Thementeil: Quantitative und qualitative Unterrichtsforschung – Gemeinsamkeiten und Differenzen

Werner Helsper/Eckhard Klieme
Quantitative und qualitative Unterrichtsforschung – eine Sondierung

 

Einführung in den Thementeil

Sabine Reh/Kerstin Rabenstein
Die soziale Konstitution des Unterrichts in pädagogischen Praktiken und die Potentiale qualitativer Unterrichtsforschung

Rekonstruktionen des Zeigens und Adressierens

Die Potentiale qualitativer Unterrichtsforschung wurden bislang mit der Herausarbeitung der Fall- bzw. Situationsspezifik pädagogischer Praxis bestimmt. Das sequentielle Vorgehen bei der Rekonstruktion von Sinnemergenz ermöglicht darüber hinaus jedoch, den Zusammenhang – die Relationalität – von zwei in der Regel analytisch getrennt gehaltenen Dimensionen pädagogischen Handelns – Bezug zur Sache und Bezug zur Person – in den Blick zu nehmen. In einer von der Suche nach Berührungsflächen geprägten Auseinandersetzung mit dem holistischen Vorgehen quantitativer Unterrichtsforschung, den hoch-inferenten Ratingverfahren, wird argumentiert, dass die sequentielle Erschließung von Sinn genau mit dieser Relationalität die Besonderheit pädagogischer Situationen zu erfassen in der Lage ist. Plausibel gemacht wird dieses anhand einiger Gesprächssequenzen aus Unterrichtsstunden, in denen Gedichte und Gedichtinterpretationen als „Sache“ konstituiert und gleichzeitig damit Schüler und Schülerinnenauf eine ganz bestimmte Art und Weise als „hermeneutische Subjekte“ adressiert werden. Ziel des Beitrags ist es darüber hinaus, für ein gewinnbringendes Gespräch unter Bedingungen wechselseitiger Akzeptanz von Differenzen zwischen quantitativer und qualitativer Unterrichtsforschung zu plädieren. 

 

Kurt Reusser/Christine Pauli
Verständnisorientierung in Mathematikstunden erfassen

Ergebnisse eines methodenintegrativen Ansatzes

Am Beispiel der Erfassung von Verständnisorientierung, einem zentralen Qualitätsmerkmal bildenden Unterrichts, wird das Potenzial eines methodenintegrativen Ansatzes in der Unterrichtsforschung im folgenden Beitrag illustriert und diskutiert. Dies geschieht – nach einem einführenden Kapitel – anhand dreier ausgewählter Analysen aus zwei Videostudien, die sich mit der Qualität des Mathematikunterrichts auf der Sekundarstufe 1 in deutschen und schweizerischen Schulklassen befassen: der Videostudie „Unterrichtsgestaltung, Lernverhalten und mathematisches Verständnis“ (Klieme, Pauli & Reusser, 2009)2 – im Folgenden als „Pythagoras-Studie“ bezeichnet3 – und deren Fortsetzungsstudie „Didaktische Kommunikation und Lernwirkungen im problemorientierten Unterricht (DidKom)“.4

 

Georg Breidenstein/Sandra Rademacher
Vom Nutzen der Zeit

Beobachtungen und Analysen zum individualisierten Unterricht

Der Frage nach der Konstituierung von Unterricht geht dieser Aufsatz anhand der Analyse der Eigenlogik schulischer Zeitstrukturen im individualisierten Grundschulunterricht nach. Am empirischen Material werden unterschiedliche Varianten des schulischen Zeitmanagements in drei kontrastiven Forschungsfeldern diskutiert. Der Grad der Individualisierung lässt sich daran erkennen, inwieweit sich die Unterrichtsorganisation von der Idee der Schulstunde und des Stundenplans löst. Über die drei kontrastiven Varianten individualisierten Unterrichts hinweg jedoch erweist sich die Indifferenz schulischer Zeitvorgaben gegenüber den Lerninhalten gerade in einem Unterricht, der die Idee der Synchronität der Lernprozesse aufgibt, als grundlegendes Strukturmerkmal von Unterricht.

 

Miriam Lotz/Katrin Gabriel/Frank Lipowsky
Niedrig und hoch inferente Verfahren der Unterrichtsbeobachtung

Analysen zu deren gegenseitiger Validierung

Für die systematische Unterrichtsbeobachtung werden häufig hoch inferente Schätzverfahren zur Beurteilung der Unterrichtsqualität eingesetzt. Deren Validität wird aber vielfach in Frage gestellt, da sie ein hohes Ausmaß an Schlussfolgerungen aufseiten der Beobachter erfordern. Das Ziel der vorliegenden Studie bestand daher darin, die Güte hoch inferenter Beobachtungssysteme im Rahmen der PERLE-Studie exemplarisch zu überprüfen, indem Zusammenhänge zu niedrig inferent erfassten Beobachtungsdaten analysiert wurden. Anhand der Beispiele „Einsatz von Lob“ und „Störungsfreiheit“ kann gezeigt werden, dass grundsätzlich Zusammenhänge zwischen den auf unterschiedliche Art erfassten Daten bestehen. Allerdings fällt bei hoch inferenten Ratings die Zuordnung zu den einzelnen Ratingstufen nicht immer eindeutig aus. Zudem deutet sich an, dass die Höhe des Zusammenhangs zwischen niedrig und hoch inferent erfassten Beobachtungsdaten von der Art der Definition der hoch inferent erfassten Merkmale mit bedingt wird.1

 

Deutscher Bildungsserver
Linktipps zum Thema „Quantitative und qualitative Unterrichtsforschung – Gemeinsamkeiten und Differenzen

Allgemeiner Teil

Klaus Zierer/Hubert Ertl/David Phillips/Rudolf Tippelt
Das Publikationsaufkommen der Zeitschrift für Pädagogik im deutsch-englischen Vergleich

Der vorliegende Beitrag präsentiert erste und ausgewählte Ergebnisse eines DFG-Projektes zur Analyse führender Zeitschriften der Erziehungswissenschaft in England und Deutschland, darunter auch die Zeitschrift für Pädagogik. Mit Blick auf die thematische Ausrichtung, das methodische Vorgehen und die Zusammensetzung der Autorenschaft wurden ca. 2000 Artikel aus den Jahren 2001 bis 2009 analysiert. Dabei zeigt sich, dass sich am Publikationsaufkommen Trends und Defizite in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion in kulturspezifischer und international vergleichender Perspektive festmachen lassen und diesbezüglich für die Zeitschrift für Pädagogik ein eigenes Profil sichtbar wird.

 

Sebastian Wurster/Holger Gärtner
Schulen im Umgang mit Schulinspektion und deren Ergebnissen

Diese Studie untersucht, ob Schulinspektion an Schulen jeweils ähnliche Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse auslöst oder ob stattdessen differentielle Wirkungen beobachtet und durch unterschiedliche Typen plausibel beschrieben werden können. Hierzu wurden inspizierte Schulen aus Berlin und Brandenburg (N = 391) mittels eines am Modell von Ehren & Visscher (2006) orientierten Fragebogens zur differentiellen Wirkung von Schulinspektion befragt. Dieser umfasst die Themenbereiche schulinterne Reflexion und Rezeption der Inspektionsergebnisse, eingeleitete Aktivitäten vor und nach der Inspektion, externe Unterstützung und die Wahrnehmung und Akzeptanz des Inspektionsverfahrens. Ergebnisse einer Latent Class Analysis sprechen für fünf differenziert beschreibbare Typen (aktive, reaktive, (selbst)-zufriedene, aktive unzufriedene und passive unzufriedene Schulen). Die Ergebnisse liefern Hinweise, warum bislang keine generellen Effekte von Schulinspektion auf Schulentwicklung nachgewiesen werden konnten. Des Weiteren können aus den Ergebnissen Hinweise auf ein differenziertes Vorgehen der Unterstützungssysteme abgeleitet werden.

 

Besprechung

Heinz-Elmar Tenorth
Klaus Vieweg/Michael Winkler (Hrsg.): Bildung und Freiheit
Ein vergessener Zusammenhang

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen