Zeitschrift für Pädagogik - Inhaltsverzeichnis
Jahrgang 49 – Heft 6 – November/Dezember 2003
Roland Reichenbach
Pädagogischer Kitsch
Kitsch als ästhetischer Kampfbegriff wird in diesem Beitrag benutzt, um befragenswerte Eigenheiten des pädagogischen Diskurses und Darstellens zu beleuchten. Nach allgemeinen Bestimmungen zum Begriff des Kitsches, mit welchen dieser abgelöst von kunsttheoretischen Deutungen als lebensweltliche Größe und so als generell mögliches Attribut des Darstellens und Empfindens markiert wird, widmet sich der Artikel vier Facetten von pädagogischem Kitsch, namentlich pädagogischen Kitschtypen, pädagogischen Überredungsbegriffen, antipädagogischem Kitsch und dem Kitsch in der universitären Lehre.
Thementeil: Bildung, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt bei Jugendlichen
Werner Helsper
Bildung, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt bei Jugendlichen.
Einleitung in den Thementeil
Heinz-Hermann Krüger/Sylke Fritzsche/Nicolle Pfaff/Sabine Sandring
Rechte politische Orientierungen bei Schülern im Rahmen schulischer Anerkennungsbeziehungen. Erste Ergebnisse einer Studie zu Jugendlichen in Ost- und Westdeutschland
In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse eines Forschungsprojektes vorgestellt, das rechtsorientierte Einstellungen von Jugendlichen im Rahmen schulischer Anerkennungsbeziehungen untersucht. Nach einem knappen Überblick über den bisherigen Stand der Forschung, der Darstellung des eigenen Forschungsdesigns und einiger zentraler quantitativer Befunde zu rechten, ethnozentrischen und gewaltaffinen Einstellungen bei Schülern in einem neuen und einem alten Bundesland analysieren wir in einem weiteren Schritt das Vorkommen rechter Orientierungen unter Jugendlichen an den von uns untersuchten Einzelschulen und nehmen basierend darauf hoch und niedrig belastete Schulen vergleichend in den Blick. Dabei gehen wir der Frage nach, welche Zusammenhänge zwischen einer hohen bzw. niedrigen Belastung von Einzelschulen durch rechtsorientierte Jugendliche und der Qualität schulischer Anerkennungsbeziehungen bestehen. In einem abschließenden Ausblick werden die bisherigen Ergebnisse bilanziert und einige Perspektiven für die weitere Forschungsarbeit entwickelt.
Detlef Oesterreich
Offenes Diskussionsklima im Unterricht und politische Bildung von Jugendlichen
Deutsche Jugendliche berichten im internationalen Vergleich über ein offenes, diskussionsfreudiges Unterrichtsklima. Dennoch sind deutsche Jugendliche politisch wenig handlungsbereit und ausländerfeindlicher eingestellt als Jugendliche anderer Länder. Da auch für deutsche Jugendliche der in vielen Untersuchungen nachgewiesene Zusammenhang zwischen einem offenen Unterrichtsklima und prosozialen Einstellungen gilt, wird man die Schuld für die geringe politische Beteiligungsbereitschaft deutscher Jugendlicher und ihre ausländerfeindlichen Einstellungen wohl kaum dem Unterrichten von Lehrern und Lehrerinnen anlasten können. Vielmehr dürften hierfür die Rahmenbedingungen schulischen Lernens in Deutschland verantwortlich sein, die soziales Lernen benachteiligen. Die Halbtagsschule schränkt wegen ihres hohen Stoffdrucks schon rein zeitlich soziales Lernen ein und das dreigliedrige Schulsystem verschenkt soziale Lernchancen, die ein Miteinander von Jugendlichen unterschiedlicher sozialer und kognitiver Voraussetzungen bietet.
Thomas Wetzstein/Patricia Erbeldinger/Judith Hilgers/Roland Eckert
Selbstbildung und Gewalt in jugendlichen Cliquen
Freizeitcliquen von Jugendlichen können als Orte von Selbstbildung i.S. eines selbstgesteuerten Lernens begriffen werden, indem Erfahrungen gemeinsam interpretiert und in Handlungen umgesetzt werden. Jugendliche entsprechen damit dem diffusen Auftrag, etwas „aus sich zu machen“, den sie von ihren Eltern und den Erziehungsinstitutionen erhalten haben. Im Folgenden werden zwei Typen von Cliquenzugehörigkeit herausgegriffen: „Prekäre Cliquen“ ermöglichen ihren Mitgliedern nur eingeschränkt „Selbstbildung“. Gewalt kann für sie dann der Kristallisationspunkt einer besonderen „Kompetenz“ sein. In „interessenzentrierten Gruppen“ kann Selbstbildung zu Leistungs- und Kompetenzerfahrungen führen. Neben den verschiedensten medialen und jugendkulturellen Spezialisierungen können diese aber auch in Ideologien münden, die dann Gewalt legitimieren.
