen und Leid gehören zu unserem menschlichen Dasein dazu. Der Pragmatismus liefert uns eine Möglichkeit, mit dieser Tatsache umzugehen, und zwar bescheiden und mutig zugleich. Indem er uns vor den einfachen Antworten der Populisten schützt, ein Gegenmittel zur gesellschaftlichen Polarisierung bietet und uns vor lähmender Resignation bewahrt. Stattdessen zeigt er uns einen Weg, wie wir durch versuchendes und vorantastendes Handeln, bei dem wir auch mal scheitern oder Irrtümern aufsitzen, unser Leben und die Welt um uns herum verbessern können.

 

Warum kann uns dieser Ansatz helfen, mit Krisen umzugehen?
Weil in Krisenzeiten die Ungewissheit und Unsicherheit besonders sichtbar werden. Angesichts der komplexen Situation, der engen Zusammenhänge oder schlicht aus Zeitmangel fehlen uns in Krisenzeiten oft die Informationen, um die »beste Lösung« zu finden, auch wenn wir uns noch so angestrengt den Kopf zermartern. Stattdessen flüchten wir uns oft in die einfachen und dogmatischen Antworten der Populisten.
Es gibt aber noch einen anderen, erfolgversprechenderen Ansatz in diesen Zeiten, und den zeigt der Pragmatismus auf. Er besteht aus den vier Schritten Glauben-Versuchen-Irren-Verbessern. Wir müssen also etwas ausprobieren, sehen, ob es funktioniert, und wenn nicht, unsere Überzeugungen und Handlungen korrigieren. Es ist dieser Prozess des ständigen und planvollen »Versuch und Irrtum«, durch den schließlich auch Verbesserung möglich ist.



Sie schreiben in ihrem Buch: »Für den Pragmatismus ist alles Leben ein Ausprobieren, ein imperfektes Experimentieren, ein ständiges Suchen und Herumtasten.« Wie verfällt man dabei nicht in planlosen Aktionismus, sondern nutzt die Möglichkeiten für sich?
Indem man dieses ständige Experimentieren nicht planlos und unbewusst betreibt, sondern ganz bewusst und auch selbstbewusst. Wir haben nun mal keinen anderen Weg, um mehr über die Welt zu erfahren und sie zu verbessern als dadurch, etwas auszuprobieren und aus dem Ergebnis zu lernen. Der erste Schritt ist es, diese Tatsache anzuerkennen und nicht als Defizit oder Schwäche zu begreifen, sondern als immense Stärke. Wichtig dabei bleibt: Wir müssen immer offen dafür bleiben, unsere Überzeugungen zu korrigieren und unser Handeln anzupassen, wenn wir mit unseren Versuchen scheitern oder in eine falsche Richtung abdriften.