Thementeil: Erziehungswissenschaftliche Grenzgänge

Cristina Allemann-Ghionda/Hans-Rüdiger Müller
Erziehungswissenschaftliche Grenzgänge.
Einführung in den Thementeil

Hans-Christoph Koller
Grenzsicherung oder Wandel durch Annäherung. Zum Spannungsverhältnis zwischen Bildungstheorie und empirischer Bildungsforschung

Der Artikel untersucht vor dem Hintergrund der Debatte über das Verhältnis von Bildungstheorie und empirischer Bildungsforschung, 1. was dabei auf dem Spiel steht, 2. was unter Bildungstheorie bzw. empirischer Bildungsforschung verstanden wird und welche Stärken und Schwächen den beiden Ansätzen jeweils zugeschrieben werden, 3. wie das Verhältnis beider Ansätze beschaffen ist bzw. beschaffen sein sollte und 4. welche Versuche einer Verknüpfung von Bildungstheorie und empirischer Bildungsforschung es gibt. Dabei wird die These vertreten, dass eine strikte Grenzziehung zwischen beiden Richtungen unproduktiv und stattdessen eine Verbindung von bildungstheoretischer Reflexion und empirischer Forschung unter wechselseitiger Anerkennung der Differenzen wünschenswert sei.


Ewald Terhart
„Bildungswissenschaften“: Verlegenheitslösung, Sammelkategorie, Kampfbegriff?

Aufgrund der gewachsenen Bedeutung des Themas „Bildung“ und bedingt durch die Intensivierung der Bildungsforschung ist eine zunehmend häufigere Verwendung des Begriffs „Bildungswissenschaften“ zu konstatieren. Dies findet z.B. seinen Ausdruck in einer entsprechenden Bezeichnung neuer Studiengänge, Fakultäten, Instituten und Lehrstühlen. In dem Aufsatz wird zunächst die Karriere von „Bildungswissenschaften“ skizziert. Im Hauptteil werden verschiedene Varianten des Begriffsgebrauchs von „Bildungswissenschaften“ unterschieden. Diese Varianten beziehen sich jeweils auf unterschiedliche Kontexte und sind in wissenschaftssystematischer und –methodischer Hinsicht mit unterschiedlichen Implikationen und Konsequenzen verbunden, die verdeutlicht werden. Im abschließenden Teil wird die Auseinandersetzung um „Bildungswissenschaften“ als Beispiel für durchaus übliche Debatten über Grenzen und Zuständigkeiten in und zwischen (Teil-)Disziplinen betrachtet.


Annette Müller
Religiöse Pluralität und Schule. Ein erziehungswissenschaftlicher Grenzgang zwischen Normativität und Neutralität

Sowohl in der Interkulturellen Pädagogik als auch in der Religionspädagogik wird religiöse Pluralität berücksichtigt. Während die Interkulturelle Pädagogik als erziehungswissenschaftliche Disziplin hier dem Postulat der Neutralität folgt, steht in der Religionspädagogik die Normativität im Zentrum. Nach einer Einführung in das Ausmaß religiöser Pluralität in der deutschen Gesamtgesellschaft wirft der vorliegende Beitrag einen Blick in die Interkulturelle Pädagogik und in die Religionspädagogik. Die hier gewonnenen Einsichten werden dann verglichen, in einer multi- und interdisziplinären Weise zusammengeführt und vor dem Hintergrund schulischer Bildung diskutiert.


Hans-Rüdiger Müller/Dominik Krinninger/Simone Bahr/Dorothee Falkenreck/Martin Lüders/Hanno Su
Erziehung und Bildung in der Familie: Pädagogische Grenzgänge in einem interdisziplinären Forschungsfeld

Der Beitrag erörtert am Beispiel eines Forschungsprojektes zu Erziehung und Bildung in der Familie, welche Anregungen sich erziehungswissenschaftlicher Theorie und Empirie durch eine interdisziplinäre Ausrichtung eröffnen, und weist zugleich auf die Notwendigkeit einer pädagogischen Transformation des aus anderen Disziplinen eingeführten Wissens hin. Es werden drei pädagogische Kernkategorien zu familialen Praxisformen und ihrer kulturellen Relationalität im Kontext verwandter Konzepte der Entwicklungspsychologie und Soziologie theoretisch und anhand eines exemplarischen Materialausschnitts erläutert.


Allgemeiner Teil

Kathrin Dedering
Schulinspektion als wirksamer Weg der Systemsteuerung?

Die Einführung der Schulinspektion als Instrument eines neuen Steuerungsmodells wird von der Hoffnung flankiert, durch Qualitätssteigerungen eine bessere Schule zu befördern. Der Beitrag überprüft die Realisierung dieser Wirkungshoffnung mittels eines systematischen Vergleichs der für die Inspektionsverfahren Englands, der Niederlande und Deutschlands vorliegenden empirischen Evidenzen. Er berücksichtigt damit drei hinsichtlich ihrer Steuerungsphilosophie und Inspektionsverfahren unterschiedliche Länderkontexte und endet mit der als Arbeitshypothese formulierten Annahme, dass eine weniger stark an Wettbewerb ausgerichtete Steuerungsphilosophie und primär an der Zielsetzung der Initiierung/Unterstützung schulischer Qualitätsentwicklung orientierte Inspektionsverfahren positive Steuerungseffekte bedingen.


Irmela Blüthmann/Steffen Lepa/Felicitas Thiel
Überfordert, Enttäuscht, Verwählt oder Strategisch? Eine Typologie vorzeitig exmatrikulierter Bachelorstudierender

In diesem Artikel wird eine Typologie exmatrikulierter Bachelorstudierender anhand ihrer subjektiven Exmatrikulationsgründe entwickelt. Datengrundlage für die durchgeführte Clusteranalyse bildet eine Befragung der ohne Abschluss exmatrikulierten Bachelorstudierenden (Abbrecher und Hochschulwechsler) an der Freien Universität Berlin im Sommersemester 2007 (n=375). Die vier identifizierten Cluster beschreiben deutlich unterschiedliche Problemlagen und wurden entsprechend mit den Begriffen „überfordert“ (25%), „enttäuscht“ (18%), „verwählt“ (36%) und „strategisch Wechselnd“ (21%) bezeichnet. Die Ergebnisse werden im Vergleich mit Typologien von Abbrechern aus den früheren Diplom-, Magister- und Staatsexamensstudiengängen diskutiert, es wird die Verteilung der vier Typen auf die Fächergruppen dargelegt und es werden entlang der jeweiligen Problemlagen Interventionsmöglichkeiten zur Reduzierung der Exmatrikuliertenquote diskutiert.


Manfred Lüders
Der Unterrichtsbegriff in pädagogischen Nachschlagewerken. Ein empirischer Beitrag zur disziplinären Entwicklung der Schulpädagogik

Der Beitrag befasst sich mit der Frage, inwiefern es der Schulpädagogik bei der Bearbeitung ihrer zentralen Themen bisher gelungen ist, sich von den praktischen Belangen der Lehrerprofession zu distanzieren und spezifische, durch Theorien und empirische Forschungen bestimmte Sichtweisen durchzusetzen. Speziell am Beispiel des Unterrichtsbegriffs wird untersucht, ob eine Umstellung von einem eher professionsbezogenen auf einen durch wissenschaftliche Theorien begründeten, disziplinären Gebrauch dieses Begriffs nachweisbar ist. Gegenstand der Untersuchung sind Darstellungen des Unterrichtsbegriffs in pädagogischen Nachschlagewerken zwischen 1949 und 2007. Die Befunde sind sowohl für die Erziehungswissenschaft als auch für die empirische Wissenschaftsforschung bedeutsam: Jener zeigen sie, dass die Schulpädagogik konstant an einem für wissenschaftliche Disziplinen untypischen, praxisnahen Verständnis des Unterrichtsbegriffs festhält. Dieser machen sie deutlich, dass die Vermessung einer Disziplin über die Erhebung allgemeiner Wissenschaftsindikatoren hinaus auf inhaltliche Analysen der relevanten Kommunikation angewiesen ist.


Besprechungen

Jörg Fischer
Hans Merkens: Neoinstitutionalismus in der Erziehungswissenschaft

Hans-Joachim von Olberg
Ewald Kiel/Klaus Zierer (Hrsg.): Geschichte der Unterrichtsgestaltung

Robert Schneider
Eva Matthes: Geisteswissenschaftliche Pädagogik. Ein Lehrbuch

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen