Zeitschrift für Pädagogik - Inhaltsverzeichnis
Jahrgang 48 – Heft 5 – September/Oktober 2002

Thementeil: Evolutionäre Pädagogik
649 Annette Scheunpflug

Evolutionäre Pädagogik. Einführung in den Thementeil
         
652 Alfred K. Treml

Evolutionäre Pädagogik – Umrisse eines Paradigmenwechsels

Zusammenfassung: Der Beitrag stellt zunächst in einem kurzen ideengeschichtlichen Rückblick die in der Pädagogik dominante teleologische Sichtweise dar und deutet ihre Schwächen an. Im Kontrast dazu wird dann die in der Evolutionstheorie übliche teleonome Sichtweise erläutert und auf Pädagogik angewendet. Dabei werden die für eine Evolutionäre Pädagogik basalen begrifflichen Unterscheidungen herausgearbeitet und an einigen ausgewählten Grundproblemen theoretischer Pädagogik erprobt. Schließlich werden die Begriffe ‚Zufall‘, ‚Selektion‘ und ‚Anpassung‘ erläutert, weil sie zu Missverständnissen Anlass geben.


670 Karl Ernst Nipkow

Möglichkeiten und Grenzen eines evolutionären Paradigmas in der Erziehungswissenschaft

Zusammenfassung: Die Evolutionsforschung ist ausdifferenziert und erfordert einen entsprechend differenzierenden Umgang. Es werden ein sektoraler und ein paradigmatischer Gebrauch beschrieben. Ein geschlossenes ‚evolutionäres Paradigma‘ existiert nicht; zwei Hauptvarianten werden hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit für die Pädagogik untersucht: der Ansatz der Soziobiologie und der einer systemtheoretisch orientierten Allgemeinen Evolutionstheorie. Anthropologische Kernprobleme betreffen die menschliche Freiheit und die Frage des Bösen in der menschlichen Natur. An den Themenfeldern von Kooperation und Abgrenzung, Indoktrinierbarkeit und Indoktrination werden fruchtbare Rezeptionsmöglichkeiten konkretisiert.

690 Eckart Voland/Renate Voland

Erziehung in einer biologisch determinierten Welt – Herausforderung für die Theoriebildung einer evolutionären Pädagogik aus biologischer Perspektive

Zusammenfassung: Wir benennen vier Herausforderungen für die Theoriebildung einer evolutionären Pädagogik, die sich aus dem Theoriefortschritt der Biowissenschaften ergeben: Subjektiv wahrgenommene Autonomie – konstitutiv für die Pädagogik – stößt auf biologische Determination. Belehrbarkeit – grundlegend für pädagogisches Handeln – scheint biologisch unwahrscheinlich; Vorbereitung auf zukünftiges Leben – eine Zielperspektive von Erziehung – bedient sich biologisch historischer Information; und schließlich ist die Begegnung zwischen Biologie und Erziehungswissenschaft zwangsläufig mit der Seins-/Sollens-Aporie belastet. Wir sehen in diesen Konfrontationen theoretische Herausforderungen für die weitere Entwicklung evolutionärer Pädagogik.

      
707 Nicole Becker

Perspektiven einer Rezeption neurowissenschaftlicher Erkenntnisse in der Erziehungswissenschaft

Zusammenfassung: Der Beitrag thematisiert Stand und mögliche Ansatzpunkte einer Rezeption neurowissenschaftlicher Erkenntnisse in der Erziehungswissenschaft. Zunächst wird der Rezeptionsstand in den USA dargestellt; hierbei wird vor allem die Argumentation Bruers aufgegriffen. Anschließend wird auf die Rezeption innerhalb der deutschen Erziehungswissenschaft eingegangen. Im letzen Teil werden Möglichkeiten und Grenzen eines interdisziplinären Diskurses aufgezeigt.

720 Dieter Neumann

Ein Klassiker der Pädagogik in evolutionärer Perspektive: Eduard Sprangers "Lebensformen" im Lichte der modernen Biologie

Zusammenfassung: In diesem Beitrag werden Eduard Sprangers "Lebensformen" vor dem Hintergrund von Erkenntnissen der modernen Biologie interpretiert. Der Verfasser zeigt, inwieweit Sprangers Diagnose unterschiedlicher Menschentypen, die durch äußere Einflüsse in ihre Eigenschaftsmerkmalen kaum zu beeinflussen sind, mit Forschungshypothesen heutiger biowissenschaftlicher Forschung übereinstimmt.

