Zeitschrift für Pädagogik — Inhaltsverzeichnis

Jahrgang 51– Heft 4 – Juli/August 2005

Thementeil: Theoriediskussion in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung

Christine Zeuner
Historische Orientierung der Erwachsenenbildungsforschung

Historische Erwachsenenbildungsforschung steht im Spannungsfeld zwischen der kritischen Auseinandersetzung um Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung aus anthropologisch-sozialhistorischer Perspektive, den legitimatorischen Begründungszusammenhängen im Rahmen der Etablierung einer wissenschaftlichen Disziplin und interessegeleiteter Selbstvergewisserung. Dieses schlägt sich nieder in multiperspektivischen Zugangsweisen und Ansätzen und der Intensivierung historischer Forschung. In einer historisch-kritischen Orientierung ist Erwachsenenbildung nicht nur in ihrer instrumentellen Funktion zu begreifen, sondern, durch die Reflexion historisch rekonstruierbarer Alternativen, auch als Korrektiv gegenüber Legitimationsund Anpassungszwängen.

Jutta Reich/Rudolf Tippelt
Sozialstrukturanalyse als Mittel der Weiterbildungsforschung.
Verstehen des realen „Bildungsverständnisses“ in sozialer Differenzierung

In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie Instrumente der Sozialstrukturanalyse für die Bildungsforschung und insbesondere für die Adressaten- und Teilnehmerforschung fruchtbar gemacht werden können. Es wird die These vertreten, dass – trotz eines unbestritten weiter existenten Einflusses klassischer Herkunftsvariablen – Lebenslagenmodelle nicht mehr ausreichen, um Bildungsbedürfnisse, -interessen und Bildungsbarrieren hinreichend zu differenzieren. Verdeutlicht wird dies anhand der Gegenüberstellung von Befunden zur sozialstrukturellen Differenzierung des grundlegenden Bildungsverständnisses in der Bevölkerung. Basis der Gegenüberstellung bildet einerseits die schichtspezifische Differenzierung des Bildungsbegriffs im Kontext der Göttinger Studie; andererseits werden eigene milieuspezifische Befunde der Studie „Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland“ herangezogen.

Jochen Kade
Wissen und Zertifikate.
Erwachsenenbildung/Weiterbildung als Wissenskommunikation

Der Beitrag analysiert vor dem Hintergrund der soziologischen Zeitdiagnose »Wissensgesellschaft« unter Bezugnahme auf den sozialwissenschaftlichen Grundbegriff Kommunikation die Erwachsenenbildung/Weiterbildung – unterschiedliche Diskurse aufeinander beziehend – als Zusammenhang von veränderungsbezogener Wissenskommunikation und (selbst)beobachtungsbezogener Zertifikatskommunikation. Dabei wird auf Befunde aus einem empirischen Forschungsprojekt über den Umgang mit Wissen zurückgegriffen. In dem Maße, in dem die Erwachsenenbildung zu einer Zertifizierungsinstitution wird, wird sie – so die abschließende These – zum integralen Bestandteil eines über die Schule hinausreichenden modernen Erziehungsund Bildungssystems in einer Gesellschaft mit ungewisser Zukunft und gesteigertem Strukturwandel, in der individuelle Lebensläufe mehr als bisher eine auf Zeit und Wechsel abstellende Ordnung ausbilden müssen.

Dieter Nittel/Wolfgang Seitter
Biografieanalysen in der Erwachsenenbildungsforschung.
Orte der Verschränkung von Theorie und Empirie

Der Aufsatz beschäftigt sich mit neueren Studien der erwachsenenpädagogischen Biografieforschung, welche die empirische Analyse ihres lebensgeschichtlichen Materials auch mit einer theoretischen Perspektive verbinden. In dieser Fokussierung geraten insbesondere biografiebezogene Studien zur Organisations-, Professions- und Generationsforschung in den Blick. Neben der Verschränkung von Theorie und Empirie ist ein weiteres Kennzeichen dieser Untersuchungen – wie der aktuellen Biografieforschung generell – die gesteigerte Komplexität des Methodendesigns, die sich insbesondere in der Erweiterung des Untersuchungs-Samples, der Methodentriangulation sowie der internationalen Ausrichtung der Forschung niederschlägt.

Peter Faulstich
Lernen Erwachsener in kritisch-pragmatischer Perspektive

„Lernen“ ist ein zentraler Fokus der Erwachsenenbildungswissenschaft. Dieser Begriff wird konkurrierend konzeptionalisiert, wobei ein instrumentalistischer Zugriff vorherrscht. Demgegenüber ist zu prüfen, inwieweit ein kritisch-pragmatischer Ansatz in der Lage ist, Reduktionismen zu vermeiden und sowohl empirische Zugänge zu öffnen als auch Anschlussfähigkeit an „Bildung“ herzustellen. Dazu werden scheinbar divergierende Konzepte des Pragmatismus (Dewey) und einer „subjektwissenschaftlichen Lerntheorie“ (Holzkamp) diskutiert.

Deutscher Bildungsserver
Linktipps zum Thema Erwachsenenbildung/Weiterbildung

Allgemeiner Teil

Heinz Reinders
Jugendtypen, Handlungsorientierungen und Schulleistungen.
Überlegungen und empirische Befunde zu einer differenziellen Theorie der Adoleszenz

Dieser Beitrag geht von der Annahme aus, dass heutige Jugendliche sich sowohl am raschen Übergang in den Erwachsenenstatus als auch am Verbleib in der Jugendphase orientieren können. Während mit der Transitionsorientierung eine Wertschätzung von schulischem Lernen einhergeht, betonen Verbleibsinteressierte die Entfaltungsmöglichkeiten von Freizeitaktivitäten. Unter Rückgriff auf das Konzept der Jugendtypen und der Theorie motivationaler Handlungskonflikte wird argumentiert, dass insbesondere die gleichzeitige Orientierung an Transition und Verbleib zu Umsetzungsproblemen bei schulischem Lernen und Freizeitaktivitäten führt. Beide Handlungsorientierungen werden in Konkurrenz zueinander treten und insbesondere zulasten schulischen Lernens ausfallen, was zu unterdurchschnittlichen schulischen Leistungen führt. Diese Annahme wird anhand einer Fragebogenstudie bei Siebt- und Achtklässlern überprüft und kann im Kern bestätigt werden. Jugendliche mit vergleichbar hoher Transitionsund Verbleibsorientierung legen gleichermaßen Wert auf schulisches Lernen und Freizeitaktivitäten, erleben bei der Realisierung beider Ziele größere Schwierigkeiten und weisen unterdurchschnittliche Schulleistungen auf.

Jürgen Raithel
Erziehungserfahrungen und Lebensstile Jugendlicher

Im Mittelpunkt des Beitrags steht der Zusammenhang zwischen Erziehungserfahrungen und Lebensstilen im Jugendalter. Datengrundlage bilden Aussagen von 608 Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren. Faktorenanalytisch konnten vier Erziehungsstile ermittelt werden, die im Zusammenhang mit den clusteranalytisch generierten vier expressiven Lebensstilen analysiert wurden. Dabei ist festzustellen, dass eine empathische Erziehung vor allem mit dem hochkulturellen Lebensstil in Beziehung steht, während die konträre sanktionierende Erziehungsweise am stärksten mit dem entgegengesetzten hedonistischen Lebensstil verbunden ist, welcher starke Assoziationen mit delinquenten und gesundheitsriskanten Verhaltensweisen aufweist. Die Befunde werden in Hinsicht auf elterliche Erziehungsstileffekte auf den jugendlichen Lebensstil vor dem Hintergrund sozialstruktureller Differenzierung diskutiert.

Besprechungen

Heinz-Elmar Tenorth
Thomas Gatzemann/Anja S. Göing (Hrsg.): Geisteswissenschaftliche Pädagogik, Krieg und Nationalsozialismus. Kritische Fragen nach der Verbindung von Pädagogik, Politik und Militär

Sebastian Müller-Rolli
Norbert Ricken/Markus Rieger-Ladich (Hrsg.): Michel Foucault: Pädagogische Lektüren

Ludwig Liegle
Wassilios E. Fthenakis/Pamela Oberhuemer (Hrsg.): Frühpädagogik international. Bildungsqualität im Brennpunkt

Damian Miller
Dorothee M. Meister (Hrsg.): Online-Lernen und Weiterbildung

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen