Jochen Kade/Wolfgang Seitter
Einführung in den Thementeil
Wolfgang Seitter
Zeitformen (in) der Erwachsenenbildung. Eine historische Skizze
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Erwachsenenbildung und Zeit. Dabei geht er von der These aus, dass der zunehmenden Extensivierung freier Zeit eine zunehmende Intensivierung didaktischer Zeitformate und infrastruktureller Zugangsmöglichkeiten für das Lernen Erwachsener entsprach. Diese Temporalisierung von Erwachsenenbildung korrespondierte zudem mit einer dramatischen Begriffsverschiebung, die den Adressatenbezug des Lernens (Volksbildung, Erwachsenenbildung) durch den Zeitbezug (Weiterbildung, Lebenslanges Lernen) ersetzte.
Die altersspezifischen Adressierungen, die mit diesen unterschiedlichen Begrifflichkeiten verbunden waren, standen ihrerseits in einem engen Entsprechungsverhältnis zu den Sterblichkeitsmustern, wie sie die historische Demographie herausgearbeitet hat.
Gert Biesta/John Field/Michael Tedder
A time for learning: Representations of time and the temporal dimensions of learning through the lifecourse
Based on findings from a large-scale longitudinal study into the learning biographies of adults, this paper focuses on the different representations of time in the interview data. The paper discusses three such representations: chronological time, narrative time, and generational time. The authors show how different notions of time operate within the construction of life stories. They also analyse the ways in which different representations of time impact upon and serve as resources for reflection on and learning from life, thus contributing to understanding the complex relationships between biography, life and time.
Christiane Hof/Jochen Kade/Monika Fischer
Serielle Bildungsbiographien –Auf dem Weg zu einem qualitativen Bildungspanel zum Lebenslangen Lernen
Das bildungspolitische und wissenschaftliche Konzept des Lebenslangen Lernens thematisiert den Erwachsenen aus einer lebenslaufbezogenen Entwicklungsperspektive, die einerseits bildungsbereichsübergreifende Zusammenhänge in den Blick nimmt und sich andererseits für den breiten Variantenreichtum informeller Lernorte und Lernpraktiken interessiert. Der Beitrag begründet, dass sich die damit verbundenen Entwicklungen von Erwachsenen in ihrer Dynamik nur von einer Theorie der Bildungsbiographie her begreifen lassen, die den Lebenslauf mit dem Lernverlauf über ein zeitbezogenes Konzept des Bildungssubjekts verknüpft. Bildungsprozesse Erwachsener sind danach Serien biographischer Momentaufnahmen. Die methodologisch-methodische Konsequenz eines solchen Ansatzes sind qualitative Längsschnittstudien. Sie setzen anders als quantitative Studien nicht die Kontinuität des Lebenslangen Lernens theoretisch voraus, wodurch sie zu einem methodischen Artefakt würde, sondern rekonstruieren sie, ausgehend von der Diskontinuität von individuell differenten Bildungsprozessen. Konkretisiert wird der Gewinn einer solchen (neuen) Forschungsperspektive an Befunden aus einem DFG-Projekt über serielle Bildungsbiographien.
Matthias Herrle/Sigrid Nolda
Die Zeit des (Nicht-)Anfangens. Zum Prozessieren von Erreichbarkeit und Vermittlungsbereitschaft in der Etablierungsphase pädagogischer Interaktion
Die Frage, wie es zur Initiierung pädagogischer Interaktion kommt, kann als eine zentrale Herausforderung erziehungswissenschaftlicher Kurs- und Unterrichtsforschung betrachtet werden. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit theoretischen und empirischen Ansätzen unterschiedlicher disziplinärer Herkunft werden in dem Beitrag Antworten gegeben, die auf die Identifikation grundlegender Problemkomplexe und Spannungsverhältnisse abzielen, an denen sich das Agieren der Beteiligten in Etablierungsphasen orientiert. Auf der Basis videographischer Analysen von Kursanfängen kommt so die dynamische Konstitution des Pädagogischen als Resultat von Prozessen zeitlicher Koordination pluraler Aktivitätsstränge in den Blick.
Sabine Schmidt-Lauff
Ökonomisierung von Lernzeit – Zeit in der betrieblichen Weiterbildung
Die betriebliche Weiterbildung hat sich seit Ende der 1960er Jahre in Deutschland zum größten Feld der Erwachsenenbildung entwickelt, so dass bereits vom Betrieb als „ökonomisch begründete pädagogische Institution“ und von der „Verbetrieblichung der Weiterbildung“ gesprochen wird. In der betrieblichen Nutzung steht Weiterbildung unter einem privatwirtschaftlich-ökonomischen Paradigma. Somit lohnt ein vertiefender Blick auf die Auswirkungen ökonomischer Dominanz auf das Lernen Erwachsener.
Auf dem Hintergrund von Befunden zu Lernzeiten wird im Beitrag das Spannungsverhältnis zwischen ökonomischen Zeitordnungen und pädagogischen Zeitmustern für die institutionelle Ebene (Betrieb), für den Lernprozess und für das subjektive Erleben beschrieben.
Burkhard Schäffer
Bildung in der Mitte des Lebens? Zeithorizonte und Altersbilder von „Babyboomern“
Im Diskurs zur sozialen Beschleunigung wird behauptet, dass wir es mit einer umfassenden „Temporalisierung“ von Lern- und Aneignungsprozessen, d.h. mit einer zeitlichen Verdichtung und Beschleunigung dieser Prozesse über das gesamte Erwachsenenalter zu tun haben. Abgesehen von den grundlagentheoretischen Schwierigkeiten einer solchen Zeitdiagnose werden die Befunde der Beschleunigungsdiagnose – so die These dieses Beitrages – durch Prozesse der Alterung der Gesellschaft relativiert:
Die 1954–1964 geborenen Kohorten der Babyboomer könnten als wesentliche Akteure der Alterung der Gesellschaft kollektiv für retardierende bzw. ‚entschleunigende‘ Momente sorgen. Der Beitrag widmet sich nach einer Darstellung des Zusammenhanges von lebenslangem Lernen mit sozialer Beschleunigung (1) den Zeithorizonten und darin implizierten Alters-, Alterns- und Altenbildern der 1954–1964 geborenen „Babyboomer“ (2) – u.a. auf der Basis erster empirischer Hinweise aus einem Forschungsprojekt zu „Weiterbildungsbeteiligung und Altersbildern der Babyboomer“ (WAB).
Deutscher Bildungsserver
Linktipps zum Thema „Erwachsenenbildung/Weiterbildung und Zeit“
Jürgen Budde
Inszenierte Mitbestimmung?! – soziale und demokratische Kompetenzen im schulischen Alltag
Partizipationsmöglichkeiten in der Schule sind mit der Hoffnung verbunden, Schülerinnen und Schülern soziales und demokratisches Lernen zu ermöglichen. Allerdings zeigt sich bei einem empirischen Blick auf sozialkompetenzvermittelnde und demokratiepädagogische Projekte, dass sich die erhofften Effekte nicht immer einstellen, sondern Momente der Brechung existieren. Anhand der Aushandlung von Klassenregeln diskutiert der Beitrag, dass wesentliche Blockaden für demokratisches und soziales Lernen einerseits im Widerspruch zwischen Gleichheit und Hierarchie und andererseits im Widerspruch zwischen Autonomie und Heteronomie liegen. Schülerinnen und Schüler reagieren häufig mit unterrichtsüblichen Praktiken, während sich die Lehrkräfte oftmals zwischen positiv ermöglichenden und einengenden schulisch-normativen Vorgaben bewegen. Die gesteigerte Selbstverantwortung der Lernenden erweist sich somit nicht nur als Möglichkeit zur Mitbestimmung, sondern ebenso als Aufforderung zur Selbstregulierung.
Klaus Zierer
Pädagogik als System. Kritisch-konstruktive Überlegungen zum Systemdenken in der Pädagogik
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Systemfrage, die spätestens seit dem 18. Jahrhundert in der Pädagogik thematisiert wird und bis heute zu einer ihrer zentralen Fragen gehört. Aufbauend auf terminologischen Vorüberlegungen wird erstens untersucht, ob Systementwürfe eine Wende von der Sache hin zur Erkenntnis, vom „Weltsystem“ hin zum „Erkenntnissystem“ vollzogen haben. Zweitens werden
die damit verbundenen Stimmen verschiedener Systemkritiker erläutert und in zwei Klassen, einem subjekt-orientierten und einem objekt-orientierten Argument, zusammengefasst. Drittens werden diese Gegenargumente einer kritisch-konstruktiven Betrachtung unterzogen, um den Schluss zu ziehen, dass sie zwar Ernst zu nehmen sind, ein Systemdenken deshalb aber nicht unmöglich ist. Daran anknüpfend wird abschließend der Frage nachgegangen, was eine Pädagogik als System leisten kann und soll.
Torsten Schwan
„Ich werde rücksichtslos gegen den Liberalismus, Demokratie und das Judentum schreiben und reden“ – zum Rassismus und Antisemitismus in der Jenaplan-Pädagogik nach 1933
In den letzten Jahren wurden immer mehr Dokumente aufgefunden, die die problematische Stellung Peter Petersens und seiner Jenaplan-Pädagogik im polykratischen NS-Erziehungssystem schattieren. Bislang ist man davon ausgegangen, dass Petersen trotz dieser problematischen Stellung seine Pädagogik weitgehend von rassistischen und antisemitischen Vorstellungen frei gehalten hat. Der Beitrag führt auf Grundlage von in letzter Zeit entdeckten Quellen aus, dass diese Sichtweise nicht mehr haltbar ist. Vielmehr äußerte sich Petersen bereits im Sommer 1933 massiv antisemitisch und übernahm gegen Ende der 1930er Jahre verstärkt „rassenhygienische“ Positionen der Jenaer Universitätsführung, die ihn mindestens zum Legitimator des nationalsozialistischen Terrorsystems machten.
Maya Kandler
Werner Michl: Erlebnispädagogik
Bernd Heckmair/Werner Michl: Erleben und lernen
Torsten Fischer/JörgW. Ziegenspeck: Erlebnispädagogik
Klaus Zierer
Ewald Terhart: Didaktik – Eine Einführung
Gertrud Nunner-Winkler
Garz, Detlef: Lawrence Kohlberg – An Introduction
Frauke Stübig
Mechtild Oechsle/Helen Knauf/Christiane Maschetzke/Elke Rosowski: Abitur und was dann?
Klaus Prange
Margit Stein: Allgemeine Pädagogik
Bernhard Schmidt
Christine Zeuner/Peter Faulstich: Erwachsenenbildung – Resultate der Forschung
Pädagogische Neuerscheinungen