Allgemeiner Teil
741 Karl-Heinz Arnold

Schulentwicklung durch Rückmeldung der Lernwirksamkeit an die Einzelschule: Möglichkeiten und Grenzen der Schuleffizienzforschung

Zusammenfassung: Die Schuleffizienzforschung (SER: School Effectiveness Research) bietet im Setting breit angelegter Schulleistungsstudien die Möglichkeit, in fairer Weise die Lernwirksamkeit der Einzelschule zu bestimmen. Allerdings ist aufgrund des Designs der meisten Studien die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf der Ebene der Einzelschule so weitgehend eingeschränkt, dass eine auf die Einzelschule als Handlungseinheit fokussierte Schulentwicklung kaum aufgrund dieser empirischen Evidenz planbar und evaluierbar erscheint. Hingegen bietet unterhalb der Schulebene die lehrer- bzw. klassenbezogene sowie die jahrgangs- und fachbezogene Rückmeldung der Lernwirksamkeit wertvolle Information für die traditionellen Formen der Beratung, Supervision und Lehrerfortbildung. Oberhalb der Schulebene, d.h. auf der Ebene des Schulsystems bieten SER-Daten höchstbedeutsame Evaluationsdaten zur Entwicklung der sozialen Gerechtigkeit. Wenig beachtet wird, dass auf der Ebene der Einzelschule subtile Prozesse des Risikomanagements ablaufen, die einerseits die Effektivität des Gesamtsystems sichern, andererseits jedoch kaum in SER-Kennwerten abbildbar sind.
      
765 Ulrich Frick/Maria Kurz-Adam/Michael Köhler
Die Ziele der stationären Jugendhilfe – eine Typologie fachlicher Ziele und Zuweisungsmuster in der Hilfeplanung des Jugendamtes
Zusammenfassung: Aus einer vollständigen Falldokumentation aller stationären Erziehungshilfemaßnahmen des Stadtjugendamtes München in den Jahren 1996 bis 1998 wurden einerseits die mit dem jungen Menschen vereinbarten pädagogischen Ziele, andererseits die mit seinen Eltern vereinbarten Ziele der Hilfeplanung einer typologischen Analyse unterzogen. Mithilfe einer Latenten-Klassen-Analyse fanden sich 12 ‚typische‘ Muster von Zielkonstellationen bei den jungen Menschen, die sich als charakteristische Konstellationen aus einer umfangreichen Liste von 54 möglichen Einzelzielen ergeben. Für die Ziele mit den Eltern wurden aus 28 Einzelzielen 5 Zieltypen identifiziert. Die Zieleklassen folgen einem Muster aus steigender Intensität bei sinkender Prävalenz, und einigen speziellen Konstellationen. Sie zeigen sich stark altersabhängig und geschlechtsspezifisch; zudem bestehen deutliche Zusammenhänge zwischen den Zielvereinbarungen mit den Kindern und Jugendlichen einerseits und denjenigen mit den Eltern andererseits. Die Zielemuster können als soziale Repräsentationen von Zuweisungen in die stationäre Hilfe gelten, die Aufschluss über die daraus abzuleitenden diagnostischen Anforderungen an die Hilfeplanung im Rahmen der Unterbringung in die stationären Erziehungshilfen geben können.
 
786 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Stellungnahme zur strukturellen Stärkung der empirischen Bildungsforschung. Ausschreibung von Forschungsgruppen in der Empiischen Bildungsforschung

Besprechungen
799 Heinz-Elmar Tenorth

Erhard Wiersing (Hrsg.): Humanismus und Menschenbildung. Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft der bildenden Begegnung der Europäer mit der Kultur der Griechen und Römer. Notker Hammerstein: Res publica litteraria. Ausgewählte Aufsätze zur frühneuzeitlichen Bildungs-, Wissenschafts- und Universitätsgeschichte
804 Wolfgang Keim
Barbara Feller/Wolfgang Feller: Die Adolf-Hitler-Schulen. Pädagogische Provinz versus Ideologische Zuchtanstalt
808 Peter Faulstich
Frank Achtenhagen/Wolfgang Lempert (Hrsg.): Lebenslanges Lernen im Beruf. Eine Grundlegung im Kindes- und Jugendalter. 5 Bände

Dokumentation
813
Pädagogische Neuerscheinungen