Beiträge: Finnland/Kompetenzentwicklung/Wissenschaftliche Schulen

Florian Waldow
Der Traum vom „skandinavisch schlau Werden“
Drei Thesen zur Rolle Finnlands als Projektionsfläche in der gegenwärtigen Bildungsdebatte

Referenzen auf die Bildungssysteme der nordischen Länder, in letzter Zeit insbesondere Finnlands, sind in der bildungspolitischen Debatte in Deutschland fast allgegenwärtig. Der Beitrag diskutiert Charakter und Funktionen dieser Referenz und stellt hierzu drei Thesen vor: 1.) Finnland dient in der deutschen Debatte als Projektionsfläche für – unterschiedliche, teilweise geradezu gegensätzliche – Vorstellungen der ‚guten Schule‘. 2.) Das projizierte Bild hat zum Teil den Charakter einer (nicht realistischen) Utopie. 3.) Finnland ist als Vorbild bzw. positive Referenz für außerordentlich breite Koalitionen von bildungspolitischen Akteuren attraktiv.


Risto Rinne/Tero Järvinen
The ‘losers’ in education, work and life chances – the case of Finland

Finland has been remarkably successful in the OECD Programme for International Student Assessment (PISA) studies conducted in the first years of the new millennium. The variation in achievement is low and the educational level of Finnish young people is high in an international comparison. Also, dropout rates are lower in Finland than in many other countries. In this article, the main patterns of post-compulsory graduation and dropping out of education, as well as aspects of social exclusion of Finnish youth are examined. While the overwhelming majority of young people in Finland manage to cope well, an increasing minority seems to be at risk of educational and social exclusion. Establishing educational equality has been at the centre of educational policy in Finland since World War II. However, the current tendency revolves around expediting efficiency and, more generally, serving the economy. These steps towards a neo-liberalistic educational policy threaten to marginalise an ever-growing number of young people from disadvantaged backgrounds and increase the risk of exclusion.


Heinz Reinders
Lernprozesse durch Service Learning an Universitäten

Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, inwieweit sich durch Service Learning als hochschuldidaktisches Modell die Lernprozesse bei Studierenden optimieren lassen. Bei Service Learning handelt es sich um eine Lehr-Lernform, bei der Theorie vermittelnde Seminaranteile mit sozialem Engagement Studierender verknüpft werden. Das Ziel von Service Learning ist die verbesserte Theorie-Praxis-Verknüpfung sowie die Förderung sozialen Engagements Studierender. In einem quasi-experimentellen Prä-Post-Design wurden insgesamt 116 Studierende im Verlauf eines Semesters befragt. Erhoben wurden Variablen des selbstgesteuerten Lernens sowie des erlebten Wissenszuwachses. Die Befunde zeigen an, dass Studierende aus Service Learning-Seminaren im Vergleich zu konventionellen Veranstaltungsformen u.a. einen höheren Wissenszuwachs erleben.


Robin Stark/Petra Herzmann/Ulrike-Marie Krause
Effekte integrierter Lernumgebungen – Vergleich problembasierter und instruktionsorientierter Seminarkonzeptionen in der Lehrerbildung

Ausgehend von Problemen bei der Anwendung wissenschaftlichen Wissens, die sich bei Lehramtsstudierenden zeigen, wurden zwei Seminarkonzeptionen in einem Hauptseminar zum Thema Lehrerkompetenzen implementiert. Die Seminarinhalte wurden im einen Fall problembasiert aufbereitet (n = 17) und im anderen Fall hauptsächlich instruktionsorientiert vermittelt (n = 27). Die Lernleistung (Wissensreproduktion und Wissensanwendung) wurde anhand von Wissenstests erhoben, außerdem wurden metakognitive und motivationale Dimensionen mittels Ratingskalen erfasst. Die problembasierte Konzeption war deutlich überlegen, v.a. hinsichtlich der Förderung komplexer Wissensanwendung und der Vernetztheit und Wissenschaftlichkeit des erworbenen Wissens. Zudem wurden die Reflexion im Lernprozess und mehrere motivationale Dimensionen, die mit dem Lernerfolg assoziiert waren, durch die problembasierte Konzeption gefördert.


