Franz Hamburger/Jürgen Oelkers
Einleitung in den Thementeil
Jürgen Oelkers
Demokratisches Denken in der Pädagogik
Demokratisches Denken ist älter als die Pädagogik als Disziplin. Der Artikel geht aus von Montesquieus Zuordnung von Regierungs- und Erziehungsformen. Im Anschluss daran werden Ansätze für demokratisches Denken in dissidenten Gruppen und alternativen Lebensformen untersucht, die eine Demokratie von unten angestrebt haben. Konzepte der demokratischen Erziehung entstehen im Laufe des 19. Jahrhunderts. Das Testfeld dafür sind die Vereinigten Staaten, also die erste moderne Demokratie. Dargestellt werden verschiedene Stationen und Ansätze demokratischer Pädagogik. Am Ende der Entwicklung steht die Diskussion von Kinderrechten, die Prinzipien der Egalität nicht länger auf Erwachsene beschränken.
Sven Steinacker/Heinz Sünker
Politische Kultur, Demokratie und Bildungspraxis in Deutschland. Mitverwaltung – Selbstbestimmung – Partizipation oder „1968“ im Kontext von Geschichte
Im Zentrum des Beitrags steht die Frage nach den komplexen Vermittlungen zwischen gesellschaftlichen Machtverhältnissen, politischer Kultur und institutionalisierter Bildung (innerhalb und außerhalb des Schulsystems). Vor dem Hintergrund einer in weiten Teilen konservativen und undemokratischen Traditionen verhafteten, im Nationalsozialismus kulminierenden und auch nach der Befreiung überwiegend an restaurativen Leitbildern orientierten Entwicklung werden die bildungspolitischen Initiativen der Jahre 1968ff. als Versuche zur Freisetzung von emanzipatorischen Potentialen einer demokratischen politischen Kultur interpretiert. Exemplarisch werden Konzepte kritischer Bildung benannt, die pädagogisches Handeln (im weitesten Sinne) als Mittel der Emanzipation in den Mittelpunkt stellten und mit weitreichenden Vorstellungen gesellschaftlicher Veränderung verbanden.
Thomas W. Coelen
Partizipation und Demokratiebildung in pädagogischen Institutionen
Familien, Kindergärten, Vereine/Verbände, Offene Jugendeinrichtungen und Schulen sowie weitere pädagogische Institutionen tragen auf ihre je spezifische Weise mehr oder weniger zur Bildung von demokratischen Subjekten bei. Dabei begünstigen oder erschweren die jeweiligen institutionellen Strukturen die Grade und Formen von Mitbestimmung für ihre Adressat/innen sowie damit korrespondierende Bildungsprozesse.
Deshalb kann Pädagogik in kapitalistisch-demokratischen Gesellschaften nicht in einer einzigen Institution gelingen. Sondern nur das – ggf. komplementäre – „interplay with other forms of associations“ (Dewey) birgt Chancen für eine demokratische Identitätsbildung.
Hartmut Ditton
Wie viel Ungleichheit durch Bildung verträgt eine Demokratie?
Dass Bildungsungleichheit in den letzten Jahren zunehmende Aufmerksamkeit erfährt, erscheint auf Grund der zentralen Bedeutung, die Bildung für gesellschaftliche Teilhabe in modernen Demokratien hat, nicht überraschend. Dennoch stellt sich die Frage, worauf unterschiedliche Zyklen in der Intensität des politischen und öffentlichen Problembewusstseins zurückzuführen sein könnten. Es wird argumentiert, dass das Thema in einem umfassenderen gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang gesehen werden muss. Von daher erscheinen auch die gegenwärtigen Hoffnungen, durch spezifische bildungspolitische Reformen gravierende Veränderungen bewirken zu können, nicht zwangsläufig überzeugend.
Martin Giese
Der Erfahrungsbegriff in der Didaktik – eine semiotische Analyse
Der Erfahrungsbegriff ist in erziehungswissenschaftlichen Diskursen omnipräsent. Trotzdem fehlt es bis dato an einer einheitlichen Theorie der Erfahrung, die allgemeinverbindliche Grundlage einer erfahrungsorientierten Unterrichtspraxis wäre. Es existiert i.d.S. eine merkwürdige Diskrepanz zwischen der prosperierenden Verwendung des Begriffs und seiner theoretischen bzw. unterrichtsrelevanten Aufarbeitung.
Ohne – mit der Struktur des Basisphänomens inkommensurablen – erfahrungsorientierten Machbarkeitsillusionen das Wort zu reden, soll gezeigt werden, wie eine semiotische Analyse der Erfahrung helfen kann, eine konsistente und vor allem anthropologisch fundierte Theorie der Erfahrung zu formulieren, die auch die Frage nach der Genese von Erfahrungen beantwortet. Erfahrung wird dazu als überdauernde Bewusstseinsleistung Schwemmerscher Lesart verstanden.
Stephan Schumann
Motivationsförderung durch problemorientierten Unterricht? Überlegungen zur motivationstheoretischen Passung und Befunde aus dem Projekt APU
Der Beitrag befasst sich auf der Grundlage der Selbstbestimmungstheorie und der Pädagogischen Interessentheorie mit der Unterstützung der Lernmotivation in problemorientierten Lernumgebungen. Die Gestaltungsmerkmale solcher Unterrichtskonzepte weisen insbesondere mit den durch die Selbstbestimmungstheorie postulierten motivationsförderlichen Bedingungen Übereinstimmungen auf. Für die im Schuljahr 2006/07 in sieben schweizerischen Gymnasien implementierte problemorientierte Lernumgebung APU zeigen sich jedoch im Rahmen einer quasi-experimentellen Studie mit drei Messzeitpunkten (N = 371) für die motivationsförderlichen Bedingungen keine Effekte und für die Entwicklung des Interesses und der intrinsischen Motivation sogar negative Wirkungen.
Uwe Maier
Effekte testbasierter Rechenschaftslegung auf Schule und Unterricht – Ist die internationale Befundlage auf Vergleichsarbeiten im deutschsprachigen Raum übertragbar?
Ausgehend von der Annahme, dass es ein internationales Grundmuster testbasierter Rechenschaftslegung gibt, werden in diesem Artikel internationale Befunde empirischer Forschung zu Effekten zentraler Tests zusammengefasst und geordnet.
Die Literaturübersicht zeigt, dass extrem negative Konsequenzen vor allem mit der funktionellen Einbettung testbasierter Rechenschaftslegung in Ländern wie den USA oder England zusammenhängen. Darüber hinaus gibt es allerdings auch Studien, die auf die relative Bedeutungslosigkeit innovativer, zentraler Tests für die Unterrichtsentwicklung aufmerksam machen. Ein Forschungszweig, der im deutschsprachigen Raum noch zu wenig rezipiert wurde. Auch internationale Forschungsberichte zur Rezeption und Nutzung zentraler Leistungsrückmeldungen auf Schulebene könnten instruktiv für die Implementation von Vergleichsarbeiten sein. Abschließend wird erörtert, welche forschungsmethodologischen Implikationen sich für Wirkungs- und Rezeptionsstudien ergeben.
Walter Hornstein
Tanja Betz: Ungleiche Kindheiten: Theoretische und empirische Analysen zur Sozialberichterstattung über Kinder
Walter Herzog
Manfred Lüders/Jochen Wissinger (Hrsg.): Forschung zur Lehrerbildung. Kompetenzentwicklung und Programmevaluation
Michaela Gläser-Zikuda/Jürgen Seifried (Hrsg.): Lehrerexpertise. Analyse und Bedeutung unterrichtlichen Handelns
Petra Gruner
Helmut Köhler (unter Mitarbeit von Thomas Rochow): Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte. Band IX: Schulen und Hochschulen in der Deutschen Demokratischen Republik 1949–1989
Hans-Ulrich Grunder
Peter Dudek: „Versuchsacker für eine neue Jugend“. Die Freie Schulgemeinde Wickersdorf 1906–1945
Sascha Koch
Stefanie Hartz/Josef Schrader (Hrsg.): Steuerung und Organisation in der Weiterbildung
Pädagogische Neuerscheinungen