Thementeil: Eignungsabklärung angehender Lehrerinnen und Lehrer

Martin Rothland/Ewald Terhart
Eignungsabklärung angehender Lehrerinnen und Lehrer
Einführung in den Thementeil

Katja Päßler/Benedikt Hell/Heinz Schuler
Grundlagen der Berufseignungsdiagnostik und ihre Anwendung auf den Lehrerberuf
 
Die berufliche Eignungsdiagnostik stellt ein vitales Forschungs- und Anwendungsfeld mit einer Verankerung in der psychologischen Diagnostik sowie der Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie dar. Dieser Beitrag stellt die wichtigsten eignungsdiagnostischen Verfahren überblicksartig vor, beleuchtet deren diagnostische Aussagekraft sowie die Möglichkeiten und Grenzen im Hinblick auf eine Anwendung auf den Lehrerberuf. Der Anforderungsanalyse als essenziellem Bestandteil einer jeden Eignungsdiagnose wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da ihre methodischen Varianten, deren Vielgestaltigkeit unter anderem auf verschiedenartige Zielsetzungen zurückführbar ist (bedingungs- vs. personenbezogen), einander ergänzende Perspektiven für die Analyse des Lehrerberufs liefern. Ergänzend zu der überblicksartigen Darstellung der Forschungsbefunde wird im Anschluss am Beispiel eines mehrstufigen Auswahlverfahrens für Lehramtsstudierende ein konkretes Umsetzungsbeispiel vorgestellt.

Martin Rothland/Sandra Tirre
Selbsterkundung für angehende Lehrkräfte: Was erfassen ausgewählte Verfahren der Eignungsabklärung?

Die Ausgangsfrage des Beitrags lautet, was Selbsterkundungsverfahren erfassen, mit deren Hilfe Personen mit dem Berufswunsch Lehrer/Lehrerin ihre Eignung für den Lehrerberuf bewerten und eflektieren sollen. Ausgehend von einer Beschreibung der Skalen und Items zweier ausgewählter Selbsterkundungsverfahren, dem FIT-Inventar (Fit für den Lehrerberuf) und dem FIBEL (Feedback-Inventar zur berufsbezogenen Erstorientierung für das Lehramt) wird die Annahme formuliert, dass beide Verfahren vielfältige Bezüge zu allgemeinen Persönlichkeitsvariablen aufweisen und somit nicht in erster Linie lehrerberufsspezifische Merkmale erfassen. Eine empirische Überprüfung dieser Hypothese erfolgt mittels einer Korrelationsanalyse, in der die Zusammenhänge zwischen den Selbsterkundungsverfahren und dem Persönlichkeitsfragebogen NEO-FFI auf der Basis der Angaben einer Stichprobe von n = 391 Lehramtsstudierenden berechnet werden. Im Ergebnis deutet sich an, dass FIT, FIBEL und NEO-FFI mehrheitlich inhaltlich verwandte Merkmale erfassen. Die Bedeutung stabiler Persönlichkeitsmerkmale im Kontext der Eignungsabklärung angehender Lehrkräfte wird diskutiert.

Andrea E. Abele
Prädiktoren des Berufserfolgs von Lehrkräften
Befunde der Langzeitstudie MATHE

Die vorliegende Arbeit berichtet über eine Langzeitstudie, bei der Personen, die Mathematik entweder mit Abschluss Staatsexamen oder mit Abschluss Diplom studiert haben, am Ende ihres Studiums zum ersten und zehn Jahre nach Berufseintritt zum wiederholten Mal befragt wurden. Es wird die Vorhersagekraft sozio-kognitiver Variablen (berufliche Selbstwirksamkeit, berufliche Ziele) und des Selbstkonzepts (agentische und kommunale Komponente) auf den Berufserfolg zehn Jahre später untersucht. Objektiver Berufserfolg wird hierbei über den Arbeitsumfang, subjektiver Berufserfolg über subjektive Leistungseinschätzung sowie Arbeitszufriedenheit und Belastungserleben (beides sowohl allgemein als auch lehrerspezifisch) erhoben. Die Befunde zeigen, dass sich Personen mit Staatsexamen versus mit Diplomabschluss am Ende des Studiums sowohl in ihren Zielen, als auch in ihrem Selbstkonzept unterscheiden. Zehn Jahre nach Beendigung des Studiums ist der Beschäftigungsumfang von Lehrerinnen, die Mütter sind, geringer als derjenige von Diplommathematikerinnen mit Kindern. Lehrkräfte fühlen sich generell stärker belastet und weniger zufrieden bei ihrer Arbeit als die Diplomgruppe. Selbstwirksamkeit und ein agentisches Selbstkonzept beeinflussen sowohl den Beschäftigungsumfang als auch die Arbeitszufriedenheit, die Leistungseinschätzung und (revers) das Belastungserleben. Vereinbarkeitsziele haben einen negativen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit. Folgerungen für  Maßnahmen der Lehrerbildung werden diskutiert.

