Thementeil: Vertrauen als pädagogische Grundkategorie

Melanie Fabel-Lamla/Nicole Welter
Vertrauen als pädagogische Grundkategorie
Einführung in den Thementeil


Sylke Bartmann/Nicolle Pfaff/Nicole Welter
Vertrauen in der erziehungswissenschaftlichen Forschung

Der Beitrag gibt einen Überblick über die erziehungswissenschaftliche Vertrauensforschung vor dem Hintergrund von Perspektiven auf Phänomene des Vertrauens insbesondere in sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Dabei werden sowohl historische Ansätze wie auch aktuelle empirische Untersuchungen in der Erziehungswissenschaft diskutiert. Aufbauend darauf zeigt der Beitrag die Bedeutung des Phänomens auf den Ebenen des Individuums, der Interaktion und der Institution auf, skizziert Besonderheiten einer erziehungswissenschaftlichen Vertrauensforschung und benennt Forschungsdesiderata und -perspektiven.


Marina Zulauf Logoz
Bindung, Vertrauen und Selbstvertrauen

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der These, dass Entstehung und Entwicklung sowohl von zwischenmenschlichem Vertrauen als auch von Selbstvertrauen grundsätzlich mit der Bindungsentwicklung zusammenhängen. Die im Verhalten von Kleinkindern beobachtbare Bindungsqualität wird als erster Ausdruck der Ausprägung interpersonellen Vertrauens beschrieben. Die mentale Repräsentation von Bindung entwickelt sich zu einer generalisierten, erfahrungsbasierten Einstellung gegenüber dem Bezugspersonenkontext eines Kindes. Sie erweitert sich im Laufe der menschlichen Entwicklung immer expliziter zu einer Theorie über die Vertrauenswürdigkeit und das Wohlwollen der sozialen Umwelt und spielt eine wichtige Rolle für das Selbstkonzept. Inwieweit sich bei Kindern mit sicherer bzw. unsicherer Bindungsqualität Unterschiede im beobachteten Selbstvertrauen und in ihren Selbstaussagen zu Vertrauensbeziehungen feststellen lassen, zeigen Ergebnisse unserer Studie mit Neunjährigen.


Melanie Fabel-Lamla/Sandra Tiefel/Maren Zeller
Vertrauen und Profession
Eine erziehungswissenschaftliche Perspektive auf theoretische Ansätze und empirische Analysen

Vertrauen wird zwar in der pädagogischen Theorie und Praxis eine hohe Bedeutung zugesprochen, doch sind aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive Begriff oder Funktion von Vertrauen in pädagogisch-professionellen Kontexten bisher kaum systematisch bestimmt worden. Ausgehend von pädagogischen und professionssoziologischen Bestimmungsversuchen wird in diesem Beitrag die Bedeutung von Vertrauen für professionelle pädagogische Arbeit ausgelotet. Ziel ist es, auf der Basis einer kritischen Rekonstruktion von theoretischen und empirischen Ansätzen zu Vertrauen und (pädagogischer) Profession eine erziehungswissenschaftliche Forschungsperspektive zu entwickeln und ein prozessuales Vertrauensverständnis zu konzeptualisieren.


Inka Bormann
Vertrauen in Institutionen der Bildung oder: Vertrauen ist gut – ist Evidenz besser?

Die Implementation von Instrumenten des Monitorings, der Qualitätssicherung und -kontrolle im Bildungswesen berührt das Vertrauen in Bildungsinstitutionen – ein Verhältnis, das bislang kaum systematisch betrachtet wurde. In diesem Essay wird die These entfaltet, dass im Zuge der Bemühungen, die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems in den Griff zu bekommen, neue Probleme in Bezug auf das generalisierte Vertrauen auftreten: Erstens verlagert sich das Vertrauen in Institutionen zu einem Vertrauen in Instrumente und zweitens besteht die Gefahr einer dysfunktionalen Institutionalisierung von Misstrauen.


Birgit Bütow
Sexuelle Gewalt in der Heimerziehung
Ein Versuch, die pädagogische Kategorie des Vertrauens in die Analyse einzuführen

Sexuelle Gewalt durch Professionelle in Institutionen ist seit den spektakulären Fällen in der Odenwaldschule wieder intensiv in der öffentlichen Debatte präsent. Obwohl Einigkeit darin besteht, dass sexuelle Gewalt ein Macht- und Vertrauensmissbrauch gegenüber Schutzbefohlenen ist, fehlen in der (Sozial-)Pädagogik systematische Analysen zu Nähe-Distanz-Verhältnissen in der Beziehungsarbeit – insbesondere auch in Bezug auf Riskanzen und Ambivalenzen im Kontext von Emotionalität, Körperlichkeit und Sexualität. Der Beitrag ist ein Versuch, die Kategorie des Vertrauens in die Analyse dieser weitgehend ausgeblendeten Thematiken einzuführen. Dabei werden die Ebenen des Vertrauens in der Beziehungsgestaltung und gegenüber der Institution Heimerziehung als mögliche Zugänge diskutiert.



Allgemeiner Teil


Achim Leschinsky/Patrick Ressler
Ferne Spiegel?
Durkheim, Schumpeter und Weber und die Wertedebatte in den 1970er und 80er Jahren

Der Beitrag beschäftigt sich mit der Wertedebatte in der Bundesrepublik während der 1970er und 80er Jahre. Er zeigt Ansätze für die Historisierung der allgemeinen Wertedebatte dieser Jahre auf und möchte damit eine Folie für die Aufarbeitung der damals besonders kontroversen Debatte um Werteerziehung in der Schule schaffen. Dazu skizziert er zunächst wichtige Linien der Wertedebatte jener Jahre. Diese werden dann anhand dreier soziologischer „Klassiker“ – Durkheim, Schumpeter und Weber – in längerfristige Kontinuitätslinien eingeordnet. Das zentrale Argument lautet, dass die Historisierung der damaligen Wertedebatte von der Auseinandersetzung mit diesen Klassikern profitieren kann. Insgesamt unternimmt der Text eine explorative Annäherung an ein komplexes Thema, die zur weiteren Auseinandersetzung einlädt.


Jens Kratzmann/Sanna Pohlmann-Rother
Ethnische Stereotype im Kindergarten?
Erzieherinnenhaltungen gegenüber Zuwanderern aus der Türkei

Dieser Beitrag greift die Diskussion um die Bedeutung von Stereotypen gegenüber Kindern mit Migrationshintergrund für deren Bildungserfolg auf. Anhand von qualitativen Interviews mit 10 Erzieherinnen aus der BiKS-Studie1 wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich in deren Haltungen Stereotype gegenüber Kindern mit türkischem Migrationshintergrund und deren Familien zeigen. Die Interviews wurden auf der Grundlage eines Modells, das Stereotype als mehrdimensionales Konstrukt auffasst, inhaltsanalytisch ausgewertet und vergleichend analysiert. Berichtet werden die Ergebnisse der vergleichenden Analyse sowie ein Extremgruppenvergleich zweier kontrastierender Fälle. Die Analysen zeigen sehr differenzierte Haltungen von Erzieherinnen auf, stereotype Haltungen finden sich nur vereinzelt.


Barbara Caluori/Rebekka Horlacher/Daniel Tröhler
Publizieren als Netzwerkstrategie
Die Gesamtausgabe der Werke Pestalozzis bei Cotta

Zwischen 1819 und 1824 hatte Johann Heinrich Pestalozzi im Stuttgarter Verlag Cotta eine zwölfbändige Gesamtausgabe veröffentlicht. Diese wurde durch eine Subskription finanziert, wofür zuerst potenzielle Käuferinnen und Käufer geworben werden mussten. Der folgende Artikel untersucht mit einer Netzwerkperspektive, wie Pestalozzi bzw. seine Mitarbeiter dieses Projekt umgesetzt haben und wie die verschiedenen Netzwerke, die entscheidend zum Erfolg der Subskription beigetragen haben, zustande gekommen sind.


Besprechungen

Kai S. Cortina
Herbert Altrichter/Katharina Maag Merki (Hrsg.): Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem

Robert Kreitz
Kirsten Meyer: Bildung

  

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen