Jahrgang 53 – Heft 1 – Januar/Februar 2007
Paul Walter/AchimLeschinsky
Critical thinking und migrationsbedingte Bildungsbenachteiligung
Ein Konzept für die subjektive Auseinandersetzung mit schulstrukturellen Merkmalen?
Nach einem Bericht in der „Zeit“ vom 12.01.06 hält es die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, für vordringlich, „den Sinn für Bildung“ in den Migrantengruppen zu stärken. Diese Forderung lässt sich unterschiedlich deuten, etwa als Aufforderung zur Verstärkung pädagogischer Maßnahmen wie z.B. einer früh einsetzenden Sprachförderung. Wir nehmen dagegen die F orderung zum Anlass, grundsätzlich über Bildungs -orientierungen in der in sich heterogenen Migrantenpopulation nachzudenken. Es wird erkundet, wie sich (bildungserfolgreiche) Migranten mit schulischen Strukturmerkmalen auseinander setzen und wie diese Auseinandersetzung konzeptionell gefasst werden könnte.
Sara Fürstenau
Bildungsstandards im Kontext ethnischer Heterogenität
Erfahrungen aus England und Perspektiven in Deutschland
In dem Beitrag geht es am Beispiel der Erfahrungen in England um die Gefahren und Potenziale von Bildungsstandards und Output-Steuerung im Hinblick auf Chancengleichheit in ethnisch heterogenen Kontexten. Der Blick wird auf das Bildungssystem, auf die Schul- und auf die Unterrichtsebene gerichtet. Es wird aufgezeigt, inwieweit das in England übliche ethnische Monitoring ein vielversprechender Beitrag zum Chancenausgleich ist, während die Bedingungen auf dem freien Bildungsmarkt demAnspruch, allen Schülerinnen und Schülern das Erreichen standardisierter Leistungsziele zu e r möglichen, entgegenwirken. In einem Ausblick wird die Entwicklung von Bildungsstandards in Deutschland vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus England diskutiert.
Klaus Harney/Sascha Koch/Hans-Peter Hochstätter
Bildungssystem und Zweiter Bildungsweg
Formen und Motive reversibler Bildungsbeteiligung
Die Schulen des Zweiten Bildungswegs (Abendschulen, Kollegs) verzeichneten zwischen den 1950er- und den 1970er-Jahren eine wachsende Nachfrage. Seit Mitte der 1970er-Jahre unterliegt das Wachstum wie auch die Nachfrage selbst Sprüngen und Schwankungen. Langfristig sinkt die Wachstumsrate. Die quantitative Veränderung geht mit einer Veränderung der Rahmenbedingungen einher. Schulen für Erwachsene erfüllen die Funktion der lebenslaufbezogenen Neuzuteilung von Bildungschancen. Diese Funktion der Reversibilisierung steht allerdings heute unter spezifischen Vorzeichen: Die Funktion der nachholenden Eliteförderung ist nicht mehr dominant. Sie hat sich zur allgemeinen Funktion einer nicht nur vom Aufstiegsprinzip geprägten, sondern auch mit der Vermeidung sozialer Exklusion verbundenen Chanceneröffnung im Nachhinein entwickelt. Die Veränderung wird anhand der Literatur zur Entwicklung sowie anhand von Daten zur Teilnehmerstruktur des Zweiten Bildungswegs (ZBW) am Fall des Bundeslandes Hessen aufgezeigt.
JoachimTiedemann/Elfriede Billmann-Mahecha
Macht das Fachstudium einen Unterschied?
Zur Rolle der Lehrerexpertise für Lernerfolg und Motivation in der Grundschule
Die vorliegende Grundschulstudie hat zum Ziel, Effekte der Lehrerexpertise auf die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern zu analysieren. Die Lehrerexpertise wurde über das Fachstudium der Lehrkräfte operationalisiert. An einer Stichprobe von 1.126 Grundschulkindern dritter und vierter Klassen wurden die Lernleistungen, der Lernzuwachs, die Lernfreude und die Selbstkonzepte ermittelt. Die Datenauswertung erfolgte mittels Mehrebenenanalysen. Das Fachstudium der Lehrkraft zeigte keinen positiven Effekt auf den Lernzuwachs in der Rechtschreibleistung und in der Mathematik sowie auf das Niveau der Lesekompetenz. Auch die Motivation der Schulkinder erwies sich als vom Fachstudium der Lehrkraft unabhängig. Die Studie liefert einen Beitrag zur Frage nach den Kontextbedingungen der Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung imGrundschulalter.
Felicitas Thiel
Profession als Lebensform
Entwürfe des neuen Lehrers nach 1900
In den beruflichen Selbstverständigungsdebatten der Volksschullehrer wurde nach 1900 ein Bild vom neuen Lehrer konstruiert, an dem wichtige Vertreter der Reformpädagogik maßgeblich mitzeichneten. Zwei Reformmilieus profilierten dieses Bild des neuen Lehrers in unterschiedlicher Weise: das Milieu der Kunsterzieher und Persönlichkeitspädagogen im Entwurf des Lehrer-Künstlers und das Milieu der Jugendbewegung und der Gemeinschaftsschulen im Entwurf des Lehrer-Führers. Beide Entwürfe des neuen Lehrers waren für viele Volksschullehrer quasi-ideale Bezugspunkte für die Interpretation ihrer Aufgabe und übernahmen eine Orientierungsfunktion für die Entwicklung eines kollektiven beruflichen Selbstbildes. Durch die akademische Pädagogik als Lebensform geadelt, fand der neue Lehrer auch seinen Niederschlag im Ausbildungsprogramm der Pädagogischen Akademien.
Hannele Niemi
Equity and good learning outcomes
Reflections on factors influencing societal, cultural and individual levels. The Finnish perspective
Learning has been acknowledged lately in Europe as the very core of economic development (e.g. Conçeicao/Heitor/Lundwall 2003; Cochinaux/de Woot 1995, p. 52; Schleicher 2006). A strong optimistic trust has been placed in the power of knowledge and learning. Learning and the acquisition of competence and skills are seen as the most important tools for achieving individual or organisational goals of welfare. Learning and empowerment through learning are also considered as key tools in promoting democracy in society. What do equity and equal opportunities mean in education? How can equity be combined with high-quality performance? We may ask what characteristics an education system has when it combines equity with good learning outcomes. Relations between good learning outcomes and equity are very complex and multifaceted. We have evidence that there is a very clear correlation between high educational outcomes and the welfare of society. However, serious problems in reaching all people with learning opportunities still exist. We see that exclusion is growing (OECD 2003; 2004; 2005; 2006) in connection with the global economy. In my article I will elaborate how good learning outcomes and equity are related and how these are connected with larger societal trends. At the end of my article I will refer to Finnish experiences related to equity and learning outcomes.
Deutscher Bildungsserver
Linktipps zu den Artikeln
Martin Rothland
Was von der Erziehungswissenschaft übrig bleibt. Eine Sammelbesprechung neuerer Veröffentlichungen
Ludwig Liegle
Martin Buber: Schriften zu Jugend, Erziehung und Bildung
Philipp Schäffler
Karl-Heinz Ehrenforth: Geschichte der musikalischen Bildung
Michael-Sebastian Honig
Jürgen Reyer: Einführung in die Geschichte des Kindergartens und der Grundschule
Wolf-Dietrich Bukow
Ingrid Gogolin/Marianne Krüger-Potratz: Einführung in die interkulturelle Pädagogik
Marianne Krüger-Potratz: Interkulturelle Bildung
Cristina Allemann-Ghionda: Einführung in die Vergleichende Erziehungswissenschaft
Klaus Harney
Rolf Arnold/Philipp Gonon: Einführung in die Berufspädagogik
Pädagogische Neuerscheinungen