Christine Bieri Buschor/Patricia Schuler Braunschweig
Check-point Assessment Centre für angehende Lehramtsstudierende
Empirische Befunde zur prognostischen Validität und zur Übereinstimmung von Selbst- und Fremdeinschätzung eignungsrelevanter Merkmale

Um an der Pädagogischen Hochschule Zürich zu studieren, absolvieren Studierende ohne Maturitätsabschluss neben fachlichen Prüfungen ein Assessment Centre (AC) zur Überprüfung ihrer überfachlichen Kompetenzen. Der vorliegende Beitrag untersucht Zusammenhänge zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung sowie die prognostische Validität. Die Fremdeinschätzung im AC erwies sich als signifikanter Prädiktor, um das Bestehen der Zwischenprüfung vorherzusagen. Ausbildungshintergrund, Leistung in einem allgemeinen Intelligenztest und die Selbsteinschätzungen der angehenden Studierenden waren hingegen statistisch nicht bedeutsam. Dagegen steht die Fremdeinschätzung im AC in einem deutlichen Zusammenhang mit der Einschätzung der Eignung für den Lehrberuf durch die Mentorinnen und Mentoren nach dem ersten Studienjahr. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass das Assessment Centre ein recht valides Verfahren zur Einschätzung der Kompetenzen angehender Studierender darstellt.

Uta Klusmann/Michaela Köller/Mareike Kunter
Anmerkungen zur Validität eignungsdiagnostischer Verfahren bei angehenden Lehrkräften

Die Identifikation der Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Voraussetzung für erfolgreiches Lehrerhandeln sind, ist von wissenschaftlichem und bildungspolitischem Interesse. Aktuell liegen unterschiedliche Testverfahren vor, die dafür konzipiert wurden, vor dem Eintritt in die Lehramtsausbildung die Studier- bzw. Berufseignung von Lehrkräften festzustellen. Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, vor dem Hintergrund der allgemeinen Studien- und Eignungsdiagnostik und der Forschung zur professionellen Kompetenz von Lehrkräften, die zentralen Herausforderungen eignungsdiagnostischer Verfahren für angehende Lehrkräfte in Hinblick auf ihre diagnostische Zielstellung, die Wahl der Kriterien und der Prädiktoren abzuleiten. Vor diesem Hintergrund wird anschließend diskutiert, wie gut es den aktuellen Verfahren gelingt, diese Anforderungen zu bewältigen, welchen Beitrag sie zur Vorhersage von Studien- und Berufserfolg von Lehrkräften leisten (können), aber auch welche Grenzen ihrer Aussagekraft gesetzt sind.

Deutscher Bildungsserver

Linktipps zum Thema „Eignungsabklärung angehender Lehrerinnen und Lehrer“

Allgemeiner Teil

Dietmar Langer
Zur Renaissance des ‚Ich‘ in der Pädagogik – jedoch nur in der Kleinschreibweise
Personalismus in der Entstehung als gemäßigter Naturalismus

Jemand ist eine Person, wenn er zu sich ‚ich‘ sagen, vernünftige Fragen stellen, sich entsprechend bilden und überlegte Entschlüsse fassen kann. Es wird dafür plädiert, Erziehung und Bildung auch nur in Beziehung zur Person zu bringen und ‚Ich‘ nur am Satzanfang groß zu schreiben. Der Personalismus aufgrund eines gemäßigten Naturalismus geht davon aus, dass weder mein Geist mein Gehirn lenkt noch mein Hirnorgan mein Verhalten regelt, sondern dass ich als Person mich selbst steuern kann, weil ich Meister meiner selbst bin, wenn ich über Willensfreiheit und einen vernünftigen Willen verfüge. Beide können wir an dem Ort finden, wo sie tatsächlich auftreten, nämlich als soziale Konstrukte im Sprachspiel der Zuschreibung von personaler Verantwortung und Urheberschaft. Der Zu-Erziehende kann und soll in pädagogischer Kommunikation lernen, sich selbst als verantwortlicher Urheber seiner Handlungen zu  erfahren und zu entwerfen.

Linda Paulina Fröhlich/Franz Petermann/Dorothee Metz
Förderung der phonologischen Bewusstheit am Übergang vom Kindergarten zur Grundschule mit den „Lobo-Programmen“

In den ersten Schuljahren eignet sich ein Kind Kompetenzen an, die für sein gesamtes weiteres Leben bedeutsam sind. Hierzu gehören insbesondere die Fähigkeiten des Lesens und Schreibens. Die vorgestellten Lobo vom Globo-Programme zur Förderung der phonologischen Bewusstheit bieten die Möglichkeit, Kinder am Übergang vom Kindergarten zur Schule zu unterstützen, damit ein möglichst problemloser Einstieg in den Schriftspracherwerb gelingen kann. Es wird untersucht, ob und inwiefern geförderte Kinder von einer Teilnahme an einem beziehungsweise an beiden Programmen profitieren. Berichtet werden die Ergebnisse der Stichprobe von N = 501 Kindern. Verglichen werden jeweils eine Kindergartengruppe bestehend aus Interventions-, Kontroll- und kombinierter Gruppe und einer Schulgruppe die ebenfalls aus einer Interventions-, Kontroll- und einer kombinierten Gruppe (Kinder, die sowohl am Lobo-Kindergarten- als auch am Lobo Schulprogramm teilgenommen haben) besteht. Die Ergebnisse zeigen, dass Kindergartenkinder als auch Schulanfänger von einem Training der phonologischen Bewusstheit profitieren. Kinder, die sowohl am Kindergarten als auch am Schultraining (kombinierte Gruppe) teilgenommen haben, weisen den stärksten Leistungszuwachs in der phonologischen Bewusstheit auf.


Theodor Schulze
Thesen zur deutschen Reformpädagogik

Mit diesen Thesen mischt sich der Autor ein in den anlässlich der bekannt gewordenen sexuellen Missbrauchsfälle in der Odenwaldschule entfachten Streit um Gestalt, Geltung und Geschichte der Reformpädagogik in Deutschland. Im Unterschied zu anderen Autoren geht er davon aus, dass es sich bei der historischen Reformpädagogik primär nicht um ein Konstrukt pädagogischer Rhetorik, Theoriebildung oder Geschichtsschreibung handelt und auch nicht allein um die Erfindung einzelner Reformer oder um das Markenzeichen einzelner Reforminstitutionen, sondern um eine breite und vielgestaltige Bewegung in der pädagogischen Praxis. Diese Bewegung bezieht sich auf den umfassenden Prozess der Etablierung eines öffentlichen, staatlich organisierten, die gesamte Jugend einbeziehenden Schulwesens. Sie richtet sich auf die Probleme des schulischen, des verschulten und dem Lernenden entfremdeten Lernens und versucht sie in der Ausgestaltung des Unterrichts und der schulischen Lernwelt zu überwinden. Schulreform bedeutet heute Schulentwicklung „von unten“ an der Basis durch die Betroffenen im Gegenzug gegen die Schulentwicklung „von oben“ in Plänen, Programmen und Vergleichsstudien durch Bildungspolitiker und Bildungsforscher.


Jürgen Oelkers
Replik auf Theodor Schulze

Die Replik setzt sich mit dem Vorwurf auseinander, die deutsche Reformpädagogik werde unfair behandelt, wenn man von Missbrauchsfällen ausgeht. Eine zentrale Frage dabei ist, was unter „Reformpädagogik“ verstanden wird. Die Replik entwickelt die These, dass zentrale Reformen aus der Mitte des Systems entstanden sind und die Landerziehungsheime zu keinem Zeitpunkt das „Labor“ für die Staatsschule gewesen sind. Zudem wird darauf verwiesen, dass man nicht Opfer beklagen und mit der Reformpädagogik so weitermachen kann wie bisher.

Besprechungen

Tanja Betz
Kirsten Fuchs-Rechlin: „Und es bewegt sich doch …“. Eine Untersuchung zum professionellen Selbstverständnis von Pädagoginnen und Pädagogen

Christian Brüggemann/Mikael Luciak
Olaf Beuchling: Zwischen Payos und Gitanos. Eine Studie zur ethnischen Bildungsungleichheit in Spanien

Sabrina Kulin
Nils Berkemeyer/Wilfried Bos/Veronika Manitius/Kathrin Müthing (Hrsg.): Unterrichtsentwicklung in Netzwerken. Konzeptionen, Befunde, Perspektiven

Nils Berkemeyer/Harm Kuper/Veronika Manitius/Kathrin Müthing (Hrsg.):
Schulische Vernetzung. Eine Übersicht zu aktuellen Netzwerkprojekten

Nils Berkemeyer/Wilfried Bos/Harm Kuper (Hrsg.):
Schulreform durch Vernetzung. Interdisziplinäre Betrachtungen

Ching-Ching Pan
Cristina Allemann-Ghionda (Hrsg): Interkulturelle und Vergleichende Erziehungswissenschaft

Gabriele Weiß
Sönke Ahrens: Experiment und Exploration. Bildung als experimentelle Form der Welterschließung

 

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen