Zeitschrift für Pädagogik — Inhaltsverzeichnis

Jahrgang 51– Heft 2 – Januar/Februar 2005

Thementeil: Aufwachsen in Armut – Belastungen und Belastungsbewältigung

Roland Merten
Aufwachsen in Armut – Belastungen und Belastungsbewältigung.
Einführung in den Thementeil

Christian Palentien
Aufwachsen in Armut – Aufwachsen in Bildungsarmut.
Über den Zusammenhang von Armut und Schulerfolg

Noch bis zum Ende der Siebzigerjahre wurde in Deutschland, wie auch in vielen anderen westlichen Industriestaaten, von der Vorstellung ausgegangen, Kinder- und Jugendarmut sei ausschließlich ein Phänomen, das in den so genannten Entwicklungsländern vorkomme. Erst heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass in den letzten Jahrzehnten in zahlreichen westlichen Industrieländern eine Infantilisierung der Armutspopulation stattgefunden hat. Im Mittelpunkt des folgenden Beitrags steht diese Zunahme des Anteils der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen an der Bevölkerung und ihre Auswirkung auf den Bereich der Bildung. Nach einem kurzen Überblick über die Situation der Verbreitung von Armut wird gefragt, wie sich Armut von Kindern und Jugendlichen in den Bereichen der schulischen Bildung sowie der beruflichen Ausbildung auswirkt und welche Rolle der Schule heute bei ihrer Verfestigung zukommt. Gezeigt wird, dass es trotz zahlreicher bildungspolitischer und pädagogischer Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht gelungen ist, die Chancen benachteiligter Kinder aufgrund ihres familialen Hintergrunds, zu verbessern.

Sabine Walper
Tragen Veränderungen in den finanziellen Belastungen von Familien zu Veränderungen in der Befindlichkeit von Kindern und Jugendlichen bei?

Empirische Studien dokumentieren, dass Armut Risiken für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit sich bringt. Nur selten werden allerdings solche Effekte über die Zeit verfolgt. Dieser Beitrag untersucht anhand längsschnittlicher Daten, die im Jahresabstand erhoben wurden, wie Kinder und Jugendliche die finanzielle Situation ihrer Familie einschätzen und ob Veränderungen in der perzipierten ökonomischen Deprivation mit entsprechenden Veränderungen ihrer Befindlichkeit einhergehen. Verglichen werden Familien mit (a) stabil nicht deprivierter Einkommenslage, (b) neu eingetretener ökonomischer Deprivation, (c) stabil deprivierter Einkommenslage und (d) Austritt aus der Deprivation. Die Befunde sprechen für synchrone Veränderungen der Befindlichkeit seitens betroffener Kinder und Jugendlicher, wobei allerdings nicht in allen Bereichen „Erholungseffekte“ nach Austritt aus der finanziellen Problemlage zu beobachten sind.

Corina Wustmann
Die Blickrichtung der neueren Resilienzforschung.
Wie Kinder Lebensbelastungen bewältigen

Immer wieder ist das Phänomen ersichtlich, dass sich einige Kinder trotz widrigster Lebensumstände erstaunlich positiv und kompetent entwickeln. Was diese Kinder derart „stark“ macht, dass sie Lebensbelastungen wie Armut, Arbeitslosigkeit der Eltern oder Migration so erfolgreich meistern können, und wie wir Kinder darin unterstützen können, solche entscheidenden Bewältigungskompetenzen zu entwickeln, wird in jüngster Zeit unter dem Begriff „Resilienz“ lebhaft diskutiert. Ziel der Resilienzforschung ist es, ein besseres Verständnis darüber zu erlangen, welche Bedingungen psychische Gesundheit und Stabilität bei Kindern, die besonderen Entwicklungsrisiken ausgesetzt sind, erhalten und fördern. Das Resilienz-Paradigma impliziert damit einen Perspektivenwechsel: weg von dem traditionellen Defizit-Ansatz hin zu einem Kompetenz- bzw. ressourcenorientierten Ansatz.

Thomas Gabriel
Resilienz – Kritik und Perspektiven

Der Begriff der Resilienz umschreibt die menschliche Widerstandsfähigkeit gegenüber belastenden Lebensumständen und stellt somit einen positiven Gegenbegriff zur Vulnerabilität dar. Aus der hier entwickelten Perspektive erscheint das Wissen um diese relative „Unverletzbarkeit“ als eine fruchtbare Ergänzung zu vorliegenden Wissensbeständen über Risikofaktoren in Sozialisations- und Erziehungsprozessen. Anhand ausgewählter empirischer Studien wird das Konzept der Resilienz zugleich entmythologisiert. Nach Forschungslage sind resiliente Individuen nicht aus sich selbst heraus widerstandsfähig. Resilienz ist primär als das Produkt protektiver Faktoren zu verstehen, die individuelle Entwicklung im sozialen Nahraum begleiten.

Allgemeiner Teil

Daniel Tröhler
Geschichte und Sprache der Pädagogik

Der Beitrag weist die Fruchtbarkeit der methodologischen Impulse aus dem so genannten linguistic turn für die Erziehungswissenschaft nach. Im Zentrum steht dabei die Analyse von „Sprachen“, welche Überzeugungen, Fragestellungen, Argumenten und Forschungsdesigns von Untersuchungen zu Grunde liegen. Am Beispiel der geisteswissenschaftlichen Pädagogik wird auf die basalen Dualismen von Innen und Außen, von Geist und Materie sowie von Einheit und Vielheit verwiesen, welche nicht nur das systematische Denken, sondern auch dazu ‚passende‘ Geschichtskonstruktionen bestimmen. Am Beispiel der Debatte über die Auslandsreisen jugendlicher Männer im 18. Jahrhundert wird sodann ‚archäologisch‘ die dazu alternative, aber bisher verdrängte Sprache des Republikanismus ‚ausgegraben‘, die nicht von ontologischen Dualismen ausgeht, sondern von empirischen Faktoren. Am Schluss wird die These aufgestellt, der amerikanische Pragmatismus sei eine Weiterentwicklung der „Sprache“ des klassischen Republikanismus unter den Bedingungen der Moderne, die sich für eine demokratische Gesellschaft besser eigne als die dualistische „Sprache“ der geisteswissenschaftlichen Pädagogik.

Diether Hopf
Zweisprachigkeit und Schulleistung bei Migrantenkindern

Nach wie vor ist die Frage unbeantwortet, wie Schule und Unterricht mit den Herkunftssprachen und der Verkehrssprache bei Schülern mit Migrationshintergrund umgehen sollten. Im vorliegenden Aufsatz wird der Stand der hierauf bezogenen Forschung methodenkritisch bewertet. Es zeigt sich, dass den Herkunftssprachen – entgegen der verbreiteten Ansicht – keine fördernde Funktion für das Erlernen der Verkehrssprache zukommt. Weiterreichende Untersuchungen zum schulischen Lernen werden auf ihre Relevanz befragt sowie Schlussfolgerungen für die schulische Praxis und die künftige Forschung zur Diskussion gestellt.

Diskussion: Standards in der Lehrerbildung

Walter Herzog
Müssen wir Standards wollen?
Skepsis gegenüber einem theoretisch (zu) schwachen Konzept

Sabine Reh
Die Begründung von Standards in der Lehrerbildung.
Theoretische Perspektiven und Kritik

Fritz Oser
Schrilles Theoriegezerre, oder warum Standards gewollt sein sollen.
Eine Replik auf Walter Herzog

Ewald Terhart
Standards für die Lehrerbildung – ein Kommentar

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland
Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften

Besprechungen

Heinz-Elmar Tenorth
Otto Hansmann: Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) / Hartmut von Hentig: Rousseau oder Die wohlgeordnete Freiheit / Alfred Schäfer: Jean-Jacques Rousseau. Ein pädagogisches Porträt

Kurt Kreppner
Heinz Kindler: Väter und Kinder – Langzeitstudien über väterliche Fürsorge und die sozioemotionale Entwicklung von Kindern

Andreas Pfister
Anne Fehlberg: Sozialarbeit in der Stricher-Szene. Über die Situation von Strichern und mögliche Handlungskonzepte am Beispiel von Stricherprojekten

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen