Zeitschrift für Pädagogik — Inhaltsverzeichnis

Jahrgang 52 – Heft 3 – Mai/Juni 2006

Thementeil: Gender und Bildung

Cristina Allemann-Ghionda/Claudia Crotti
Gender und Bildung
Zur Einführung in den Thementeil

Mineke van Essen/Rebecca Rogers
Zur Geschichte der Lehrerinnen
Historiographische Herausforderungen und internationale Perspektiven

Die Geschichte der Lehrerinnen in Westeuropa wird in dieser Forschungsübersicht nachgezeichnet. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie der Beruf der Lehrerin spezifische Kennzeichen eines Geschlechts angenommen hat. Die Feminisierung und Professionalisierung des Berufs vollzieht sich im Spannungsfeld zwischen männlich gesetzten Normen und gesellschaftlicher Veränderung des Verhältnisses der Geschlechter. Nationale Kulturen wirken sich unterschiedlich auf die institutionelle und gesellschaftliche Definition der Lehrerinnen aus.

Wolfgang Gippert/Elke Kleinau
Interkultureller Transfer oder Befremdung in der Fremde? Deutsche Lehrerinnen im viktorianischen England

Die Konstruktion von Identität erfolgt stets durch Differenz, durch die Beziehung zum ‚Anderen‘. Interkultureller Transfer als ein Prozess der Auseinandersetzung mit fremden kulturellen Mustern spielte bei der Herausbildung nationaler Identitäten eine entscheidende Rolle. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert kamen viele deutsche Lehrerinnen, die sich aus beruflichen Gründen im Ausland aufhielten, mit ihnen fremden Formen der Kultur in Kontakt. In autobiografischen Schriften, in denen diese Erfahrungen thematisiert werden, wird der Vorstellung von homogenen ‚Nationalcharakteren‘ eine große Bedeutung zugemessen. Die retrospektiv vorgenommenen Selbsteinschätzungen und Fremdzuschreibungen können als Konstruktionen nationaler Identität gelesen werden, die durch Auslandsaufenthalte gefestigt wurden.

Cristina Allemann-Ghionda
Klasse, Gender oder Ethnie?
Zum Bildungserfolg von Schüler/innen mit Migrationshintergrund. Von der Defizitperspektive zur Ressourcenorientierung

Die europäische Forschung über die Faktoren, die zum Bildungserfolg bzw. Misserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund beitragen, lässt mehrere Erklärungsansätze erkennen. Am meisten überzeugt die systemische Sichtweise, wonach ein Geflecht von inner- und außerschulischen Faktoren am Werk ist. Neuere Untersuchungen zeigen deutlich, dass verschiedene ethnische Gruppen unterschiedlichen Erfolg aufweisen, ohne dass die Gründe klar wären. Einzelne Untersuchungen weisen auf einen geschlechtsspezifischen Aspekt hin, wobei dieser erst in Kombination mit der Wahrnehmung der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Religion und der sozialen Herkunft wirksam wird.

Claudia Crotti
Ist der Bildungserfolg bzw. -misserfolg eine Geschlechterfrage?

Die in den letzten drei Jahrzehnten mit dem Begriff der ‚Chancengleichheit‘ und Gleichbehandlung der Geschlechter im Bildungswesen erfolgten Reformen zeigen seit wenigen Jahren eine – wie manche Autorinnen und Autoren hervorheben – statistisch signifikante Entwicklung, aufgrund derer die semantischen Felder Erfolg bzw. Misserfolg geschlechtsspezifisch zugeordnet werden. Angeblich beschreiten Mädchen triumphierend ihren Bildungsweg, während Jungen beim Gang desselben Weges immer öfters zu scheitern scheinen. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, inwieweit überhaupt von einer geschlechterspezifischen Erfolgs bzw. Misserfolgsgeschichte gesprochen werden kann. Diese Fragestellung lässt sich – auch wenn sie als institutionelles Problem wahrgenommen wird – nicht ohne den gesellschaftlichen Bezug bearbeiten, weshalb das Verhältnis von ‚Bildung und Geschlecht‘ im Folgenden sowohl diskursiv als auch statistisch beleuchtet wird.

Sabina Larcher Klee
Adult Worker‘ und Erziehungspartnerschaften
Integrative Strategien im Kontext von Effektivitätsdebatten

Der Beitrag geht von der Beobachtung aus, dass sich im Zuge von Angleichungsprozessen an internationale Standards und Strukturen unterschiedliche bildungspolitische Reformdiskurse herausgebildet haben, die den Debatten um Effizienz und Wirksamkeit öffentlicher Bildung in ökonomischer Perspektive geschuldet sind. Dieser Umstand provoziert die Frage, welche Signale eine wettbewerbsorientierte ‚education policy‘ im Kontext veränderter Sozialstaatspolitiken und Beschäftigungsentwicklungen vor allem für Frauen aussendet, die sich im deutschsprachigen Europa nach wie vor mit einem konservativen Wohlfahrtsmodell konfrontiert sehen. Ausgehend von der Hypothese einer pfadabhängigen Entwicklung von Bildungsinstitutionen im Kontext bestehender Wohlfahrtsstaatskonzepte plädiert der Beitrag für deren systematische Einbindung in die Analyse erziehungswissenschaftlicher Forschung.

Deutscher Bildungsserver
Linktipps zum Thema Gender und Bildung

Allgemeiner Teil

Sigrid Blömeke
Struktur der Lehrerausbildung im internationalen Vergleich
Ergebnisse einer Untersuchung zu acht Ländern

Gegenstand der hier präsentierten explorativen Studie ist die Makroebene der Lehrerausbildung. Ziel ist, mithilfe eines internationalen Vergleichs grundlegende Strukturmerkmale der Ausbildung zu identifizieren, eine Typologie dieser Merkmale zu entwickeln und sie auf mögliche Zusammenhänge zum sozio-kulturellen Kontext zu untersuchen. Dafür wird auf vorliegende Daten und ein eigens durchgeführtes zweitägiges Focus-Gruppen-Interview mit Experten für Fragen der Lehrerausbildung aus acht Ländern zurückgegriffen. Ergebnis ist die Identifizierung von 12 Strukturmerkmalen, auf deren Basis sich vier Typen an Ausbildungssystemen herausarbeiten lassen. Die Ausprägungen der Typen hängen eng mit dem jeweiligen soziokulturellen Kontext zusammen.

Peter Alheit/Morten Brandt
Ästhetische Bildung als kontingente Vermittlung zwischen Wissensordnungen
Kunst, Literatur und ästhetische Erfahrung in den Autobiografien Emil Noldes und Jakob Wassermanns

Der Diskurs zu „ästhetischer Bildung“, der vor allem durch die Arbeiten Klaus Mollenhauers in den 1990er Jahren beeinflusst wurde, bricht in der Pädagogik mit der harschen Diagnose Yvonne Ehrenspecks ab, dass die „Versprechungen des Ästhetischen“ in einer erstaunlichen Diskrepanz zu ihrer „Umsetzungswirklichkeit“ stünden. Der vorliegende Beitrag stellt diesen Abbruch in Frage und versucht am Beispiel zweier Künstlerautobiografien des frühen 20. Jahrhunderts, Emil Noldes und Jakob Wassermanns, zu zeigen, dass ästhetische Bildung durchaus eine zentrale Dimension der Bildungsprozesse in der Moderne bleibt. Einen wichtigen theoretischen Zugang bietet dabei die Tradition des amerikanischen Pragmatismus, insbesondere Deweys Überlegungen zu „Kunst als Erfahrung“. Ästhetische Erfahrung hat gewiss nicht jenen Mollenhauer zugeschriebenen Unmittelbarkeitsstatus. Sie ist eine vermittelnde Bildungsbewegung, die ihren eigenen, unabhängigen Charakter erst in der kontingenten Auseinandersetzung mit „nichtästhetischen“Wissensordnungen gewinnt.

Besprechungen

Heinz-Elmar Tenorth
Helmut Fend: Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen

Kai S. Cortina
Jürgen Oelkers: Gesamtschule in Deutschland. Eine historische Analyse und ein Ausweg aus dem Dilemma

Roland Reichenbach
Alfred Schäfer: Einführung in die Erziehungsphilosophie

Jürgen Oelkers
Salvatore Settis: Die Zukunft des „Klassischen“. Eine Idee im Wandel der Zeiten

Dokumentation

Habilitationen und Promotionen in Pädagogik 2005

Pädagogische Neuerscheinungen