Zeitschrift für Pädagogik - Inhaltsverzeichnis
Jahrgang 49 – Heft 3 – Mai/Juni 2003
Thementeil: Lebenslanges Lernen
Heiner Barz/Rudolf Tippelt
Bildung und soziales Milieu: Determinanten des lebenslangen Lernens in einer Metropole
Die Forschung zum lebenslangen Lernen hat eine lange und interessante Tradition. Im Feld der Adressaten- und Teilnehmerforschung stand zunächst die Frage im Vordergrund, welche sozialen Gruppen sich für berufliche und kulturelle Weiterbildung interessieren. Später wurden dann Analysen durchgeführt, die die sozial-ästhetischen Dimensionen der Interessen an Weiterbildung und des lebenslangen Lernens berücksichtigten. Daran knüpfen die Ergebnisse der in diesem Beitrag vorgestellten empirischen Studie an, in der die Weiterbildungsinteressen ausgewählter sozialer Milieus in einer Großstadt analysiert werden. Die Partizipation der berücksichtigten gesellschaftlichen Leitmilieus (Etablierte, Postmaterialisten, Moderne Performer) an der Weiterbildung gibt Hinweise für die sich stark ausdifferenzierenden und pluralen Bildungsformen in einer Metropole. Sowohl in den älteren Studien der Teilnehmerforschung als auch in dieser aktuellen „München-Studie“ erweisen sich auch das Alter von Lernenden und deren Bildungsniveau als sehr einflussreich für die konkreten Bildungs- und Lernprozesse über die Lebensspanne.
John Bynner/Tom Schuller/Leon Fienstein
Wider Benefits of Education: Skills, Higher Education and Civic Engagement
Zu Beginn wird das Wider Benefits of Learning Research Centre der Universität London vorgestellt, das sich mit den nicht-ökonomischen Effekten des Lernens und der Bildung auf individueller und kollektiver Ebene beschäftigt. Nach einer Erläuterung des theoretischen Rahmens der Studien, der auf den frei Konzepten Humankapital, Soziales Kapital und Identitätskapital beruht, werden die Ergebnisse zweier britischer Longitudinalstudien (Beginn: 1958 bzw. 1970) vorgestellt. Insbesondere werden die Folgen der Teilhabe an Bildung in den Bereichen Gesundheit, Wohlbefinden, soziale Einstellungen und politisches Involvement differenziert aufgezeigt. Die Schlussfolgerung lautet: Regierungen sollten wissen, dass Bildung nicht einfach eine Möglichkeit, sondern eine unabdingbare Voraussetzung für die Beförderung von persönlichem Wohlbefinden und einer kohäsiven Gesellschaft ist.
Peter Alheit
Mentalität und Intergenerationalität als Rahmenbedingungen „Lebenslangen Lernens“. Konzeptionelle Konsequenzen aus Ergebnissen einer biographieanalytischen Mehrgenerationenstudie in Ostdeutschland
Der Beitrag basiert auf einer umfangreichen qualitativen Mehrgenerationenstudie in Ostdeutschland. Ziel ist die Rekonstruktion der individuellen Verarbeitung dramatischer historisch-politischer Brüche in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts und die Identifikation variierender innerfamiliärer Tradierungsmuster. Das Ergebnis erscheint provokant: Quer zu den untersuchten sozialen Milieus bleiben im weitaus größeren Teil des Samples soziale Orientierungen und Einstellungen zwischen der Großeltern- und der Enkelgeneration praktisch unverändert. Der Autor spricht von einer „intergenerationalen Modernisierungsresistenz“, die für die ostdeutsche Gesellschaft charakteristisch sei. Er nutzt diesen Befund für eine interessante Erweiterung des theoretischen Konzepts „Lebenslangen Lernens“: Bildungsprozesse in der Lebensspanne können offenbar nur dann angemessen verstanden werden, wenn man auch mentalitäre Tiefenstrukturen und intergenerationale Tradierungspraxen systematisch berücksichtigt.
Walter Herzog
Zwischen Gesetz und Fall. Mutmaßungen über Typologien als pädagogische Wissensform
Als zentrales Merkmal pädagogischer Professionalität gilt die Vermittlung zwischen wissenschaftlichem Wissen und praktischem Handeln. Die Bedingungen, unter denen diese Vermittlung zustande kommt, sind jedoch weitgehend unbekannt. Nach einer Diskussion des Fallbezugs professionellen Wissens wird der Vermutung nachgegangen, dass Typologien eine Wissensform darstellen, die die gesuchte Leistung der Vermittlung zwischen Theorie und Praxis zu erbringen vermag. Es werden zwei Formen typologischen Denkens unterschieden sowie Vorbehalte gegenüber Typologien erörtert.
Rudolf Messner
PISA und Allgemeinbildung
PISA hat zu einer erneuten Bildungsdebatte geführt. Gegenüber dem darin fast beliebigen Gebrauch des Bildungsbegriffs fragt der Beitrag nach dem Verhältnis des PISA-Programms zum Konzept der Allgemeinbildung. Er erläutert den gesellschaftlich begründeten Anspruch des Literacy-Ansatzes von PISA sowie dessen Bedeutung als zukunftsweisende Neuorientierung des Kerns einer sachbezogenen Grundbildung im funktionalpragmatischen Sinn. Aufgezeigt und diskutiert werden aber auch die Grenzen des PISA-Programms im Hinblick auf die literarisch-ästhetische, soziale und politische Dimension schulischer Bildung. Fazit: Wenn PISA, wie dies geschieht, als umfassendes Allgemeinbildungskonzept und als Gesamturteil über Schule missverstanden wird – Ansprüche, die PISA selbst nicht erhebt – werden Schule und Unterricht bei den Bemühungen um Qualitätsverbesserung in ihren Inhalten und in ihrer sozialen Gestaltung verkürzt.
Peter Euler
Bildung als „kritische“ Kategorie
Bildung wird entschieden wie nie gefordert, steht aber zugleich selbst unter grundsätzlichem Vorbehalt, während sich kritische Selbstbezüglichkeit in der neueren Erziehungswissenschaft etabliert. Der Artikel untersucht das historisch sich verschärfende Verhältnis von Bildung und Kritik, in dem die Widersprüchlichkeit der Bildung zu ihrer entscheidenden Bestimmung wird. Im Verlauf der Analyse erweist sich Bildungstheorie als eigener „Theorietyp“ und Bildung als notwendig „kritische“ Kategorie gesellschaftlicher Entwicklung.
Heinz-Elmar Tenorth
„Wie ist Bildung möglich?“ Einige Antworten – und die Perspektive der Erziehungswissenschaft
Gegen die traditionell dominierende Perspektive von Bildungsdebatten, zu klären „was“ Bildung bedeutet oder „wozu“ Bildung sein soll, plädiert der Beitrag dafür, nach der Möglichkeit von Bildungsprozessen in empirischer Wendung zu fragen. Einige Antworten auf die Leitfrage, „Wie ist Bildung möglich?“, die u.a. eine Orientierung an der Psychologie oder an autopoietisch bzw. evolutionstheoretisch argumentierenden Theorien empfehlen, werden vorgestellt, diskutiert und als systematisch notwendig, aber für erziehungswissenschaftliche Arbeit nicht hinreichend beurteilt. Die Empfehlung an die Erziehungswissenschaft lautet, sich auf die Arbeit an einer pädagogischen Technologie der Bildung einzulassen, um eine eigenständige und anschlussfähige disziplinäre Perspektive zu gewinnen.
Kai S. Cortina
Rechenfehler oder Irreführung? Eine kurze Replik auf Ernst Rösner
Heinz-Elmar Tenorth
Richard van Dülmen: Entdeckung des Ich. Die Geschichte der Individualisierung vom Mittelalter bis zur Gegenwart
Peter Faulstich
Sylvia Martinsen/Werner Sacher (Hrsg.): Eduard Spranger und Käthe Hadlich – Eine Auswahl aus den Briefen der Jahre 1903–1960
Kurt Kreppner
Sabine Walper/Reinhard Pekrun (Hrsg.): Familie und Entwicklung. Aktuelle Perspektiven der Familienpsychologie
Andreas Helmke
Marten Clausen: Unterrichtsqualität: Eine Frage der Perspektive? Empirische Analysen zur Übereinstimmungs-, Konstrukt- und Kriteriumsvalidität
Sabine Gruehn: Unterricht und schulisches Lernen. Schüler als Quellen der Unterrichtsbeschreibung
Knut Schwippert: Optimalklassen: Mehrebenenanalytische Untersuchungen. Eine Analyse hierarchisch strukturierter Daten am Beispiel des Leseverständnisses
Habilitationen und Promotionen in Pädagogik 2002
Pädagogische Neuerscheinungen