Zeitschrift für Pädagogik — Inhaltsverzeichnis
Jahrgang 51– Heft 1– Januar/Februar 2005
Essay
Ewald Terhart
Über Traditionen und Innovationen oder: Wie geht es weitermit der Allgemeinen Didaktik?
Thementeil: E-Learning, Medienräume, Lernformate
Michael Giesecke
Auf der Suche nach posttypographischen Bildungsidealen
Kulturwandel ist das emergente Produkt von bewahrenden, reformierenden und revolutionären, alte Strukturen zerstörenden Prozessen. Der Versuch, die Ideale der Buchkultur mit den Mitteln des E-Learnings zu bewahren, vorhandene Strukturen durch Digitalisierung und Vernetzung zu optimieren, scheint unvermeidbar, aber er lenkt von den eigentlichen Potenzialen der neuen Medien eher ab. Erforderlich ist ein grundsätzlich neues Verständnis von Kommunikation, Wissen und Informationsverarbeitung. Posttypographische Bildungsideale relativieren die Wertschätzung von Homogenität und Gleichschaltung zugunsten von Heterogenität und der Berücksichtigung von Parallelprozessen. Sie relativieren die Bedeutung technisierter Kommunikationsmedien und rückkopplungsarmer Kommunikation und lenken das Augenmerk auf die leiblichen Medien und dialogischen Kommunikationsformen. Sie stärken selbstreflexive Informationsverarbeitung und prämieren triadisches Denken.
Jeanette Böhme
E-Learning und der buchkulturelle Widerstand gegen eine Entschulung der Gesellschaft
„E-Learning“ konnte sich keineswegs im schulischen Kontext behaupten. Dort dominiert unumstößlich das am Buch orientierte bzw. literale Lernformat. Im außerschulischen Bereich haben dagegen Kinder und Jugendliche schon lang etwa das Fernsehen als weiteres Lernmedium (an-)erkannt. Es wird gezeigt, dass beim Fernsehen ein Wahrnehmungsmodus priorisiert wird, dessen Potenzialität die literale Schulsozialisation zwar unterminieren kann, jedoch Regelwissen für den Umgang mit multimedialen Hypertexten bereitstellt. Dort geltende raumzeitliche Ordnungsparameter konfligieren mit den typographischen von Schulkulturen. Da die aktuelle Verteidigung des buchkulturellen Bildungsmonopols eine multimediale Beschulung der Gesellschaft verunmöglicht, gilt es konzeptionell die Institutionalisierung eines multimedialen Netzwerkes für Kulturaneignung zu diskutieren.
Peter J. Weber
E-Learning – die missverstandene Lernkultur
In diesem Beitrag wird der Gedanke verfolgt, dass durch die Überfrachtung des E-Learning mit Potenzialen der Verbesserung traditioneller Lehr-Lern-Zusammenhänge der eigentliche Kern von E-Learning verloren geht. Gezeigt wird dies an der mangelnden Verknüpfung von Medien- und Fernstudiendidaktik, der bisher fehlenden Didaktisierung des Blended Learning, einer zunehmenden Exklusivität der neuen Lernkultur und letztlich an einer stark durch ökonomische Effizienz- und Effektivitätskriterien beeinflussten Debatte um E-Learning. Es kann mit dieser Argumentation die These aufgestellt werden, dass mit dem Begriff E-Learning eine virtuelle Bildungswirklichkeit simuliert wird.
Manuela Pietraß
„Leeres Wissen“ durch E-Learning?
Didaktische Aspekte der virtuellen Lernwelten in anthropologisch-medienanalytischer Perspektive
Durch Medien angeeignetes Wissen bleibt „leer“, wenn es keine Rückbindung an den Horizont eigener Erfahrungen finden kann. Mit einer entsprechenden Didaktik kann der Pädagoge solchen Lernprozessen entgegenwirken. Durch das Internet werden seine Einflussmöglichkeiten jedoch eingeschränkt. So treten quasi durch die Hintertür Kommunikatoren ins Klassenzimmer, die publizistische oder persönliche Interessen verfolgen. Zugleich begünstigen die Virtualität, Interaktivität und Hypermedialität eine durch Flüchtigkeit, Unverbindlichkeit und Ungeordnetheit sich auszeichnende Qualität des Wissensaufbaus. Um das didaktische Potenzial der neuen Medien nutzen zu können, ist eine fundierte fachliche Qualifikation der Lehrenden notwendig sowie die Bestimmung der Relation von virtueller und materieller Welt des Handelns.
Linktipps zum Thema E-Learning
Allgemeiner Teil
Manfred Hofer/Heinz Reinders/Stefan Fries/Marten Clausen
Der Einfluss des Wertewandels auf die Entwicklung im Jugendalter.
Ein deduktiver Ansatz
Der Beitrag thematisiert den Einfluss des gesellschaftlichen Wertewandels auf die Entwicklung Jugendlicher. Ausgangspunkt ist eine kritische Analyse vorliegender erziehungswissenschaftlicher Ansätze zum Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Wandel und Variablen aufseiten der Jugendlichen. Der eigene Ansatz stützt sich auf Befunde aus der Werteforschung, der Jugendforschung und der Schulforschung. Er zeichnet ein Bild von Jugend, die adaptiv auf eine Gesellschaft reagiert, in der Jugendliche in einer verlängerten Phase leben, die neben Forderungen und Angeboten im Leistungsbereich auch solche bereitstellt, die erhöhtes Wohlbefinden ermöglichen. Zum einen werden Zwischenprozesse auf der Ebene der institutionellen Kontexte, in denen Jugendliche leben, spezifiziert. Zum anderen werden beim Individuum Verarbeitungsprozesse angenommen, welche die Auswirkung von Werten auf das Verhalten und Erleben Jugendlicher vermitteln. Die Erweiterung der Wertstruktur stellt Jugendliche vor die Aufgabe, Strategien für eine Wertesynthese zu entwickeln.
Dagmar Hänsel
Die Historiographie der Sonderschule
Eine kritische Analyse
Zu den Besonderheiten der Sonderschulgeschichtsschreibung gehört, dass die Geschichte der Sonderschule ausschließlich von der Sonderpädagogik und auf die Hilfsschule zentriert geschrieben wird. Auf der Grundlage einflussreicher Geschichtsdarstellungen werden Kontinuitäten im Wandel der sonderpädagogischen Historiographie und ihre Behauptung der Sonderschule als Nothilfe herausgearbeitet.
Urs Haeberlin/Christian Imdorf/Winfried Kronig
Verzerrte Chancen auf dem Lehrstellenmarkt
Untersuchungen zu Benachteiligungen von ausländischen und von weiblichen Jugendlichen bei der Suche nach beruflichen Ausbildungsplätzen in der Schweiz
Ausgehend von der gut begründbaren Unterstellung systematischer Chancenungleichheiten während der obligatorischen Schulzeit sind Konsequenzen für die anschließende Berufsausbildung insbesondere in zwei Bereichen zu erwarten: Zum einen die forcierte Abkühlung der beruflichen Aspirationen bei den betroffenen Jugendlichen selbst. Zum anderen ein erschwerter Eintritt in den Lehrstellenmarkt. Eine Studie mit 1038 Jugendlichen dokumentiert diese Konsequenzen bei unterschiedlichen Schülergruppen. Darüber hinaus erweisen sich Unterschiede in den symbolischen Krediten sowie in den verfügbaren sozialen Ressourcen als strukturierend für den Übergang ins Berufsleben.
Besprechungen
Andreas Flitner
Dietrich Benner/Jürgen Oelkers (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Pädagogik
Jutta Ecarius
Karl Lüscher/Ludwig Liegle: Generationenbeziehungen in Familie und Gesellschaft
Franz Hamburger
Heinz-Hermann Krüger u.a.: Diplom-Pädagogen in Deutschland. Survey 2001
Heinz-Hermann Krüger/Thomas Rauschenbach (Hrsg.): Pädagogen in Studium und Beruf. Empirische Bilanzen und Zukunftsperspektiven
Rudolf Tippelt/Thomas Rauschenbach/Horst Weishaupt (Hrsg.): Datenreport Erziehungswissenschaft 2004
Dokumentation
Pädagogische Neuerscheinungen