Achim Leschinsky
Das pädagogische „Schisma“.Wege zu einer Erklärung
Der folgende Beitrag geht von der tiefen Meinungsverschiedenheit über das Bildungssystem aus, die traditionell in der deutschen Pädagogik anzutreffen ist. Zwischen einer grundsätzlichen Kritik, die gewissermaßen utopische Züge hat, und der mehr faktisch als expliziten Rechtfertigung bestehender Strukturen existiert ein geradezu unversöhnliches Gegeneinander, ohne dass die Debatte wirklich weiterführende Fingerzeige für konkrete Veränderungen des Bildungssystems zeitigt. Offenbar besteht in beiden Fällen nicht das notwendige Bewusstsein von einer „Logik“ der Schule, die ihr eine gewisse Ambivalenz und Eigendynamik verleiht. Neben Vorzügen gibt es dabei auch Schwachstellen, die immer wieder Kritik und Veränderungsperspektiven heraufbeschwören; die durch die PISA-Untersuchung festgestellten Mängel der deutschen Schule liegen erkennbar im Bereich solcher Problemzonen. In dem Beitrag wird versucht, diese „Logik“ der Institutionalisierung von Bildungsprozessen zu erläutern und damit die Einseitigkeiten der Schule plausibel zu machen; vielleicht kann es auf diese Weise gelingen, den eingangs beschriebenen dauerhaften Streit zu erläutern und zu mindern.
Walter Hornstein
Was macht die Politik mit der Jugend? Über die nicht einlösbaren Versprechungen, mit denen die Politik die Jugend zu gewinnen sucht
Bei Analysen zum Verhältnis von Jugend und Politik stehen in der Regel die – meist als defizitär betrachteten – Einstellungen der Jugend zur Politik und deren politische Orientierungen im Vordergrund. Demgegenüber fehlt es so gut wie ganz an Analysen zu der Frage, wie sich die Politik auf die Jugend bezieht, mit ihr umgeht. Diese Frage verdient Aufmerksamkeit, weil die Vermutung nahe liegt, dass es möglicherweise die Handlungen oder auch Versäumnisse der Politik in Bezug auf die Jugend sind, die deren aufs ganze gesehen eher problematische Einstellungen gegenüber den Trägern und Institutionen der staatlichen Politik erzeugen. Die Analyse rückt vor allem diejenigen Formen der Politik in den Vordergrund, die sich explizit als „Jugendpolitik“ verstehen und zeigt, dass die Einbindung dieser Politik in die Organisationsprinzipien und strukturen der staatlichen Politik unter den Bedingungen der radikalisierten Moderne und der damit gegebenen Grenzen der Politik auch die Jugendpolitik zu einem zum Scheitern verurteilten Projekt macht.
Werner Thole/Michael Galuske
Sozialpädagogik – „Jahrhundertprojekt“ oder „Entsorgungsfall“?
Hinsichtlich ihrer disziplinären und professionellen Kontur schien die Sozialpädagogik seit dem letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts auf dem Weg zu ihrer Normalität zu sein. Dieser positive Blick auf die Sozialpädagogik gerät durch jüngste Diagnosen, die das Projekt der Sozialpädagogik im Hause der Erziehungswissenschaft als gescheitert ansehen, ins Wanken. Der Beitrag rekonstruiert und kritisiert die Position, wie sie insbesondere durch Jürgen Reyer in dieser Zeitschrift vorgetragen wurde (vgl. Z.f.Päd. 2001, 47, S. 398-413; Z.f.Päd. 2002, 48, S. 398-413), die die heutige Sozialpädagogik als Produkt einer Verlust- und Verfallsgeschichte charakterisiert. Der Ort der Sozialpädagogik, so herausgestellt, kann gegenwärtig nur angemessen vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklungsbedingungen des Feldes der Sozialen Arbeit bestimmt werden. Die Erziehungswissenschaft bildet für die moderne Sozialpädagogik nicht mehr den alleinigen Bezugspunkt für die Beantwortung sozialpädagogischer Fragestellungen. Ebenso wenig wie die Praxis sich noch allein über den Handlungsmodus des Erziehens definieren lässt, erscheint es angebracht, an einem ausschließlich historisch geprägten und philosophisch inspirierten, klassisch-pädagogischen Theoriekern festzuhalten. Demgegenüber wird in dem Beitrag für eine modernisierungstheoretisch fundierte und empirisch abgesicherte Theorie der Sozialpädagogik plädiert, auch weil die Komplexität und dynamische Widersprüchlichkeit sozialpädagogischen Handelns in den Umbrüchen der Moderne nur so angemessen zu beschreiben und zu konzeptualisieren ist.
Thomas Fuhr
Micha Brumlik: Bildung und Glück. Versuch einer Theorie der Tugenden
Egbert Witte
Christian Rittelmeyer: Pädagogische Anthropologie des Leibes. Biologische Voraussetzungen der Erziehung und Bildung
Günther Holzapfel: Leib, Einbildungskraft, Bildung. Nordwestpassagen zwischen Leib, Emotion und Kognition in der Pädagogik
Alois Suter
Gerhard de Haan/Tobias Rülcker (Hrsg.): Hermeneutik und Geisteswissenschaftliche Pädagogik. Ein Studienbuch
Burkhard Müller
Peter Dudek: Fetisch Jugend. Walter Benjamin und Siegfried Bernfeld – Jugendprotest amVorabend des ErstenWeltkrieges
Wolfgang Schröer
Sabine Andresen/Daniel Tröhler (Hrsg.): Gesellschaftlicher Wandel und Pädagogik. Studien zur historischen Sozialpädagogik
Ludwig Liegle
Jürgen Reyer: Kleine Geschichte der Sozialpädagogik. Individuum und Gemeinschaft in der Pädagogik der Moderne
Pädagogische Neuerscheinungen