Peter Kauder
Wissenschaftliche Schulen in der Erziehungswissenschaft
Exemplarische und explorative Annäherungen an ein kaum erforschtes Thema

Das kaum erforschte Thema der wissenschaftlichen Schulen in der deutschen Erziehungswissenschaft wird aufgearbeitet: Nach der Begründung der Relevanz des Themas werden Charakteristika zur Bestimmung wissenschaftlicher Schulen vorgestellt und an der Petzelt-Schule exemplifiziert. Danach wird gezeigt, mit welchen Schritten speziell die Zahl ihrer Mitglieder und der Angehörigen anderer Schulen generell bestimmt werden könnte, und anschließend wird angedeutet, woran die Sichtbarkeit der Petzelt-Schule in der Disziplin und in der Allgemeinen Pädagogik festgemacht werden kann. Ein Ausblick nennt Forschungsdesiderate.


Martin Rothland
Soziale Kompetenz: angehende Lehrkräfte, Ärzte und Juristen im Vergleich
Empirische Befunde zur Kompetenzausprägung und Kompetenzentwicklung im Rahmen des Studiums

Eine ausgeprägte Sozialkompetenz kann als notwendige Voraussetzung für die Ausübung des Lehrerberufs angesehen werden. Auf der Basis einer Stichprobe von n = 977 Studierenden wird die soziale Kompetenz von Lehramtsstudierenden im Vergleich mit n = 135 Studierenden der Rechtswissenschaften und n = 210 Studierenden der Humanmedizin erfasst, um auf diese Weise zum einen die Voraussetzungen der angehenden Lehrkräfte für den angestrebten Beruf und damit ein in der Forschung diskutiertes studiengangsspezifisches Defizit in diesem Kompetenzbereich zu überprüfen. Zum anderen ist es das Ziel der Untersuchung, den Lern- und Kompetenzentwicklungsfortschritt im Rahmen der ersten Phase der Lehrerbildung zu erfassen und den Kompetenzentwicklungsbedarf zu klären.


Stefan Weyers/Nils Köbel
Folterverbot oder „Rettungsfolter“?
Urteile Jugendlicher über Moral, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit angesichts eines realen moralischen Dilemmas

Das absolute Folterverbot gehört zu den Grundlagen des demokratischen Rechtsstaats, im Zuge der Diskussion über die „Rettungsfolter“ ist es in jüngster Zeit jedoch stark relativiert worden. Der Beitrag untersucht anhand eines realen Falls, wie Jugendliche das Dilemma interpretieren und inwieweit sie dabei menschenrechtliche und rechtsstaatliche Aspekte beachten. Erwartet wurde, dass mit der Fähigkeit zu systemischtranspersonalem Urteilen die Ablehnung der Folter und der Rekurs auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zunehmen. Die Befunde bestätigen diese These, zeigen aber auch starke kontextspezifische Variationen und eine hohe Diskrepanz zwischen allgemeiner und kontextueller Beurteilung der Menschenrechte.


Besprechungen

Michael Geiss
David F. Labaree: Education, Markets and the Public Good. The Selected Works

Rebekka Horlacher
Sascha Koch/Michael Schemman (Hrsg.): Neo-Institutionalismus in der Erziehungswissenschaft. Grundlegende Texte und empirische Studien

Heinz-Elmar Tenorth
Benjamin Ortmeyer: Mythos und Pathos statt Logos und Ethos. Zu den Publikationen führender Erziehungswissenschaftler in der NS-Zeit: Eduard Spranger, Herman Nohl, Erich Weniger und Peter Petersen

 

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen