Zeitschrift für Pädagogik - Inhaltsverzeichnis
Jahrgang 50 – Heft 2 – März/April 2004
Felix Rauner/Rainer Bremer
Bildung im Medium beruflicher Arbeitsprozesse. Die berufspädagogische Entschlüsselung beruflicher Kompetenzen im Konflikt zwischen bildungstheoretischer Normierung und Praxisaffirmation
Der Beitrag setzt sich mit der in der Berufspädagogik verbreiteten intellektualistischen Legende auseinander, nach der das berufstheoretische Fachwissen – prozedural gewendet – berufliches Können begründen können soll. Dagegen wird kritisch eingewandt, dass in der beruflichen Bildung für einen gelingenden Kompetenzaufbau hauptsächlich entwicklungstheoretisch fassbare Bildungsprozesse notwendig sind, die auf mehr basieren als der Adaption systematisch organisierten Wissens. Wer sich beruflich entwickelt, tut dies an solche Entwicklung eben herausfordernden Aufgaben. Die Frage, wie sich Kompetenzen entschlüsseln lassen, ist damit zugleich die nach den Domänen kompetenten beruflichen Handelns; die Frage nach der Entstehung von Kompetenzen somit eine, die die Systematisierung beruflicher Bildungsgänge und ihre Evaluierung an die Domänen beruflicher Arbeit zurückbindet. Das begründet eine arbeitsorientierte Wende in der Didaktik beruflicher Bildung und eröffnet zugleich ein weites Feld für die empirische Berufsbildungsforschung.
Rainer Bremer/Bernd Haasler
Analyse der Entwicklung fachlicher Kompetenz und beruflicher Identität in der beruflichen Erstausbildung
Das zentrale Ausbildungsziel beruflicher Erstausbildungen besteht darin, Auszubildende in die Lage zu versetzen, jetzige und künftige berufliche Anforderungen erfolgreich bewältigen zu können. Mit größtenteils abstrakten Aufgaben, Multiple-Choice-Fragen und systematisierten Arbeitsproben, die das Prüfungswesen einsetzt, kann wenig gehaltvolles über die Kompetenzentwicklung ausgesagt werden. In einem Modellvorhaben wurde eine Evaluationsmethode entwickelt, die mittels beruflicher Entwicklungsaufgaben die Kompetenzentwicklung der Auszubildenden erfasst und bewertet. Die Untersuchungsergebnisse erlauben einen fundierten Einblick in die Kompetenzentwicklung und die Herausbildung beruflicher Identität von Auszubildenden. Im Längsschnitt über den gesamten Ausbildungsverlauf konnten kritische Schwellen, Stufen und Übergänge, die berufliche Entwicklungen Auszubildender maßgeblich beeinflussen, identifiziert werden.
Martin Fischer/Peter Röben
Arbeitsprozesswissen im Fokus von individuellem und organisationalem Lernen. Ergebnisse aus Großbetrieben in vier europäischen Ländern
Der Beitrag stellt dar, welche Bedeutung Lernen im Medium beruflicher Arbeitsprozesse besitzt, wenn Betriebe Maßnahmen so genannten organisationalen Lernens ergreifen. Auf Basis einer Literaturstudie wurden Kriterien organisationalen Lernens entwickelt und sowohl in eine qualitative als auch in eine quantitative empirische Erhebung umgesetzt, an der sich wissenschaftliche Institute und Großbetriebe der chemischen Industrie aus Belgien, Deutschland, Italien und England beteiligt haben. Der gemeinsame Nenner in allen vier Untersuchungsbetrieben besteht in dem Versuch, die Entwicklung und Aneignung von Arbeitsprozesswissen aufseiten der Mitarbeiter zu stimulieren, dieses Wissen zu evaluieren, zu dokumentieren und in der Organisation zu verbreiten. Dieser Versuch wird von den Mitarbeitern mitgetragen und honoriert; offen bleibt jedoch die Frage nach der berufsbiografischen Bedeutung organisationalen Lernens.
Katharina Maag Merki
Überfachliche Kompetenzen als Ziele beruflicher Bildung im betrieblichen Alltag
Trotz der Bedeutsamkeit, die den überfachlichen Kompetenzen in der beruflichen Bildung zugewiesen wird, ist relativ wenig empirisch untersucht, inwiefern der berufliche Alltag als fördernde Umwelt zur Entwicklung dieser Kompetenzen zu interpretieren ist. Eine Studie in der Schweiz ermöglicht zu analysieren, in welchem Zusammenhang arbeitsplatzspezifische Merkmale mit den überfachlichen Kompetenzen junger Erwachsenen stehen und inwiefern sich berufsfeldspezifische Unterschiede abzeichnen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass der betriebliche Alltag einen bedeutenden Faktor in Bezug auf die Förderung von überfachlichen Kompetenzen darstellt, wobei mit berufsfeldspezifischen Unterschieden zu rechnen ist.
Allgemeiner Teil
Tina Hascher/Jürg Baillod/Silke Wehr
Feedback von Schülerinnen und Schülern als Quelle des Lernprozesses im Praktikum von Lehramtsstudierenden
Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern zum Unterricht nehmen eine wichtige Rolle zur Verbesserung der Unterrichtsqualität ein. Während der Ausbildung von Lehrpersonen wird dieses Potenzial bisher aber selten genutzt. Der Beitrag stellt Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Lernen im Praktikum“ vor. Befragt wurden 150 Studierende des Lehramts für 7.-9. Klassen (Sekundarstufe 1) zur Bedeutung von Schülerrückmeldungen im Praktikum sowie 1331 Schülerinnen und Schüler aus Praktikumsklassen zum Praktikum und zum Lernprozess der Praktikantinnen und Praktikanten. Die Ergebnisse unterstützen einerseits die Relevanz systematischer Schülerrückmeldungen für das Lernen im Praktikum. Andererseits machen sie auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Kriterien, die Schülerbeurteilungen zugrunde liegen, weiter zu erforschen.
Klaus Beck/Kerstin Parche-Kawik
Das Mäntelchen im Wind? Zur Domänespezifität moralischen Urteilens
Die weltweit viel beachtete und anerkannte Theorie zur Entwicklung der moralischen Urteilskompetenz von L. Kohlberg stößt in der Konfrontation mit der empirisch erfassten Realität auf Anomalien, die sie nicht zu absorbieren vermag. Der vorliegende Beitrag beschreibt und analysiert den Sachverhalt, dass ein Individuum zu einem gegebenen Zeitpunkt moralische Urteile fällt, die – gegen die theoretische Erwartung – nicht in ein und demselben Prinzip fundiert sind. Angesichts dieses Befundes wird erörtert, welche Theoriemodifikationen erforderlich wären, um die Realität der moralischen Urteilsbildung angemessen zu modellieren.
Sebastian Manhart/Dirk Rustemeyer
Die Form der Pädagogik. Der Schematismus „Bildung – Hilfe“ als Differenzial pädagogischer Expansion
Der Artikel beschreibt mittels einer feldtheoretisch erweiterten systemtheoretischen Perspektive begriffliche und praktische Formen, mit deren Hilfe sich das pädagogische Dispositiv auf den drei Ebenen von Disziplin, Profession und gesellschaftlicher Systembildung etabliert und expandiert. Das Begriffspaar „Bildung“ – „Hilfe“ dient als Instrument zur Analyse theoretischsemantischer wie praktischer Formen des Umgangs mit Kontingenz im Blick auf Personenveränderung. Es wird ein Beschreibungsraster entwickelt, der vergleichende Analysen unterschiedlicher Teildisziplinen, Professionen und Praxisfelder in Bezug auf ihre Reflexionstheorien wie auf ihre Handlungslogiken ermöglicht.
Margret Kraul
Klaus-Peter Horn/Heidemarie Kemnitz (Hrsg.): Pädagogik Unter den Linden. Von der Gründung der Berliner Universität im Jahre 1810 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts
Rolf G. Göppel
Lutz Wittenberg: Geschichte der Individualpsychologischen Versuchsschule in Wien. Eine Synthese aus Reformpädagogik und Individualpsychologie
Martina Koch
Christoph Wulf/Birgit Althans/Kathrin Audehm/Constanze Bausch/Michael Göhlich/Stephan Sting/Anja Tervooren/Monika Wagner-Willi/Jörg Zirfas: Das Soziale als Ritual. Zur performativen Bildung von Gemeinschaften
Ursula Hoyningen-Süess
Aiga Stapf: Hochbegabte Kinder. Persönlichkeit, Entwicklung, Förderung
Pädagogische Neuerscheinungen