Überzeugungen von Lehrpersonen

Fritz Oser/Sigrid Blömeke
Überzeugungen von Lehrpersonen
Einführung in den Thementeil

 

Sigrid Blömeke/Ute Suhl/Martina Döhrmann
Zusammenfügen was zusammengehört
Kompetenzprofile am Ende der Lehrerausbildung im internationalen Vergleich

Untersucht wird, ob sich in 14 Ländern, die an der „Teacher Education and Development Study in Mathematics (TEDS-M)“ der IEA teilgenommen haben, angehende Lehrkräfte identifizieren lassen, die ein vergleichbares Muster an Professionswissen und professionellen Überzeugungen aufweisen. Die Identifikation solcher Kompetenzprofile erfolgt auf Basis der Item-Response-Theorie, sodass Gruppenzugehörigkeit personenorientiert und nicht-deterministisch modelliert wird. In den meisten Ländern lassen sich am Ende der Ausbildung zwei Profile identifizieren: Lehrkräfte mit einem kognitiv anspruchsvollen und dynamisch-konstruktivistisch akzentuierten Kompetenzprofil sowie leistungsschwächere Lehrkräfte mit stärker statischen und transmissionsorientierten Überzeugungen. Erklärende Merkmale der Profilzugehörigkeit sind das Geschlecht, fachliche und insbesondere fachdidaktische Lerngelegenheiten sowie die Kohärenz der Ausbildung. Aus den Ergebnissen lassen sich Hinweise auf Reformpotenzial in der Lehrerausbildung ableiten.

 

Sibylle Steinmann/Fritz Oser
Prägen Lehrerausbildende die Beliefs der angehenden Primarlehrpersonen?
Shared Beliefs als Wirkungsgröße in der Lehrerausbildung

Überzeugungen (Beliefs) von Lehrpersonen – dies ist heute unumstritten – haben einen großen Einfluss auf das professionelle Handeln. Wir nehmen daher an, dass auch die Beliefs der Lehrerausbildenden eine starke Wirkung auf die auszubildenden Junglehrpersonen haben. Weil es nun verschiedene Akteure in der Ausbildung gibt (Fachausbildner/Fachdidaktiker, Erziehungswissenschaftler und Praxislehrpersonen), ist die Frage berechtigt, ob diese so etwas wie gemeinsam geteilte (shared) Beliefs haben und ob diese, falls sie gemeinsam geteilt sind, eine stärkere Wirkung zeigen. Anhand der TEDS-M-Daten und einer Zusatzerhebung wird in einem ersten Schritt analysiert, inwiefern die Lehrerausbildenden der Deutschschweizer Primarlehrerausbildung shared Beliefs in Bezug zum Lehren und Lernen, der Natur der Mathematik sowie zum Erwerb von Mathematikkompetenzen haben. Die Resultate zeigen, dass es a) wenige shared Beliefs zwischen den Ausbildungsverantwortlichen gibt und b) dass die angehenden Lehrpersonen ihre Beliefs eher den Dozierenden der Mathematik/Mathematikdidaktik und weniger den Dozierenden der Erziehungswissenschaften und den Praktikumslehrpersonen anpassen.

 

Horst Biedermann/Christian Brühwiler/Samuel Krattenmacher
Lernangebote in der Lehrerausbildung und Überzeugungen zum Lehren und Lernen. Beziehungsanalysen bei angehenden Lehrpersonen

Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage, inwieweit Lerngelegenheiten in der Primarlehrerausbildung mit konstruktions- und transmissionsorientierten Überzeugungen zum Erwerb mathematischen Wissens in Beziehung stehen. Mehrheitlich wird in der Literatur festgehalten, dass Studierende bereits beim Eintritt in die Ausbildung über robuste berufsbezogene Überzeugungen verfügen, die sich nur schwer verändern lassen. Die vorliegenden Analysen verweisen darauf, dass zwischen Lernangeboten im Bereich der Mathematikdidaktik und Überzeugungen der Studierenden Zusammenhänge bestehen, kaum jedoch zwischen Lernangeboten im Bereich der Mathematikdidaktik und Lerngelegenheiten in den Bereichen Schulmathematik und (Schul-)Pädagogik. Auch wenn die Daten keine belastbaren Kausalaussagen zulassen, so unterstützen die Ergebnisse doch die Vermutung, dass Lernangebote auch professionsrelevante Überzeugungen von Studierenden beeinflussen können.

 

Johannes König/Gabriele Kaiser/Anja Felbrich
Spiegelt sich pädagogisches Wissen in den Kompetenzselbsteinschätzungen angehender Lehrkräfte?
Zum Zusammenhang von Wissen und Überzeugungen am Ende der Lehrerausbildung

Der Beitrag untersucht den Zusammenhang zwischen Selbsteinschätzungen zur Kompetenz hinsichtlich zentraler Anforderungen beim Unterrichten bei angehenden Lehrkräften am Ende ihrer Ausbildung und ihrem pädagogischen, auf die Kernaufgabe des Unterrichtens bezogenen Wissen. Angesichts der hohen Bedeutung, welche Selbsteinschätzungen in bisherigen Studien zur Wirksamkeit der Lehrerbildung beigemessen wird, werden hohe Zusammenhänge zwischen Selbsteinschätzung und Wissen erwartet. Verwendet werden aus der internationalen Vergleichsstudie TEDS-M Daten der Teilnehmerländer Deutschland und USA. Korrelative Befunde lassen erkennen, dass angehende Lehrkräfte mit besserer Testleistung auch stärker davon überzeugt sind, auf das Unterrichten vorbereitet zu sein. Erwartungswidrig sind die Zusammenhänge zwischen Wissen und Selbsteinschätzungen allerdings nur niedrig, und nur bei angehenden Primarstufenlehrkräften in Deutschland sowie bei angehenden Sekundarstufenlehrkräften in den USA statistisch signifikant. Implikationen für die Bewertung des methodischen Zugangs von Selbstbeurteilungsverfahren sowie für die Professionalisierung angehender Lehrkräfte werden diskutiert.

 

Eckhard Klieme
Internationales large scale assessment in der Lehrerbildung: Anmerkungen zu einem neuen Paradigma der vergleichenden Bildungsforschung

Die TEDS-M-Studie der IEA stellt einen neuen Typus des international vergleichenden large scale assessments dar. Ziele, theoretische Grundlagen und Methoden werden auf eine Kombination verschiedener Ansätze der internationalen Schulleistungsforschung und der Lehrerbildungsforschung zurückgeführt. Erkenntnisgewinn und offene Fragen der Mehr-Ebenen-Analysen zu berufsbezogenen Überzeugungen angehender Mathematiklehrkräfte werden diskutiert.

Allgemeiner Teil

Anne-Katrin Jordan/Jens Knigge/Andreas C. Lehmann/Anne Niessen/Andreas Lehmann-Wermser
Entwicklung und Validierung eines Kompetenzmodells im Fach Musik – Wahrnehmen und Kontextualisieren von Musik

Für das Schulfach Musik gibt es bislang noch keine empirisch validierten Kompetenzmodelle. Im vorliegenden Beitrag wird über den ersten Versuch berichtet, ein theoretisches Kompetenzmodell für das Fach Musik zu operationalisieren und mit Hilfe selektierter Aufgaben zu validieren. Aus forschungsökonomischen Gründen erfolgte eine Beschränkung auf den curricularen Bereich „Wahrnehmen und Kontextualisieren von Musik“. An der Hauptstudie nahmen insgesamt 1449 Schülerinnen und Schüler der sechsten Jahrgangsstufe teil, wobei die finalen Testaufgaben in einem computerbasierten Test administriert wurden. In der Auswertung wurde die Rasch-Modellgültigkeit untersucht, die Dimensionalität anhand von Vergleichen ein- und mehrdimensionaler Modelle überprüft sowie Kompetenzniveaus bestimmt. Das validierte Kompetenzmodell wird abschließend dargestellt und diskutiert.

 

Jürgen Budde
Problematisierende Perspektiven auf Heterogenität als ambivalentes Thema der Schul- und Unterrichtsforschung

Der Beitrag analysiert die Verwendung des Begriffs Heterogenität im schulischen Feld mit dem Ziel, ihn für erziehungswissenschaftliche Schul- und Unterrichtsforschung fruchtbar zu machen. Es wird gezeigt, dass Thematisierungen von Heterogenität in Spannungslinien zu Homogenität, zu unterschiedlichen Ebenen des schulischen Feldes sowie zu diskursiven Einsätzen stehen. Verwendung findet der Begriff vor allem im Kontext von soziokulturellen Kategorien sowie von Leistungsheterogenität. Kritisiert wird ein verkürztes und ontologisierendes Verständnis von Heterogenität und im Gegenzug auf die Konstruktion von (Konzeptionen über) Heterogenität im schulischen Feld selber verwiesen. Der Beitrag plädiert für eine kulturtheoretische Perspektive, die Heterogenität nicht als ‚Tatsache‘ begreift, sondern als einen empirisch zu rekonstruierenden Prozess der Anwendung von Differenzierungspraktiken.

 

Elmar Drieschner/Detlef Gaus
Kindergarten und Grundschule zwischen Differenzierung und Integration.
Modellannahmen über Strukturen und Prozesse der Systementwicklung

Wesentliches Kennzeichen der Bildungssystementwicklung sind fortschreitende Prozesse der Ausdifferenzierung, Differenzierung und Integration. Immer mehr pädagogische Arbeitsfelder und Einrichtungen werden Teil des Bildungssystems. Verdeutlicht am Beispiel von Grundschule und Kindergarten wird die These vertreten, dass sich beide Organisationen in jeweils unterschiedlichen Phasen und Geschwindigkeiten dieses Modernisierungsprozesses befinden. Die hier eingenommene system- und modernisierungstheoretische Perspektive präzisiert das Spannungsfeld zwischen historisch gewachsenen Differenzen und heutigen Ansprüchen an die Anschlussfähigkeit beider Organisationen. Angestrebt wird die Entwicklung einer übergreifenden Theorie struktureller Integrationsprozesse.

Dokumentation

 Erziehungswissenschaftliche Habilitationen und Promotionen 2011