Jahrgang 53 – Heft 2 – März/April 2007
Eckhardt Fuchs/Jürgen Schriewer
Einführung in den Thementeil
Eckhardt Fuchs
Internationale Nichtregierungsorganisationen als Global Players. Zur Herausbildung der transnationalen Zivilgesellschaft am Beispiel der Kinderrechtsbewegung
An politikwissenschaftliche Forschungen zu nichtstaatlichen Organisationen als zentralen Akteuren einer transnationalen Zivilgesellschaft anknüpfend, werden in einem historischen Überblick jene Organisationen untersucht, die die Kinderrechtsbewegung seit dem 19. Jahrhundert maßgeblich geprägt haben. Dabei geht es primär um deren Rolle im Prozess der Normentwicklung, -diffusion und -implementierung und weniger um eine inhaltliche Analyse dieser Rechte. Es wird argumentiert, dass die Generierung und Ausbreitung von Kinderrechten und deren weltweite Standardisierung von der Existenz von INGOs und transnationalen Netzwerken und deren Einfluss auf das internationale Politikregime abhängt.
Anja P. Jakobi
Die Bildungspolitik der OECD. Vom Erfolg eines scheinbar machtlosen Akteurs
Im Mittelpunkt dieses Artikels stehen die bildungspolitischen Aktivitäten der OECD, ihre Instrumente und ihr Erfolg. Aufbauend auf dem neo-institutionalistischen Ansatz der „Weltkultur“ werden der Einfluss der OECD theoretisch konzeptionalisiert und mögliche Steuerungsinstrumente internationaler Organisationen genannt. Es wird in der Darstellung deutlich, dass die OECD kaum über direkte Steuerungsmechanismen wie die Möglichkeit der Regulierung verfügt, aber vor allem mit diskursiven Instrumenten wie Überzeugung arbeitet. Dies wird am Beispiel „Lebenslanges Lernen“ exemplifiziert: Die Aktivitäten der Organisation werden beschrieben, im Hinblick auf die verwendeten Instrumente analysiert und Effekte gemessen. Es zeigt sich dabei, dass die neo-institutionalistische Annahme eines großen Einflusses internationaler Organisationen auf nationale Politik gerechtfertigt ist.
Jürgen Schriewer
„Bologna“ – ein neu-europäischer „Mythos“?
Thema des Artikels sind der so genannte Bologna-Prozess und die mit ihm in Gang gesetzte, historisch beispiellose Diffusion eines abstrakten Modells für die Neuordnung und europaweite Harmonisierung von Studienstrukturen und Hochschulabschlüssen. Dieser Vorgang wird als europäischer Sonderfall von Prozessen der weltgesellschaftlichen Verflechtung und Angleichung im Bildungsbereich begriffen. Insofern macht sich der Artikel Einsichten und Begriffsmittel entsprechender Forschungsansätze, und zumal solche des amerikanischen Neo-Institutionalismus, zu Nutze. Er schließt mit anderen Worten an die Perspektiven einer gleichermaßen organisations- und wissenssoziologisch begründeten Forschungsrichtung an, die wie keine andere die – frei nach Berger und Luckmann formuliert – „gesellschaftliche Konstruktion von ‚Weltkultur‘“ empirisch untersucht und in theoretische Modelle übersetzt hat. Im Lichte von Analyse-Konzepten wie „Diffusion“, „imagined model“ oder „rationalized myth“, und gestützt auf Forschungen zur wachsenden Bedeutung internationaler (Regierungs- wie Nichtregierungs-)Organisationen, entwickelt der Artikel einige Skizzen zur Erklärung der Genese und Dynamik des Bologna-Prozesses.
Markus Maurer
Jenseits globaler Kräfte? Berufspraktische Fächer an allgemeinbildenden Sekundarschulen in Sri Lanka und Bangladesh
Der vorliegende Artikel macht deutlich, dass der exogene Einfluss sehr einflussreicher Organisationen wie etwa der Weltbank durch endogene Faktoren wesentlich überformt werden kann. Zudem legt er dar, dass das Verhältnis dieser exogenen und endogenen Faktoren nur durch eine möglichst umfassende vergleichend-historische Prozessanalyse verstanden werden kann. Er konzentriert sich dabei auf den Kurswechsel, der von der Weltbank Mitte der 1980er Jahre hinsichtlich der Berufsbildung eingeleitet wurde, und stellt dar, wie dieser in Sri Lanka und Bangladesh die Reformierung berufspraktischer Fächer an allgemeinbildenden Sekundarschulen nach 1990 beeinflusste.
Deutscher Bildungsserver
Linktipps zum Thema „Internationale Organisationen als Global Players in Bildungspolitik und Pädagogik“
Wassilis Kassis
Unbeherrschte oder Zügellose? Eine aristotelische Klassifikation und ihre Koppelung mit Fritz’ These der Gewaltrahmungskompetenz bei extensiven Nutzern gewaltorientierter Computerspiele
In den von uns durchgeführten Analysen steht die Frage der Verbindung zwischen der extensiven Nutzung Gewalt darstellender Computerspiele und dem Gewalteinsatz Jugendlicher im Mittelpunkt. Als Werkzeuge werden hierzu einerseits die aristotelische Klassifikation mangelnder Selbstbeherrschung und andererseits Fritz’ These der Gewaltrahmungskompetenz im Umgang mit Computern eingeführt und überprüft. Die Ergebnisse aus dieser theoretischen und empirischen Analyse sind sehr eindeutig: Auch wenn die extensive Nutzung von gewaltorientierten Computerspielen sich im aristotelischen Sinne auf jeden Fall als unbeherrscht darstellen lässt, ist sie für die Mehrheit der Nutzer eindeutig nicht auch als Gewaltzügellosigkeit zu beurteilen, denn sie beschränkt sich auf die virtuelle Welt. Als zügellos ist dagegen jene Minderheit der extensiven Nutzer zu bezeichnen, welche sowohl im Alltag als auch im Computerbereich gewaltaffin denken und handeln. Die Gruppe der Zügellosen hat, dies ist eines unserer zentraleren Ergebnisse, in einem erschreckenden Ausmaß und mit einer beängstigenden Qualität die Kontrolle über ihr Gewalthandeln verloren.
Monika Rehrl/Hans Gruber
Netzwerkanalysen in der Pädagogik. Ein Überblick über Methode und Anwendung
Um das Potenzial der bisher wenig angewandten Methode empirischer Netzwerkanalysen für die pädagogische Forschung zu illustrieren, wird zunächst die Grundannahme der Netzwerkmethode, nämlich die wechselseitige Beeinflussung von menschlichem Handeln und sozialem Kontext, in Zusammenhang mit soziokulturellen Lerntheorien gebracht. Die Bedeutung der Netzwerkmethode liegt darin, die soziale Komponente von Lernen durch die Analyse sozialer Beziehungen methodisch fassbar zu machen. Im Anschluss werden sowohl die Methode der sozialen Netzwerkanalyse als auch die Methode der egozentrischen Netzwerkanalyse in ihrer Anknüpfung an pädagogische Theorien sowie in ihren Auswerteverfahren dargestellt. Anhand verschiedener Anwendungsbeispiele aus unterschiedlichen Bereichen der Pädagogik wird der Transfer für die pädagogische Forschungspraxis hergestellt.
Heinz-Elmar Tenorth
Karabel, Jerome: The Chosen. The Hidden History of Admission and Exclusion at Harvard, Yale and Princeton
Julia Kurig
Michael Behnisch (2005): Pädagogische Beziehung. Zur Funktion und Verwendungslogik eines Topos der Jugendhilfe
Michael Parmentier
Eva B. Ottilinger (Hrsg.): Zappel, Philipp! Kindermöbel. Eine Designgeschichte
Pädagogische Neuerscheinungen