Beiträge zur Allgemeinen Pädagogik

Volker Kraft
Wozu noch Allgemeine Pädagogik?

Auf der Grundlage neuerer empirischer Befunde werden die theoretischen Probleme der Allgemeinen Pädagogik aus einem disziplinären Blickwinkel betrachtet. Dabei wird die gängige Unterscheidung zwischen Profession und Disziplin insofern differenziert, als sich zeigen lässt, dass die moderne Erziehungswissenschaft – anders als Theologie, Recht oder Medizin – als eine sekundäre Disziplin zu verstehen ist, deren Entwicklung mit Prozessen sekundärer Professionalisierung unmittelbar in Zusammenhang steht. Vor diesem Hintergrund wird der Vorschlag begründet, die Funktion der Allgemeinen Pädagogik in zweifacher Hinsicht zu bestimmen: sie dient einerseits der Abgrenzung gegenüber anderen Disziplinen (Interdisziplinarität) und andererseits mit Blick auf die Differentiellen Pädagogiken der intradisziplinären Integration. Beide Funktionen konvergieren in einem operativen Verständnis von Erziehung, in dem die Identität der Erziehungswissenschaft zur Geltung kommt.

 

Christiane Micus-Loos
Anerkennung des Anderen als Herausforderung in Bildungsprozessen

Der Anerkennung kommt bei der Entwicklung von Identität und Selbstbewusstsein vor allem im Kontext schulischer Bildung eine hohe Bedeutung zu. Die Anerkennung des Anderen stellt in institutionalisierten Bildungsverhältnissen eine besondere Herausforderung dar, weil es sich zum einen um asymmetrische Beziehungsstrukturen handelt, weil zum anderen nicht nur ein interpersonales Geschehen betrachtet, sondern stets die Welt als das Andere mit reflektiert werden muss. Nach der Analyse (sozial)philosophischer und erziehungswissenschaftlicher Theorieansätze zur Anerkennungskategorie wird auf der Grundlage von Paul Ricoeurs „Wege der Anerkennung“ ein Ansatz skizziert, der das Vergessen der originären Asymmetrie bildungsbezogener Anerkennungsverhältnisse aufdeckt und mit der Wechselseitigkeit zusammendenkt.

 

Ulrich Binder
Die Verwendung von ‚Zukunft‘ in pädagogischen Programmen

Der Beitrag geht der Frage nach, wie die Kategorie ‚Zukunft‘ in pädagogischen Programmschriften des frühen 20. Jahrhunderts verhandelt wird. Dabei steht die Ebene der Sprache im Analysezentrum, die Sprache, in und mit der Pädagogik auf ‚Zukunft‘ eingestellt wird. Rekonstruiert werden die Grundmotive und Argumentationsmuster bei der Verwendung von ‚Zukunft‘, um herauszuarbeiten, wie sich deutsche, österreichische und französische Pädagogik im Reden über ‚Zukunft‘ ausrichtet.

 

Valentin Halder
Autopoiesis anders
verstanden. Zur Rezeption der Luhmannschen Systemtheorie in der Pädagogik

Noch immer konkurrieren grundverschiedene Interpretationslinien des ‚Autopoiesisgedankens‘ in der Pädagogik. Dabei scheint oft nicht klar, wodurch eine solche Interpretationslinie tatsächlich gekennzeichnet ist und von welcher real existierenden anderen Position sie sich abgrenzt. Darum wird in diesem Text eine Unterscheidung und Analyse verschiedener Lesarten des Begriffs versucht – der technologischen, irritierten, humanistischen und metatheoretischen. Es folgt ein Plädoyer für einen weiterhin kontroversen Umgang mit der Systemtheorie.

 

Jan Masschelein
Inciting an attentive experimental ethos and creating a laboratory setting.
Philosophy of education and the transformation of educational institutions

All over Europe educational institutions (school, family, university, youth care etc.) are undergoing profound transformations. This paper explores on a more general level of what it could mean to deal with them, to relate to them, and to take up the challenge they offer for philosophy of education. In order to do so, the paper first recalls how Hannah Arendt in the preface to her book Between Past and Future entitled “The gap between past and future”, describes her own philosophical work as “exercises in/of thought“ implying a particular gesture and stance in relation to what happens. To further indicate what such exercises entail (what they actually are about) and what they require (in terms of equipment and preparation) a concrete and topical example of such an exercise is presented: the cinema of the Belgian Dardenne Brothers. Then, finally, these exercises are related to a proposal to create “laboratories”, to set up experiments, and to do a kind of ‘fieldwork’ in relation to the actual transformations of educational institutions.

 

Joris Vlieghe/Jan Masschelein/Maarten Simons
Corporeal experience and equality.
A new approach to the educational significance of the body

In this article we overview different positions that have been taken in educational theory in regard with the meaning of corporeality for education. We argue that the body either appears as a factor through which subjectivity gets discursively formed, which makes the body lose its material weight, or as a vehicle by means of which existing educational goals, such as the furthering of a fully developed personality or an accurate view of the world are more authentically and efficiently realized. We argue that these approaches imply an instrumentalization of the body which makes it impossible to conceive the body in its full physicality. The experience of coinciding with one’s “flesh” might however carry a major educational importance out of itself, because of the radical equalizing and emancipatory qualities it might have.

 

Anselm Böhmer
Ästhetik der Bildung – Zur Kritik von Subjektivität im Bildungsbegriff

Der Bildungsbegriff erweist sich nicht selten als problematisch, insofern er die Perspektive von Wachstum und Perfektionierung vermittelt und so hegemoniale Ordnungen von Gesellschaften auf die Individuen zurückspiegelt. Der vorliegende Aufsatz untersucht einige dieser Strukturen, um im Rückgriff auf die Ansätze des späten Foucault und der Adorno-Vorlesung Judith Butlers eine Kritik dieser Zugänge vorzunehmen. Ertrag der Untersuchungen ist der Aufweis einer Reichweite der Veränderung individueller und sozialer Formationen sowie der Einhegungen solcher Bemühungen in die Maßgaben von Macht und Selbstbild. Der solcherart revidierte Bildungsbegriff bietet kritische Perspektiven und wird seinerseits problematisch. Aus dieser Perspektive vermag er die Möglichkeiten auszuweisen, welche eine „Ästhetik der Bildung“ für die Existenz von Menschen und deren soziale Gefüge einnehmen kann.

Besprechungen 

Klaus Zierer
Eveline Zurbriggen: Prüfungswissen Schulpädagogik – Grundlagen

Ilona Esslinger-Hinz/Anne Sliwka: Schulpädagogik

Gernot Gonschorek/Susanne Schneider: Einführung in die Schulpädagogik und die Unterrichtsplanung

Christine Schmid
Rolf-Torsten Kramer: Abschied von Bourdieu? Perspektiven ungleichheitsbezogener Bildungsforschung

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen