
Prof. Dr. Micha Brumlik lehrt Allgemeine Erziehungswissenschaften an der Universität Frankfurt und ist neben Prof. Dr. Sabine Andresen und Dr. Claus Koch Herausgeber des ElternBuchs.
 
Erziehung und Bildung werden seit Jahren auf breiter gesellschaftlicher Ebene diskutiert. Erklären Sie uns bitte, warum beiden Themen eine ungebrochene Bedeutung und Aufmerksamkeit zu Teil wird?
 Immer mehr Eltern sehen die Erziehung ihrer Kinder als ihr zentrales Lebens- und Zukunftsprojekt an. Damit wachsen ihre Sorgen in zwei Richtungen: „Irre ich mich auch nicht darin, wie ich mich zu meinen/ zu unseren Kindern verhalte?“ Und: „Kann ich wirklich sicher sein, dass ich für meine Kinder das Beste tue?“ Von dieser Beunruhigung profitieren sowohl Fernsehsendungen als auch der Buchmarkt mit seinem vielfältigen, qualitativ sehr unterschiedlichen Beratungs- und Diagnose-angebot.
 Können Sie uns aus Sicht der Erziehungswissenschaften erklären, welche Heraus-forderungen Eltern heute bei der Erziehung ihrer Kinder zu bewältigen haben? Warum ist die Erziehungsaufgabe heute offenbar besonders anspruchsvoll?
Nun, die traditionelle Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen, Vätern und Müttern ist ebenso durcheinandergeraten wie traditionelle Arbeitsverhältnisse oder eindeutige, gesicherte Lebensläufe. Die öffentliche Erziehung spielt im Guten wie im Schlechten eine immer stärkere Rolle, zudem wächst die Sensibilität für vielleicht nicht mehr gutzumachende Fehler.       
Welchen Beitrag können insbesondere die Wissenschaften bei der Bewältigung der elterlichen Erziehungspraxis leisten?
 Was sie mit Sicherheit nicht können, ist, einfache Rezepte zu liefern. Was sie aber können, das ist, darauf hinzuweisen, was tunlichst zu unterlassen ist. Sie können Befürchtungen ausräumen, aber auch auf eventuelle Risiken hinweisen. Sie können vor allem das Verständnis dafür wecken, was es heißt, in einer so komplexen Ge-sellschaft wie der unseren groß zu werden. Kind zu sein, war nie leicht und gewiss sind Gesellschaften unseres Typs für Kinder alles in allem nicht so lebensgefährlich, wie sie es früher einmal waren. Aber: komplizierter ist das Aufwachsen auch für die Kinder geworden. Wie und warum und in welchem Ausmaß, darüber kann die Wissenschaft aufklären.
Sie geben zusammen mit Sabine Andresen und Claus Koch das ElternBuch heraus, das im Februar 2010 bei Beltz erscheinen wird. Worin können Sie Eltern mit diesem Buch unterstützen? Welches Ziel verbinden Sie mit diesem Buch? 
Uns geht es darum, einer breiten Elternschaft jenes wissenschaftliche Wissen, das es derzeit zu vielfältigen Erziehungsproblemen, zu ihren Ursachen, Verläufen und Lösungsmöglichkeiten gibt, zu vermitteln. Für uns war es besonders wichtig, uns nur und ausschließlich an die besten, die am meisten ausgewiesenen Expertinnen und Experten zu halten. Uns war klar, dass so ein Buch nur interdisziplinär zustande kommen kann.
 Wir sind nicht so vermessen, uns einzubilden, dass wir, vor allem aber die in unserem Buch zu Wort kommenden Experten, einfache Rezepte und trügerische Sicherheiten vermitteln könnten. Wir präsentieren vielmehr, was eine verantwor-tungsvolle Wissenschaft heute sagen kann. Damit liefern wir eben keine schlichten Handlungsanweisungen, sondern jene Informationen, die mündige Eltern kennen sollten, um zu ihren eigenen Entscheidungen zu gelangen.