Thementeil: Frühpädagogik

Frithjof Grell/Hans-Günther Roßbach
Einführung in den Thementeil

Frithjof Grell
Über die (Un-)Möglichkeit, Früherziehung durch Selbstbildung zu ersetzen
Der Beitrag untersucht den Begriff der ‚Selbstbildung‘, einen ‚Ausgangspunkt‘ der meisten ‚modernen‘ frühpädagogischen Ansätze. Auf der Grundlage einer historisch-systematischen Rekonstruktion des Problems der kindlichen Selbstbildung und seiner Behandlung bei Rousseau, Fröbel und Montessori werden aktuelle Selbstbildungsansätze kritisch beleuchtet. Weil sie im Gegensatz zur ‚klassischen‘ Elementarpädagogik die bildungstheoretisch zentrale Frage nach den ‚ersten‘ und ‚elementaren‘ Gegenständen der frühkindlichen Bildung kaum reflektieren, sind ‚moderne‘ Selbstbildungsansätze wenig geeignet, die theoretischen und praktischen Aufgaben einer Pädagogik der frühen Kindheit angemessen zu beschreiben und zu bearbeiten.

Marcus Hasselhorn
Möglichkeiten und Grenzen der Frühförderung aus entwicklungspsychologischer Sicht
Frühförderung hat seit einigen Jahren wieder einmal Hochkonjunktur.Viele der dort verwendeten Ansätze werden mit entwicklungspsychologischen Argumenten begründet. Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, welche Möglichkeiten und Grenzen der Frühförderung sich aus entwicklungpsychologischer Sicht ergeben. Ausgehend von den Zielen der Frühförderung wird dabei auf indizierte und selektive Frühfördermaßnahmen eingegangen, die sich in der Vergangenheit als wirksam erwiesen haben. Insgesamt ist zurzeit ein gedämpfter Optimismus für die Möglichkeiten der Frühförderung angebracht. Die Einschränkungen entstehen nicht zuletzt daraus, dass eine systematische differentielle entwicklungspsychologische Trainingsforschung bis dato noch weitgehend unterentwickelt ist.

Nele McElvany/Stephanie Herppich/Roel van Steensel/Jeanne Kurvers
Zur Wirksamkeit familiärer Frühförderungsprogramme im Bereich Literacy – Ergebnisse einer Meta-Analyse
Frühkindliche Bedingungen gelten als wichtige Voraussetzungen für spätere kognitive und nicht-kognitive Fähigkeiten. Große Hoffnungen werden daher in die frühe systematische Förderung im Kontext der Familie als dem wichtigsten Umfeld der Kinder vor Schulbeginn gesetzt. Für den Bereich Literacy untersucht der vorliegende Beitrag, wie wirksam familiäre Frühförderungsprogramme sind und welche Zusammenhänge es zwischen Programm- bzw. Studienmerkmalen und der Effektivität der Maßnahmen gibt. Die Meta-Analyse, in der 15 Studien aus den Jahren 1990–2007 berücksichtigt wurden, ergibt nur schwache Effekte existierender Programme für den Literacy-Bereich. Moderatoranalysen weisen insbesondere darauf hin, dass höhere Effekte vor allem bei methodisch weniger strikten Studien berichtet wurden. Mögliche Gründe für die eher geringe Effektivität der Programme werden diskutiert und Forschungsdesiderate in dem Bereich aufgezeigt.

Bernhard Kalicki
Spielräume einer Erziehungspartnerschaft von Kindertageseinrichtung und Familie
Zahlreiche der vorliegenden Bildungspläne für die frühe Kindheit entwerfen das Ideal einer Erziehungspartnerschaft von Einrichtungsteam und Eltern, also einer spezifischen Qualität der Zusammenarbeit, die es zu realisieren gelte. In diesem Beitrag wird ein Überblick über die Forschungen zu elterlichen Erwartungen an die Kindertagesbetreuung sowie zur Kooperation von Tageseinrichtungen und Familien gegeben. Programmatische Aussagen zur Einflussnahme der Erzieherinnen auf die Familienerziehung werden vor dem Hintergrund empirischer Forschungsergebnisse, die auf eine hohe Fragilität der Mutter-Erzieherin-Beziehung hinweisen, kritisch diskutiert. Für die Planung und Gestaltung der Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtung und Familie wird der Rückgriff auf sozialpsychologische Theorien empfohlen und die empirische Überprüfung entsprechender Implementierungsversuche angemahnt.

Werner Thole
Die pädagogischen MitarbeiterInnen in Kindertageseinrichtungen – Professionalität und Professionalisierung eines pädagogischen Arbeitsfeldes
Der Beitrag referiert und diskutiert das vorliegende Wissen zu Fragen der Professionalisierung und der Professionalität von pädagogischen MitarbeiterInnen in den Handlungsfeldern der frühkindlichen Pädagogik. Der empirische Kenntnisstand zu Fragen der Professionalität und Professionalisierung in den Institutionen der frühkindlichen Pädagogik ist, so wird begründet ausgeführt, trotz einiger nationaler und internationaler Studien diffus, unsicher und letztendlich als unbefriedigend anzusehen. Beispielsweise scheint zwar akademisch qualifiziertes Personal den pädagogischen Alltag fachlich fundierter und in einer höher symbolischen Sprache zu reflektieren als pädagogische Fachkräfte mit einem berufsqualifizierenden Abschluss. Aber Befunde, dass höhere schulische und akademische Qualifizierungen die Qualität des beruflichen Engagements der MitarbeiterInnen nachweislich fördern, werden durch andere Studien angezweifelt. Resümierend wird festgehalten, dass aussagekräftige und belastbare Studien zu fast allen professionstheoretischen und -politischen Fragen fehlen. Parallel zur gegenwärtigen Konzentration auf die Entwicklung von neuen Studienprogrammen ist vor dem Hintergrund dieser Diagnose der Aufbau einer auf die Pädagogik der frühen Kindheit fokussierten Forschungslandschaft wünschenswert.

Deutscher Bildungsserver
Linktipps zum Thema „Frühpädagogik“

Allgemeiner Teil

Maria Fölling-Albers/Katja Meidenbauer
Was erinnern Schüler/innen vom Unterricht?

Unterricht unterliegt den Prämissen des Systems Schule und seinen verschiedenen Funktionen – nicht zuletzt der Selektionsfunktion. Deshalb kann Unterricht unter verschiedenen Aspekten als bedeutsam wahrgenommen werden. Unter welchen Gesichtspunkten Schüler/innen Unterrichtsstunden rekonstruieren, ist in der Unterrichtsforschung noch eine weitgehend offene Frage. Im Rahmen einer empirischen Studie wurde dieser Aspekt bei verschiedenen Schülergruppen untersucht. Es wurden mit 30 Schülern/innen der dritten und vierten Jahrgangsstufen an drei Messzeitpunkten jeweils eine Woche lang Interviews durchgeführt (zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Schuljahres – insgesamt 420 Interviews). Es hat sich gezeigt, dass vor allem formale Aspekte (zum Unterrichtsablauf, Hefteinträge etc.) den Blick auf Unterricht bestimmen – und das gilt insbesondere für die leistungsschwachen Kinder.

Petra Bauer
Organisatorische Bedingungen der Fallkonstitution in der Sozialen Arbeit. Ein Literaturbericht
Die Suche nach einem spezifischen Gegenstandsbezug und die damit verbundene Frage nach dem, was für die Soziale Arbeit als ‚Fall‘ zu betrachten ist, beschäftigt die sozialpädagogische Theoriebildung seit langem. Im folgenden Artikel interessiert vor allem die Frage, welche Rolle Organisationen in Prozessen der Fallkonstitution spielen. Für eine erste Klärung wurden wichtige Ergebnisse vorliegender Arbeiten zu Form und Wirkung professioneller Problemdefinition, Diagnose und Hilfeplanung, zur institutionellen Kommunikation in sozialpädagogischen Settings und zur Analyse sozialpädagogischer Organisationsformen gesichtet. Vor diesem Hintergrund lassen sich einige zentrale Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen benennen.

Josef Schrader
Reproduktionskontexte der Weiterbildung
Organisierte Weiterbildung erscheint in der wissenschaftlichen und öffentlichen Wahrnehmung als ein sehr heterogener Bereich, dessen institutionelle Struktur nur schwer „auf den Begriff zu bringen“ und systematisch zu erfassen ist. Vor diesem Hintergrund entwickelt der Beitrag im Anschluss an die neo-institutionalistische Forschung und an sozialwissenschaftliche Modernisierungstheorien ein Modell, das die Vielfalt an Organisationen der Weiterbildung begrifflich stringent, trennscharf und erschöpfend ordnet. Das Modell nimmt seinen Ausgangspunkt von der Frage, wie sich Organisationen der Weiterbildung notwendige Ressourcen und Legitimationen verschaffen können. Abschließend werden Nutzen und Grenzen des Systematisierungsvorschlags für verschiedene Felder der empirischen Weiterbildungsforschung sowie für die öffentliche und politische Debatte erörtert.


Besprechungen

Fritz Osterwalder
Jens Brachmann: Der pädagogische Diskurs der Sattelzeit. Eine Kommunikationsgeschichte

Cristina Allemann-Ghionda
Sabine Hornberg/Inci Dirim/Gregor Lang-Wojtasik, Paul Mecheril (Hrsg.):
Beschreiben – Verstehen – Interpretieren: Stand und Perspektiven International und Interkulturell Vergleichender Erziehungswissenschaft in Deutschland
David Palfreyman/Ted Tapper (Eds.): Structuring Mass Higher Education: The Role of Elite Institutions
Louis Porcher: L’éducation comparée: Pour aujourd’hui et pour demain

Kerstin Rabenstein
Antje Langer: Disziplinieren und entspannen. Körper in der Schule – eine diskursanalytische Ethnografie.

Hans-Ulrich Grunder
Katrin Lohrmann: Langeweile im Unterricht

Merle Hummrich
Helmut Fend/Fred Berger/Urs Grob (Hrsg.): Lebensverläufe, Lebensbewältigung, Lebensglück. Ergebnisse der LifE-Studie


Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen