Henning Schluß/May Jehle
»Der Frieden war in Gefahr«
Reflexionen zur eschatologischen Dimension der Schola-Schallplatte
Die Schulschallplatte wurde in den 70er Jahren als neues Medium im Geschichtsunterricht der DDR eingeführt. Am Beispiel eines Hörstücks für die 10. Klasse zur Frage der „Friedenssicherung am 13.8.1961“ aus der ersten Geschichts-Schallplatte wird mit Hilfe von methodologischen Überlegungen aus der DDR-Erziehungswissenschaft und einer Unterrichtsaufzeichnung vom Ende der 70er Jahre, in der diese Schallplatte eingesetzt wird, das Tondokument aus verschiedenen Perspektiven analysiert. Angezielt wurde mit ihm die Einheit von Erleben-Erkennen-Werten und Haltung im kommunistischen Sinn. Ihre Spitze findet die Erwartungshaltung an das neue Medium in der damals artikulierten Hoffnung, die Schulschallplatte sei das Medium, in dem der Dual von wissenschaftlicher und künstlerischer Weltaneignung aufgehoben würde und damit objektive Einsicht in die gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten schon jetzt im Unterricht möglich würde.
Carsten Quesel/Vera Husfeldt
Projektmethode und Hochschulreife
Schweizer Maturaarbeiten im Spiegel von lernbiographischer Selbstreflexion, schulischer Bewertung und Expertenrating
Der Beitrag untersucht am Beispiel der Schweizer Maturaarbeit, wie sich die Selbsteinschätzung von Lernfortschritten zur Unterstützung und zur Benotung durch die Lehrpersonen verhält. Darüber hinaus wird ein Bezug zu den Resultaten eines Expertenratings zur inhaltlichen, sprachlichen und formalen Qualität der Maturaarbeiten der befragten Schülerinnen und Schüler hergestellt. Die Daten zur retrospektiven Selbsteinschätzung der Lernenden, zur Wahrnehmung der pädagogischen Unterstützung und der Benotung sowie zum Expertenrating sind im Rahmen der nationalen Studie „Evaluation der Maturitätsreform von 1995, Phase II“ (EVAMAR II) gewonnen worden. Es zeigt sich, dass die im Expertenrating diagnostizierte Qualität der Arbeiten ein schwacher Prädiktor für die Note und die Selbsteinschätzung zum eigenen Lernfortschritt ist, aber keinen Einfluss auf die retrospektive Einschätzung der pädagogischen Unterstützung hat. Die Note hat einen signifikanten direkten Einfluss auf die Selbstwahrnehmung und wirkt zudem über die retrospektive Einschätzung zur pädagogischen Unterstützung als partieller Mediator. Die Selbsteinschätzung hat ihrerseits einen signifikanten Einfluss darauf, wie der Nutzen der Maturaarbeit für die eigene persönliche Entwicklung und ein mögliches Studium bewertet wird.
Manfred L. Pirner
Religiosität und Lehrerprofessionalität
Ein Literaturbericht zu einem vernachlässigten Forschungsfeld
Dass die persönlichen Weltbilder, Lebensorientierungen und Wertvorstellungen von Lehrerinnen und Lehrern ihr professionelles Denken und Handeln beeinflussen, ist in der Erziehungswissenschaft weitgehend unbestritten. Dennoch gehören die religiös-weltanschauliche Orientierung von Lehrkräften und ihre möglichen Zusammenhänge mit deren Professionalität zu den stark vernachlässigten Forschungsfeldern der deutschen Lehrerforschung. Der Beitrag möchte auf dieses Feld und seine Relevanz für die Lehrerbildung aufmerksam machen. Er skizziert den Befund der auf diesem Gebiet etwas aktiveren internationalen, vor allem US-amerikanischen Forschung sowie die wenigen Befunde aus deutschsprachigen Ländern. Dabei werden neben der allgemeinen Lehrerprofessionsforschung auch Forschungen zu religiös orientierten Schulen und zu Religionslehrkräften mit in den Blick genommen. Als Fazit werden zentrale Ergebnisse zusammengefasst und Forschungsaufgaben benannt.
Christian Niemeyer
100 Jahre Meißnerformel – ein Grund zur Freude?
Oder: Wie und warum sich die deutsche Jugendbewegung wider besseres Wissen einen Mythos schuf
Die vor einhundert Jahren verabschiedete Meißnerformel ist mit ihrem Bekenntnis zu Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Wahrhaftigkeit nach wie vor legendär und trifft auf breite Zustimmung, zumal als Programmformel der deutschen Jugendbewegung. Im Beitrag wird sowohl die Erfolgs- als auch die Verfallsgeschichte dieser Formel nacherzählt, mit deutlich stärkerer Gewichtung der Letzteren und im Ergebnis mit der These, dass der Erfolg der Meißnerformel nach 1945 von Veteranen der Jugendbewegung bewusst inszeniert wurde, um von den dunklen Seiten ihres Vermächtnisses abzulenken.
Helmut Heid
Werterziehung – ohne Werte!?
Beitrag zur Erörterung ihrer Voraussetzungen
Es geht um die Frage, ob Werte außerhalb konkreten Wertens wertender Subjekte existieren. Bezogen auf ausgewählte Wertbegriffe wie Fleiß, Gerechtigkeit, Freiheit oder Wahrheit werden die Möglichkeiten erörtert, diese Werte zu identifizieren, um dann erst darüber nachdenken und prüfen zu können, welche Funktionen sie in der Bildungspraxis zu erfüllen vermögen. Dabei zeigt sich, dass Menschen ihr Handeln nicht an (nicht „existierenden“ und deshalb auch nicht „vermittelbaren“) Werten orientieren, sondern dass Bezugnahmen auf Werte geeignet sind, die Interessen zu rechtfertigen und zu verschleiern, die in denjenigen Auseinandersetzungen zur Geltung kommen, die das Be-Wertungserfordernis allererst begründen.
Heather Cameron/Veronika Kourabas
Vielheit denken lernen
Plädoyer für eine machtkritischere erziehungswissenschaftliche Auseinandersetzung
Die Auseinandersetzung mit Heterogenität und Vielfalt ist zu einem gesellschaftlich gängigen Feld der Diskussion avanciert; auch pädagogische Diskurse beschäftigen sich vermehrt mit der Frage, wie mit gesellschaftlicher Vielfalt unter dem Einfluss von Migration produktiv umgegangen werden kann und welche Position Pädagogik in diesem Zusammenhang zu spielen vermag. Hingegen bleibt die Frage einer machtkritischen Reflexion pädagogischer Denk- und Handlungspraxen und ihrer Verfestigungen in Strukturen im Zuge des Umgangs mit Differenz und Andersheit weitestgehend unberücksichtigt. Der Beitrag greift jene Leerstelle auf und entwickelt erste Ansätze für ein verändertes pädagogisches Verständnis, das eine kritisch-reflexive Position sowohl zu gesellschaftlichen Diskursen als auch der erziehungswissenschaftlichen Disziplin selbst eröffnet.
Gerhard Zimmer
Martina von Heynitz: Bildung und literarische Kompetenz nach PISA. Konzeptualisierungen literar-ästhetischen Verstehens am Beispiel von Test-,Prüf- und Lernaufgaben
Brigitte Latzko
Fritz Kubli: Denken als soziale Errungenschaft. Eine genetische Erkenntnistheorie im Dialog
Pädagogische Neuerscheinungen